Ingolstadt verliert 0:2:Ultimative Drucksituation

Lesezeit: 3 min

Reingezwirbelt: Raul Bobadilla erzielt das 1:0 beim 2:0-Sieg der Augsburger in Ingolstadt. (Foto: Christian Charisius/Getty Images)

Bleibt Markus Kauczinski Trainer des FC Ingolstadt? Nach der achten Niederlage im zehnten Spiel sagt Geschäftsführer Gärtner: "Es ist nicht sicher". Am Sonntag wird es eine Krisensitzung geben.

Von Philipp Schneider, Ingolstadt

Markus Kauczinski lief langsam in Richtung seiner Bank, dann hob er die Hände, fasste seine Brille und legte sie behutsam ab. Raul Bobadilla griff währenddessen mit beiden Händen den Ball, rotierte ihn in die optimale Position, er lief ein paar Meter zurück und stemmte die Fäuste in die Seiten. Kauczinski, nunmehr brillenlos, lief auch ein paar Schritte zurück. Er vergrößerte die Distanz zum bösen Szenario mit Ball und Bobadilla, von dem er sich nun wünschte, dass es sich in Unschärfe und Ferne verlieren möge. So war der Anblick wohl besser zu ertragen: die Aussicht auf den bulligen, soeben erst eingewechselten Bobadilla, der anlief zum Freistoß und den Ball in das Ingolstädter Tor schlenzte; vier Minuten vor dem Ende einer Partie gegen Augsburg, die sonst wohl torlos ausgegangen wäre. Vier Minuten vor Ende einer Partie, die nun zur letzten des Trainers Kauczinski in Ingolstadt geraten könnte, weil sie eben nicht mindestens torlos ausging. Kauczinski ging nach der Szene ganz ruhig zur Bank, er griff sich die Brille. Das 2:0 des ebenfalls eingewechselten Halil Altintop kurz vor Schluss erlebte er wieder in knackiger Schärfe.

Bis zur entscheidenden Frage verging in der Pressekonferenz nicht viel Zeit: Herr Kauczinski, mit welchen Argumenten wollen Sie die Klubführung davon überzeugen, weiter mit Ihnen zusammenzuarbeiten? "Hier hat jeder seine Verantwortung. Ich habe meine für die Mannschaft. Die anderen ihre. Das sind so interne Sachen, die hier jetzt keine Rolle spielen."

Geschäftsführer Harald Gärtner ist einer derjenigen, der in Ingolstadt die Verantwortung für den Trainer trägt. "Schlecht geht es mir", sagte Gärtner nach dem Spiel und trug eine dazu passende sehr ernste Mimik zur Schau. Er wolle der Mannschaft nicht den Willen absprechen, "dass sie etwas versucht", sagte Gärtner. "Aber wir haben zwei verunsicherte Mannschaften gesehen, da muss man mit einem Nullnull vom Feld gehen." Nun gelte es, auf irgendeine Weise das Spielglück wiederzuerlangen.

Kauczinskis Zukunft, sagt Geschäftsführer Gärtner, "ist nicht sicher"

Aber ist der Trainerwechsel nicht die einzige verbliebene Option? "Genau, und das werden wir in Ruhe besprechen." Auf die Nachfrage, ob Kauczinski im nächsten Spiel noch in Verantwortung sei, sagte Gärtner: "Es ist nicht sicher."

Die offizielle Sprachregelung sieht nun vor, dass sich Gärtner am Sonntag mit Sportchef Thomas Linke und Trainer Kauczinski bereden wird. Angeblich ganz normal, wie nach jeder Partie. Aber was sollte auch anderes verkündet werden, so kurz nach der achten Saisonniederlage im zehnten Spiel. Es sieht offenbar nicht allzu gut aus für Kauczinski. Zumal vor der anstehenden Länderspielpause, einem Zeitpunkt, der traditionell beliebt ist für Rotationen auf den Trainersesseln. Mit weiterhin nur zwei Punkten bleibt der FCI auf dem vorletzten Rang und ist nun saisonübergreifend seit 15 Spielen sieglos. Zu allem Überfluss sah Tobias Levels wegen eines Frust-Fouls kurz vor Schluss die rote Karte.

Die elf Spieler, die Kauczinski gegen Augsburg aufs Feld schickte, bildeten keine herkömmliche Startelf. Eher eine Formation des Protests. Er nahm fünf Änderungen vor und vertraute einer Mannschaft, die dem Ernst der Lage gerecht werden sollte. Als Rechtsverteidiger nominierte er Tobias Levels, der Florent Hadergjonaj verdrängte. Der Schweizer, der beim 3:3 gegen Dortmund im letzten Heimspiel des FCI noch solide gespielt hatte, stand nicht einmal mehr im Kader. In der Innenverteidigung vertraute Kauczinski diesmal Romain Bregerie anstelle des 3,5 Millionen Euro Zugangs Marcel Tisserand vom AS Monaco. Davor spielte auf der linken Außenbahn Mathew Leckie für Moritz Hartmann und auf der rechten Seite bekam Stefan Lex den Vorzug vor Dario Lezcano. Kauczinskis Rotationslust endete nicht einmal beim Torwart. Der bislang nur im Pokal eingesetzte Martin Hansen kam zu seinem Bundesliga-Debüt und verdrängte Nyland. "Wenn die Punkte fehlen, gibt es auch kein Argument, nicht zu wechseln", sagte Kauczinski: "Gerade in so Phasen muss ich schon sehen, wer in Drucksituationen voll da ist. Und da schaue ich genau hin."

Der FC Ingolstadt spielt seit Wochen keine Torchancen heraus

Er entschied sich in der Drucksituation für eine sehr defensive Taktik mit Hinterseer als alleiniger Spitze und Pascal Groß dahinter. Zu Chancen kamen vor allem die Augsburger, die Ingolstädter hielten mal wieder mit viel Einsatz dagegen. Kämpfen allein reicht in der Bundesliga allerdings nicht, erst Recht nicht im Abstiegskampf. Dort helfen zum Beispiel Tore. Tore, die nach sogenannten Torchancen entstehen können. Doch davon gibt es in Ingolstadt seit Wochen eher wenig. Almog Cohen mit einer Direktabnahme (27.) und Leckie eher zufällig (35.) hatten vor der Pause die einzigen Gelegenheiten - beide Schüsse parierte Augsburgs Torwart Marwin Hitz.

Kauczinski nahm den wenig überzeugenden Hinterseer für Lezcano aus der Partie, eine offensivere Ausrichtung wählte er nicht. Für den Spielverlauf verhieß dies nichts Gutes. Noch weiter flachte das Niveau ab, noch weniger zwingende Kombinationen gab es zu sehen - und noch weniger Torschüsse. Dann lief die 84. Minute. Und Raul Bobadilla legte sich den Ball zurecht.

"Wir müssen jetzt sehen, dass wir die richtigen Schlüsse ziehen und dann den richtigen Weg gehen", sagte Geschäftsführer Gärtner. "Spiele sind noch genug." Ob genug für Kauczinski, das sagte er nicht.

© SZ vom 06.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: