Hoffenheims Taktik:Mutiger Stil, mutlose Spieler

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Da half auch alles Zürnen nichts: Hoffenheim-Coach Julian Nagelsmann musste sich den Bayern diesmal vor heimischer Kulisse geschlagen geben. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Julian Nagelsmann wählt gegen den Rekordmeister eine extrem offensive Formation - doch die kommt dem FC Bayern entgegen, weil Hoffenheim zu schüchtern agiert.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Julian Nagelsmann wählt in seinen Spielausrichtungen und Aufstellungen immer zwischen einer sicheren und einer risikoreichen Variante aus. Das machte der mit 31 Jahren noch immer sehr junge Nagelsmann auch vor seinem hundertsten Spiel als Bundesligatrainer gegen den FC Bayern München so. Und wie so oft wählte der Coach der TSG Hoffenheim bei seinem Jubiläum die risikoreiche Variante: In der gewohnten 3-5-2-Grundordnung bot er den offensivstarken Spielmachertyp Kerem Demirbay als Sechser auf, auf den Achterpositionen spielten die mit Stürmerblut ausgestatteten Andrej Kramaric und Leon Bittencourt hinter den beiden Spitzen Joelinton und Ishak Belfodil.

Die Aufstellung deutete auf jene mutige Spielweise hin, die die Hoffenheimer Spieler in den zweieinhalb Jahren unter diesem Trainer verinnerlicht haben. Doch Mut fehlte den Hoffenheimern beim 1:3 (0:2) zum Rückrundenauftakt gegen Rekordmeister FC Bayern vor allem in der ersten Halbzeit.

Die TSG spielte in den ersten 45 Minuten wie ein Abstiegskandidat, der versucht, gegen einen übermächtigen Gegner irgendwie ein Remis zu halten. Nach vorne ging gar nichts. Mutlos, ja, ängstlich wirkten die Blauen aus Baden gegen die dominanten Roten aus Bayern. Immer einen Schritt schneller auf den Beinen und im Kopf schienen die Münchner, während Hoffenheim 45 Minuten lang gehemmt wirkte. Mit einem 0:1 zur Pause hätte er gut leben können, sagte Nagelsmann nach dem Abpfiff. Aber selbst das 0:2 durch den zweiten Treffer von Leon Goretzka kurz vor dem Pausenpfiff war zum Kabinengang ein schmeichelhaftes Ergebnis für die Gastgeber.

Nach sechs Remis in Serie vor der Winterpause bremst nun die über lange Phasen ernüchternde Leistung nach der kurzen Weihnachtspause auch die Hoffnungen auf eine erneute Champions-League-Teilnahme in Hoffenheim. Nagelsmann zeigte sich nach dem Spiel enttäuscht, aber auch wie gewohnt kämpferisch, er sagte: "Die Rückrunde ist ja noch nicht vorbei, wir müssen die 16 kommenden Spieltage einfach besser gestalten."

Hoffenheim kommt entweder nicht in die Zweikämpfe oder verliert sie

Dass seine Mannschaft besser spielen kann, hat sie häufig genug gezeigt. Aber sie muss nun auch beweisen, dass sie ihren selbst formulierten und gestiegenen Ansprüchen gerecht werden kann. Doch ein Durchmarsch in die Champions League wird nicht so einfach sein wie in der letzten Saison, als sich die TSG von Rang sieben in der Winterpause auf Rang drei vorspielte. Diesmal ist die Konkurrenz quantitativ und qualitativ größer und, so zumindest der erste Eindruck 2019, die TSG noch weit davon entfernt, einen Lauf zu starten.

In der ersten Halbzeit gegen München vermisste Nagelsmann bei seinen Profis zurecht Grundtugenden. Zerknirscht analysierte er: "Wenn du in talentfreien Bereichen wie Zweikampfführung und Aggressivität deutlich schlechter bist als der Gegner, der talentreicher ist, dann wird es schwierig." Die Zweikampfquote von 39:61 % deutete die gefühlt hundertprozentige Dominanz der Münchner auf dem Platz nur an. "Einheitstrab in den Defensivaktionen", warf Nagelsmann seinen Spielern im ersten Durchgang vor.

Ähnlich wie im Hinspiel nutzten die Bayern die Räume aus, die die hochstehenden Hoffenheimer Außenverteidiger ihnen gewährten. Und die zunächst von Nagelsmann präferierte Dreierkette in der Abwehr erwies sich gegen Bayerns Mittelstürmer Robert Lewandowski und den als Zehner aufgestellten Goretzka als ungeeignetes Mittel.

Doch Nagelsmann ist ein Trainer, der immer wieder durch taktische und personelle Umstellungen positiv Einfluss auf das Spiel seiner Elf nehmen kann. So tat er das auch am Freitagabend. Zur zweiten Halbzeit zog er Kapitän Kevin Vogt auf die Sechserposition vor und ließ hinten mit einer Viererkette verteidigen. Damit kamen die Bayern weniger gut zurecht. Und nachdem der Trainer im Mittelfeld die schwachen Demirbay und Vogt durch Florian Grillitsch und Dennis Geiger ersetzte (56.), fanden die Hoffenheimer auch besser ins Spiel nach vorne. Der Anschlusstreffer durch Nico Schulz (59.) machte die bis dahin so einseitige Partie noch einmal spannend - hätte Szalai spät per Kopf aus drei Metern das 2:2 erzielt (83., Manuel Neuer parierte glänzend), hätte es eines der kurioseren Remis der Saison geben können. Erst das späte 3:1 durch Robert Lewandowski (87.) stellte den hochverdienten Sieg der Gäste schließlich sicher.

Nagelsmann wechselt im Sommer bekanntlich zu RB Leipzig. Er will seine Zeit in Hoffenheim mit einer erneuten Champions-League-Teilnahme krönen. Elan für eine Aufholjagd brachte der erste Auftritt nach der Winterpause aber erstmal nicht.

© SZ vom 20.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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