Hooligans:Das Spiel ist vorbei, die Gewaltbereitschaft bleibt

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Für eine Spezial-Gruppe der deutschen Polizei ist die Fußball-EM keineswegs gelaufen, ihrer Klientel geht es auch gar nicht um Sport.

Von Claudia Fromme

Als die deutschen Spieler wie geprügelte Hunde in Lissabon vom Platz zogen, hat Michael Endler das nicht mitbekommen. Er habe es nicht so mit Fußball, sagt der Polizeidirektor, er sehe die EM-Spiele nie.

Deutsche Hooligans bei der WM 1998 im französichen Lens. (Foto: Foto: dpa)

Das ist ein wenig ungewöhnlich, denn Fußball ist sein Beruf. Endler ist Leiter der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) im Landeskriminalamt Düsseldorf.

Die widmet sich bundesweit einmalig Fußballrowdies. Darum kommt Michael Endler sein Desinteresse auch ganz zupass: Gewaltbereite Hooligans sind nicht im Stadion zu suchen, sondern davor.

Die schnelle Abreise der deutschen Nationalmannschaft aus Portugal bedeutet für den Mann, den man als obersten Hooligan-Jäger des Landes bezeichnen könnte, allerdings nicht das Ende des Einsatzes. "Unserer Klientel ist es egal, wer wie spielt — der geht es um Gewalt, nicht um Sport."

Hoffnung auf friedliches Ende

Mit den Polizeien des Bundes und der Länder sorgt Endlers Dezernat auch bei der Rest-EM dafür, dass deutsche Hooligans nicht noch nach Portugal reisen.

Natürlich sei die Europameisterschaft weniger attraktiv für viele geworden, dennoch gebe es Anreize. Mit England und Holland im Viertelfinale seien deren Hooligans dort - und damit auch Gegner der deutschen Fans.

Ausschließen wolle er nichts, der Verlauf der EM lasse aber auf ein friedliches Ende hoffen. Dennoch bleiben Teile der deutschen Delegation mit Vertretern der ZIS und "szenekundigen" Beamten in Portugal.

Bundesweit beobachten 160 Beamte, die nah an den Fans der Bundesligaclubs und so szenekundig sind, notorische C-Fans. Neben der Masse friedlicher A-Fans und den aktuell 4850 B-Fans, die fußballinteressiert sind und sich zuweilen im Suff prügeln, sind es die 2452 gewaltbereiten C-Fans, die am Abflug gehindert werden sollten.

Weil auch für die Polizei nach dem Spiel immer vor dem Spiel ist, beschäftigt sich die ZIS schon seit Ende der EM 2002 mit dem Turnier in Portugal.

Grundlage dafür ist die Datenbank "Gewalttäter Sport", die von allen Polizeien und szenekundigen Beamten gefüttert wird. Sie wurde nach den brutalen Angriffen deutscher Hooligans auf den französischen Gendarmen Daniel Nivel bei der WM 1998 in Lens gestartet. Derzeit sind darin 4500 Hooligans verzeichnet.

Am Donnerstag kamen neue Daten dazu.

Die einiger der Fans, die nach der Niederlage in Hamburg randalierten. Etwa 150 von ihnen zertrümmerten Autos und Schaufenster; die Polizei bewarfen sie mit Stühlen und Flaschen.

Stufe 1: Reden

Dabei wurde ein Kameramann leicht verletzt. 23 Personen wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen.

Rainer Nölle aus Dortmund ist ein szenekundiger Beamter und liefert solche Daten. Er kümmert sich um die Fans von Borussia Dortmund und um den Dreistufenplan, den Bund und Länder vor der EM verabschiedet haben.

In Stufe eins wurde geredet. "Gefährdeansprache" heißt das im Jargon und im Klartext: "Wenn du nach Portugal reist, hast du ein Problem". Bei der EM wurde das der ZIS zufolge bundesweit bis zum Freitag 1933 Fans gesagt.

In Dortmund machte das unter anderem Nölle, meist im Stadion, aber auch an der Arbeitsstelle. Das mache Eindruck, sagt Nölle, wenn er in Uniform dort auftauche und sich der Lehrherr danach den Azubi vornehme.

Vormachen müsse man sich aber nichts: Hooligans gebe es in allen Berufen.

ZIS-Leiter Endler hat auch Lehrer und Akademiker in der Datenbank. Es sei aber noch kein Beamter zu einer Schule gefahren. Das mache man diskret bei Hooligans zu Hause, aber ebenso eindrucksvoll.

Beim harten Kern bringen nette Worte nichts, darum gab es für sie mit Meldeauflagen Stufe zwei. Dreimal am Tag müssen sich derzeit 139 C-Fans bei der Polizei melden - bis zum EM-Ende.

128 Hooligans müssen bis dahin auf den Ausweis verzichten. Weil Portugal für die EM das Schengener Abkommen ausgesetzt hat, seien einige C-Fans bei der Passkontrolle von Grenzern abgewiesen worden.

Treffen fern der Heimat

Andere hätten es dennoch geschafft, sagt Endler. Denen sei in Portugal von der ZIS-Delegation ein schöner Empfang bereitet worden. Kollegen hatten sie längst informiert, dass ein Hooligan abgetaucht ist.

Ausschreitungen deutscher Fans habe es in Portugal bis zum Donnerstag nicht groß gegeben, sagt Harry Kolbe von der deutschen Anti-Hooligan-Einheit dort; lediglich elf Randalierer seien festgenommen worden, erklärt auch NRW-Innenminister Fritz Behrens.

Das habe auch daran gelegen, so Kolbe, dass man sich Gewalttäter, die es trotzdem ins Land geschafft hätten, vorgeknöpft habe. Die seien perplex gewesen, dass sie 2500 Kilometer fern der Heimat deutsche Polizisten antrafen.

Mit anonymen Prügeleien sei da nichts mehr gewesen. "Das ist so, als wenn ein Boxer allein im Ring steht", sagt Kolbe. Da vergehe den härtesten Jungs der Spaß am Prügeln.

© SZ vom 25.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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