Holländische Fans:Obacht, Oranje kommt!

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Ein Campingplatz, 2000 Holländer: Auf der Schwäbischen Alb haben niederländische Fans ein "Oranjecamp" errichtet. Die deutschen Dauercamper sind jetzt schon genervt.

Wolf Schmidt

Das einzige, das auf dem "Azur"-Campingplatz in Sonnenbühl zur Zeit blau ist, ist der Himmel. Alles andere ist orangefarben. Vom Campingmobil bis zum Igluzelt, vom Nudelsieb bis zum Aschenbecher, von den Haaren der Camper bis zu ihren Holzschuhen.

Holland, der Campingweltmeister: Manche Klischees sind zu schön, um nicht wahr zu sein. (Foto: Foto: Wolf Schmidt)

Am Freitag spielen die Niederlande in Stuttgart gegen die Elfenbeinküste. Sechzig Kilometer entfernt auf der Schwäbischen Alb haben 2000 niederländische Fans ihr "Oranjecamp" aufgeschlagen, organisiert von einem holländischen Reiseveranstalter. Bis zum Sonntag gehört der gesamte Campingplatz ihnen. Holland, der Campingweltmeister: Manche Klischees sind zu schön, um nicht wahr zu sein.

Der 24-jährige Roy Pieters ist mit zehn Freunden aus Nijmegen angereist, am frühen Morgen sind sie angekommen, haben ihren Pavillon mit orangefarbenen Luftballons und Fahnen geschmückt. Zur Stärkung essen die Fußballfans fettige Fritten mit Majo - wie zu Hause eben. Nach ein paar Dosen "Heineken" stimmen die Fußballfans Gesänge an: "Hup Holland Hup" brüllen sie. Im Nachbarzelt wummert der holländische Schlager "Steh auf" von Jantje Smit.

Campingplatzbetreiber Horst Niedel ist auf dem Platz leicht auszumachen. Er ist einer der wenigen, die kein orangefarbenes T-Shirt tragen. Er freut sich über die holländischen Gäste: "Die sind einfach nur verrückt. Aber das ist ja das Schöne." Für ihn ist das "Oranjecamp" aber wohl vor allem eins: Ein Riesengeschäft. Denn normalerweise ist um diese Jahreszeit hier oben tote Hose. Nur wenige verirren sich auf die Alb nach Sonnenbühl, um Tropfsteinhöhlen zu besichtigen und Sommerrodelbahn zu fahren.

"Das sind doch keine Manieren"

Doch jetzt, wo die Oranjes kommen, steht die 7000-Seelen-Gemeinde Kopf. Der Bürgermeister hat per Amtsblatt verordnet, "die Gäste entsprechend dem Motto 'Die Welt zu Gast bei Freunden' aufzunehmen".

Der Bäcker backt die doppelte Menge an Brötchen. Die Kinder stellen sich an die Straße, heißen die Holländer mit Schildern willkommen und zeigen ihnen den Weg zum Campingplatz. "Endlich was los", sagt jeder zweite Einwohner, den man fragt.

Doch nicht alle freuen sich über die Gäste aus den Niederlanden. Auf dem Campingplatz wohnen auch einige wenige Dauercamper - und stören sich bereits nach wenigen Stunden an dem Lärm, den die Holländer machen. Der 69-jährige Gerhard Wenzel wollte eigentlich für ein paar Wochen seine Ruhe haben, da sein Haus in Reutlingen renoviert wird. Und jetzt sieht er sich von 2000 Holländern umzingelt. "Wenn man sich beschwert, machen sie die Musik ja noch lauter", beklagt sich eine andere Camperin. "Das sind doch keine Manieren."

Auch während des Spiels am Freitag gegen die Elfenbeinküste werden die Dauercamper wohl kaum ihre Ruhe finden. Denn die meisten Fans haben keine Tickets für Stuttgart; die wären nur noch für mehrere hundert Euro zu ergattern. Einige wollen das Spiel deshalb auf dem Königsplatz in Stuttgart anschauen, 40 Busse haben die Veranstalter gemietet.

Tanklaster bringen holländisches Bier Marke "Bavaria"

Die meisten jedoch werden hier bleiben, auf der Schwäbischen Alb, wo die Oranjes unter sich sind. In einem Festzelt können sie sich dann von holländischen Bedienungen namens Mero und Marijke Bier ausschenken lassen. Im Stundentakt rollen Tanklaster mit niederländischem Bier an, das den wenig holländischen Namen "Bavaria" trägt. Auf einer Leinwand laufen alle Fußballspiele - mit den holländischen Kommentatoren und Experten wie dem einstigen Schalker Youri Mulder.

Am Sonntag zieht die orangefarbene Karawane dann weiter nach Wertheim am Main. Denn die Niederlande bestreiten ihr letztes Gruppenspiel in Frankfurt, es geht gegen Argentinien. Sollten die Holländer bis ins Finale kommen, werden viele holländische Fans ihren kompletten Jahresurlaub aufbrauchen müssen. Und ihre orangefarbenen Campingwagen in der Nähe von Berlin parken.

Campingplatzbetreiber Niedel erhofft sich, dass die Holländer im Halbfinale ausscheiden. Denn das Spiel um Platz drei findet in Stuttgart statt - und das Oranjecamp würde noch mal zu ihm auf die Schwäbische Alb kommen.

Dann werden es aber nur noch um die 400 holländische Fans sein, schätzt Niedel. Seine deutschen Dauergäste dürfte das nur wenig beruhigen.

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