Holland:Der Wert des neuen Stils

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Gegen Portugal wird erkennbar, wie gut Holland wirklich spielt.

Ulrich Hartmann

Manchmal im Training hat Marco van Basten ein bisschen Zeit für sich. Wenn die Spieler ihre Runden drehen oder Fünf gegen Fünf spielen, dann steht er etwas unschlüssig auf dem Rasen des Freiburger Fußballstadions und entdeckt neben sich einen Ball.

Selbst spielen ist ihm zu anstrengend - aber gegen ein paar Gymnastikübungen spricht ja nichts: Marco van Basten. (Foto: Foto: Reuters)

Der Ball liegt einfach nur da, aber er scheint Signale auszusenden, denn van Basten schaut hin und kann gar nicht mehr wegschauen. Irgendwann geht er zum Ball und fängt an, mit ihm zu spielen. Er balanciert ihn auf dem Spann oder lässt ihn darauf tanzen, und manchmal, wenn das Tor nicht weit weg ist, schießt er den Ball ins Netz.

Man wird in diesen Momenten das Gefühl nicht los, dass van Basten jene Fußballer beneidet, die sich da ein paar Meter weiter auf das nächste Spiel vorbereiten dürfen. Marco van Basten ist ihr Trainer.

Viel zu anstrengend

Er ist 41 Jahre alt und unterscheidet sich äußerlich kaum von seinen Schützlingen. Er war erst 28, als er seine Karriere verletzungsbedingt beenden musste, und so ist es kein Wunder, dass er oft gefragt wird, ob er nicht viel lieber noch Spieler wäre statt Trainer. Van Basten schaut dann ein bisschen sentimental und sagt: "Spieler? Nee, das wäre mir viel zu anstrengend bei der Hitze!"

Am Sonntag bestreiten die Niederlande das 25. Länderspiel unter dem Bondscoach van Basten. 16 der 24 Spiele wurden gewonnen, auch die beiden in der Qualifikation gegen Tschechien. Doch wie weit diese junge Oranje-Auswahl schon ist und was sie wirklich kann, das wird sich am Sonntag ab 21 Uhr in Nürnberg erweisen, wo sie im Achtelfinale der Weltmeisterschaft auf Portugal trifft.

Dieses 25. Länderspiel ist Marco van Bastens Reifeprüfung. Er ist zu alt für einen Fußballer, aber ob er zu jung ist für einen erfolgreichen Trainer, das wird sich in dieser Entweder-Oder-Situation erweisen.

Denn wenn die Niederländer bereits im Achtelfinale ausscheiden sollten, dann wäre einiges von jenem Kredit wieder verspielt, den van Basten in den vergangenen 23 Monaten bei den Fans und den Medien hat erwerben können.

Wenigstens erfolgreich

Seine Mannschaft hat nicht immer besonders schön gespielt, aber sie war zumindest erfolgreich. Bislang erlitt der Nationaltrainer van Basten keine einzige Niederlage in einem Pflichtspiel. Am Sonntag wird sich zeigen, was das wert war.

Marco van Basten hat nie behauptet, dass seine Mannschaft um den WM-Titel mitspielen werde, und er hat nie vorgegaukelt, dass der abrupte Generationswechsel im Nationalteam von sofortigem Erfolg begleitet werde.

Nüchterne Ergebnisverwalter

Er hat immer bloß die Europameisterschaft 2008 als hoffnungsvolle Perspektive ausgegeben, insofern hat er bis jetzt nichts versprochen, was er nicht halten konnte. Und doch macht sich in der Öffentlichkeit in diesen Tagen eine gewisse Enttäuschung breit über die Leistung der einst so spielfreudigen Niederländer.

Sie entpuppen sich als nüchterne Ergebnisverwalter, und das dürfte eigentlich gar nicht im Sinne des einstigen Weltklassestürmers Marco van Basten sein. Andererseits hat er von 1987 bis 1995 beim AC Mailand gelernt, wie es sich recht erfolgreich spielen lässt mit abwartender Haltung.

So effektiv die Holländer unter van Basten auch waren, ihr Spiel ist bis jetzt kaum ansehnlicher geworden.

Cruyff als PR-Berater

Doch Marco van Basten hat einen großen Rückhalt. Der Rückhalt heißt Johan Cruyff. Cruyff gilt als bester niederländischer Fußballer überhaupt und ist Berater des Bondscoaches. Vor allem ist er sein Freund und Förderer in der öffentlichen Meinungsbildung, in den Medien.

Van Basten nennt Cruyff, der so etwas wie der niederländische Franz Beckenbauer ist, "mijn Klankbord". Man könnte das als "Ratgeber" übersetzen, Cruyffs PR-Arbeit zu Gunsten van Bastens hat letzteren jedenfalls erst ins Amt gebracht und stützt ihn auch dieser Tage bei der WM. "Marco macht das sehr gut", hat Cruyff nach dem Auftaktsieg gegen Serbien/Montenegro gesagt.

Zuletzt waren sich beide einig, dass die Mannschaft ruhig noch ein bisschen besser werden dürfte, aber das ist nur eine zaghafte Akzeptanz jener Kritik, die niederländische Medien derzeit vor allem am Spielaufbau im Mittelfeld üben.

Marco van Basten lässt sich davon nicht beeindrucken und gibt auch weiterhin weder kurzfristige Ziele noch ebensolche Ambitionen aus. Höchstens die EM 2008, sie markiert das vorläufige Ende seines Vertrags. Dass es eine Debatte um ihn gibt, wenn die Mannschaft am Sonntag ausscheidet, ist nicht zu erwarten.

Van Basten ist sich seiner Sache so sicher, dass er ganz unbekümmert sagt: "Ich hoffe, dass die Mannschaft sich entwickelt und immer besser wird - dann ist es egal, wie weit wir bei der WM kommen."

© SZ vom 24.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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