Hoher Besuch bei der Tour:Ein unerwünschter Gast

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Geliebt haben die Franzosen den siebenmaligen Tour-Sieger ohnehin nie - nach Provokationen im US-Fernsehen gilt Lance Armstrong in Frankreich nun als Staatsfeind Nummer eins.

Andreas Burkert

Eine Sonnenbrille ist am Dienstagmorgen der einzige Schutz gewesen, den Lance Armstrong in Anspruch nahm.

Feierte sechs Siege bei der Tour - und wird doch nicht von den Franzosen geliebt: Lance Armstrong. (Foto: Foto: dpa)

Dabei gilt er den Franzosen doch neuerdings als Staatsfeind Nummer eins, sofern er das nicht längst gewesen ist in all den Jahren, in denen er ihr heiliges Spektakel nach seinem Gusto dirigierte.

Ein wenig widerwillig stellte er sich also unten im Tal der Drôme-Alpen auf einem Parkplatz in Sisteron für ein kurzes Statement dem französischen Fernsehen, und natürlich ging es in dem Gespräch nur um Armstrongs Provokation, die er vergangene Woche über den Ozean geschickt hatte. "Ich bedaure nichts, das war doch nur Comedy, ein Teil der Show", sagte der Texaner in seiner üblichen Tonlage, die man ihm bestenfalls als Arroganz auslegen kann. Entschuldigen wird sich Armstrong, 34, in diesem Leben wohl nie mehr bei Frankreich oder den Franzosen. Schon gar nicht bei der Tour.

Lance: "Les Bleus sind positiv getestet worden, Arschlöcher zu sein"

Der siebenmalige Toursieger ist am Montag zurückgekehrt nach Frankreich, doch mit Begrüßungsblumen oder Gesangsaufführungen eines Knabenchors wird er selbst nicht gerechnet haben. Vergangene Woche hatte er ja eine US-Fernsehshow, bei der er einen Preis erhielt, dazu genutzt, Frankreichs soeben ruhmreich vom Worldcup heimgekehrte Fußballer zu desavouieren.

Les Bleus seien "positiv getestet worden, Arschlöcher zu sein", blödelte er in einer komödiantischen Festrede, in welcher auch der Skifahrer Bode Miller und weitere Prominenz mit kleinen Gemeinheiten bedacht wurden. Doch der Großmeister des Kalküls beleidigte die Grande Nation natürlich nicht ohne Hintersinn, und so belegt diese Tirade nichts anderes als Armstrongs innere Ungehaltenheit über die Respektlosigkeit, die ihm die Franzosen seit Jahren zukommen lassen.

Für Armstrong sind neuralgische Punkte der Tour wie Alpe d'Huez stets auch ein Spießrutenfahren gewesen, denn die Franzosen schrieen dem siegeswütigen und dopingverdächtigten Patron ihre Abneigung direkt ins Gesicht, sie bespuckten ihn oder übergossen ihn mit lauwarmem Bier. Er hat das immer halbwegs ertragen, doch dass jetzt die Tourchefs Leblanc und Prudhomme das pensionierte Idol der Amerikaner als des Dopings überführt bezeichnen wegen entsprechender Recherche-Ergebnisse der Zeitung L'Équipe - das verkraftet er nur schwer.

France Soir: "Willkommen in Frankreich, Arschloch"

In gleich sechs ihm zugeordneten Tests nachträglich kontrollierter Urinproben der Tour 1999 hatte ein Pariser IOC-Labor Spuren des Blutbeschleunigers Epo gefunden - die Affäre machte kurz nach seinem Abschied vom Profisport vor einem Jahr unter dem Titel "Armstrongs Lüge" große Karriere. Obwohl Armstrong bislang jede Verdachtsäußerung mit einer Gerichtsklage konterte, hat er L'Équipe nicht belangt. Ein Schuldeingeständnis, sollte man meinen.

Doch so feige wie der abgestürzte deutsche Held Jan Ullrich, der sich bislang hinter 24 dürren Zeilen ohne Inhalt verschanzt, ist Armstrong nicht. Selbstverständlich hat er seine Ankündigung wahr gemacht, die Tour aufzusuchen, noch am Montagabend kletterte er mit seinem früheren Teamkollegen Kevin Livingston und Vip-Gästen der Discovery-Mannschaft die 21 legendären Serpentinen nach Alpe d'Huez hoch. Nur auf die für Dienstag avisierte Fahrt im Teamwagen verzichtete er, denn Frankreichs Medien haben ja fast die Jagd auf ihn eröffnet.

"Welcome in France, Trouduc!", ätzte die Boulevardzeitung France Soir im Titel - eine herbe Replik auf Armstrongs Grußnote: "Willkommen in Frankreich, Arschloch!" Im Innenteil wurde er dann als weltweit einziger Freund von Präsident Bush beschrieben und die Discovery-Fahrer mit Startnummern und Porträts zur Fahndung ausgeschrieben: "Wie man sie nicht verfehlen kann..."

Zweifel in der Heimat

Und so kämpft Armstrong weiter an allen Fronten um seinen Ruf, sogar in der Heimat haben sie ja inzwischen leichte Zweifel an ihrem Idol. Vor einigen Wochen musste er eine unliebsame Veröffentlichung aus dem Prozess gegen die Versicherungsfirma SCA Promotions hinnehmen, die wegen der Dopingvorwürfe die Prämie für den sechsten Toursieg 2004 nicht auszahlen wollte.

Demnach hatte Betsy Andreu, Gattin seines früheren Teamkollegen Frank Andreu, unter Eid ausgesagt, Armstrong habe 1996 bei einer Untersuchung wegen seiner Krebserkrankung auf Fragen eines Uniklinikarztes in Indianapolis die Einnahme von Epo, Wachstumshormonen, Steroiden und Testosteron zugegeben. Inzwischen dementierte der Arzt die Darstellung des früher mit Armstrong befreundeten Ehepaars Andreu; beide hatten geglaubt, ihre Angaben würden den Gerichtssaal nicht verlassen.

Lance Armstrong möchte nun am heutigen Mittwoch im Teamwagen neben Johan Bruyneel die Alpenetappe nach La Toussuire verfolgen. Discovery hat ihm rechtzeitig eine Akkreditierung besorgt, so dass sie Leblanc und Prudhomme nicht um Erlaubnis fragen müssen. Die Herren wollen den unerwünschten Gast ohnehin ignorieren.

© SZ vom 19.07.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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