HSV unterliegt 1:3:Überhaupt nicht da

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Wieder einmal Untergangsstimmung: Hamburg verliert zum Rückrundenstart in Ingolstadt und zeigt sich ratlos. (Foto: imago)

Die Lage in Hamburg spitzt sich zu: Nach der Niederlage beim Konkurrenten Ingolstadt rutscht der HSV in die Abstiegszone.

Von Christoph Leischwitz, Ingolstadt

Zwei Minuten wartete Gotoku Sakai, dann wollte er sich die Situation vor ihm auf dem Rasen nicht länger anschauen und wieder Fußball spielen. Der Kapitän des Hamburger SV lief zu Schiedsrichter Markus Schmidt und beschwerte sich. Der Grund: Mathew Leckie vom FC Ingolstadt lag verletzt am Boden und wurde behandelt, ohne an die Seitenlinie geschickt zu werden, um weiterspielen zu können - was ja normalerweise geschieht, wenn's mal länger dauert mit der Untersuchung. Drei Minuten später ließ sich der Stürmer des FCI mit Schmerzen auf den Boden fallen, abermals monierte ein Hamburger Zeitspiel. Dann wurde Leckie ausgewechselt. Es waren zwei der wenigen Momente, in denen die Hamburger glaubhaft versicherten, mitspielen zu wollen in dieser Partie beim FC Ingolstadt. Ansonsten zeigte sich der Gegner im Kellerduell deutlich kämpferischer.

Nach der deutlichen 1:3-Niederlage trat der neue Sportdirektor des HSV vor die Presse, er sah so aus, als ob nun auch er so richtig bei jenem Klub angekommen ist, der seit Jahren gegen den Abstieg kämpft. Jens Todt sagte: "Wir haben heute gesehen wie Abstiegskampf geht. Leider haben nicht wir es gezeigt, sondern der Gegner." Insofern durfte man an diesem Nachmittag sogar von einem Klassenunterschied sprechen: Ingolstadt hat die Hamburger vom Relegationsplatz 16 auf den 17 Platz verdrängt. Und hat selbst gezeigt, wie konzentriert man in wichtigen Spielen zu Werke gehen kann.

Am ersten Spieltag der Rückrunde hatten beide Teams die Möglichkeit bekommen, mit einem Sieg zumindest einmal durchzuschnaufen im Abstiegskampf, der wahrscheinlich für beide noch sehr lange dauern wird. Die Ingolstädter haben die Chance eindrucksvoll genutzt, der HSV hingegen fand erst viel zu spät ins Spiel. Sakai gelang in der 63. Minute ein sehenswertes Tor zum 1:3, ein 30-Meter-Schuss an die Unterkante der Latte. Doch die Schönheit dieses Schusses war vergänglich, sie löste nichts aus, kein Aufbäumen.

Walpurgis gewinnt mit englischem "Kick and rush" - trotz 1,71-Meter-Stürmer

Die Strategie unter dem neuen Ingolstädter Trainer Maik Walpurgis ist eigentlich recht simpel: Lange Bälle nach vorne, aus allen Lagen, alle hinterher, Abpraller festmachen und schnell den Torabschluss suchen. Elegant ist der "Kick-and-rush"-Stil, den auch viele englische Teams anwenden, oft nicht, aber zumindest gegen den HSV ist er wirksam. Es klappte sogar, obwohl ein 1,71 Meter kleiner Angreifer als Abnehmer für die langen, hohen Bälle vorgesehen war: Dario Lezcano. "Er hat die Bälle ständig festgemacht", schwärmte Ingolstadt Kapitän Marvin Matip. Garniert wurde dieses Spiel mit aggressiven Balleroberungen vor dem gegnerischen Strafraum. Und diesmal klappte es, etwa im Gegensatz zum 0:1 eine Woche zuvor bei Schalke 04, auch mit der Chancenauswertung.

Die Schusstechnik, mit der Pascal Groß das 1:0 in der 14. Minute erzielte, hat eine lange Vorgeschichte. Den Vollspannschuss aufs lange Eck hat "er hundertmal am Tag" geübt, erzählte sein Vater Stephan einst: Der 25-jährige Allrounder ist einer, der gerne Überstunden schiebt, und damit sehr gut passt zum FC Ingolstadt. "Ich sehe, wie er täglich arbeitet. Es hat mich riesig für ihn gefreut", sagt Trainer Walpurgis. Wenn die Chancenauswertung stimmt bei den Ingolstädtern - Walpurgis findet, man erspiele sich genug - dann dürfte Oberbayern auch in der kommenden Saison mit zwei Mannschaften in der ersten Liga vertreten sein.

Die Entscheidung fällt simpel: Diekmeier rennt Groß um - Elfmeter

Ingolstadt hatte auch Glück, wie etwa beim 2:0 durch einen Freistoß von Markus Suttner (22.), der abgefälscht im Eck landete und Torwart Christian Mathenia äußerst unglücklich aussehen ließ. "Die Ingolstädter haben jetzt auch nicht geglänzt. Die haben uns nicht hergespielt", fand Hamburgs Abwehrspieler Mergim Mavraj. Aber auch ihn ärgerte es, dass es den Gastgebern so leicht fiel, ihr simples Spiel aufzuziehen. Man habe doch gewusst, was kommt: "Hohe Bälle, lange Bälle, unkontrolliertes Spiel." Doch der zweikampfschwache HSV bekam selbst keine Kontrolle hinein, seltsam uninspiriert landeten zahlreiche Pässe in den Beinen des Gegners. "Wir waren auf der Sechs überhaupt nicht da", sagte der Trainer Markus Gisdol über sein defensives Mittelfeld.

Ausgerechnet Dennis Diekmeier, der aufgrund der bitter nötigen Umstellungen zur zweiten Halbzeit ins Spiel kam, entschied die Partie dann. "Ich habe ihn null gesehen", sagte er über sein Foul in der 47. Minute, als er völlig orientierungslos Pascal Groß umrannte und einen Elfmeter verursachte. Almog Cohen verwandelte sicher. "Wir müssen jetzt Punkte holen. Wie man sieht, die anderen punkten auch", lautete Diekmeiers simple Erkenntnis nach dem Spiel. Und wenn es gegen die direkte Konkurrenz nicht klappe, dann ja hoffentlich zumindest gegen die kommenden Gegner, die höher platzierten Bayer Leverkusen und RB Leipzig.

© SZ vom 29.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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