Hoffenheim souverän:Botschaft der Currywurst

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Mit drei Toren trägt der Hoffenheimer Joelinton zum haushohen Sieg seines Vereins gegen Kaiserslautern bei. (Foto: Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images)

Trainer Julian Nagelsmann muss auf dem Betzenberg fast auf eine komplette Elf verzichten. Trotzdem gelingt es, Kaiserslautern mit 6:1 weiter in die Verzweiflung zu stürzen.

Von Tobias Schächter, Kaiserslautern

Manchmal ist es ja ganz angebracht, die Dinge richtig einzuordnen. Julian Nagelsmann war das nach dem 6:1 beim Drittligisten 1. FC Kaiserslautern sofort bewusst. Im Hinblick auf den Bundesligastart am kommenden Freitag beim Rekordmeister FC Bayern München erklärte er nach dem Pflichtspielauftakt im DFB-Pokal mit seiner typisch augenzwinkernden Art: "Ich gehe davon aus, dass die Bayern ein bisschen besser sind als der FCK - aber das wäre auch keine Überraschung."

Und weil die hoffnungslos unterlegenen Lauterer nicht jede Woche auf Teams treffen, die in der Champions-League spielen, meinte FCK-Trainer Michael Frontzeck: "Man hat den Zweiklassen-Unterschied heute deutlich gesehen. Wir machen einen Haken an dieses Spiel, denn wir haben eine schwierige Phase im Moment und am kommenden Wochenende ein Spiel vor der Brust, das wir gewinnen sollten." Der FCK spielt dann gegen einen anderen tief gefallen Traditionsverein, den Karlsruher SC, ein richtungsweisendes Derby.

Eine weitere Demütigung für die Seele der Lauterer Fans

Zuletzt gab es nur einen Punkt aus drei Spielen, und der schwache Auftritt gegen Hoffenheim war für die treuen Fans ein weiterer Schritt zur Desillusionierung. Vor drei Wochen, beim 1:0-Auftaktsieg der neuen Mannschaft nach dem Abstieg in Liga drei vor 41 000 Zuschauern (!), herrschte noch eine sagenhafte Euphorie rund um den Betzenberg. Die ist nun aber schon verflogen, als sei sie nie dagewesen. Die Partie gegen die TSG Hoffenheim geriet phasenweise zu einer Demütigung für die Seele der FCK-Fans. Nach 22 Minuten lag die Mannschaft 0:3 zurück, und die 20 000 FCK-Anhänger mussten sich von den rund zweitausend angereisten TSG-Fans anhören: "Ohne Hoffe wäre hier gar nichts los."

Am Samstag prallten zwei Welten aufeinander: Hier der alte Traditionsverein, dessen letzte von vier Meisterschaften 20 Jahre zurückliegt - und der nun merkt, dass der angestrebte Wiederaufstieg kein Selbstläufer ist. Und da die TSG Hoffenheim, die erst seit zehn Jahren in Liga 1 kickt und die sich mit ihrem Trainer Julian Nagelsmann mit der Champions-League-Teilnahme gerade auf dem Höhepunkt der Vereinsgeschichte befindet.

Zugang Nuhu fehlt wegen einer Sperre aus dem Schweizer Pokalwettbewerb

Vor zwei Wochen hatte sich Nagelsmann zusammen mit seinem Videoanalysten Benjamin Glück den FCK im Fritz-Walter-Stadion gegen Preußen Münster (1:2) angeschaut, die beiden teilten sich in der Halbzeit entspannt eine Currywurst. An diesem Samstag aß Nagelsmann nach allem, was zu hören war, zwar keine Currywurst in der Halbzeitpause (obwohl sie ihm dem Vernehmen nach damals geschmeckt haben soll), aber entspannt war der Trainer nach den ersten 45 Minuten "uffm Betze" trotzdem. "Ich wollte, dass wir die Partie früh entscheiden. Geduld war kein Wort für dieses Spiel für mich", sagte Nagelsmann hinterher. Mit 3:1 führte die TSG zur Pause bereits durch Tore von Joelinton (6., 22.) und Nico Schulz (13.) bei einem Gegentor von Lukas Spalvis (33.) - der Lauterer Stürmer nutzte einen Fehler von TSG-Ersatzkeeper Gregor Kobel, der diesmal für den unumstrittenen Stammtorwart Oliver Baumann agieren durfte. Auch zu Beginn der zweiten 45 Minuten befolgten die TSG-Profis die Vorgabe ihres Trainers und erzielten innerhalb von 18 Minuten drei weitere Treffer durch Pavel Kaderabek (51.), Joelinton (53.) und Joshua Brenet (63.).

Nagelsmann musste in Lautern fast auf eine komplette potenzielle Stammelf verzichten, besonders die langfristigen Ausfälle der Achter Nadiem Amiri und Kerem Demirbay sowie des Abwehrspielers Benjamin Hübner schmerzen. Und ob der WM-Zweite Andrej Kramaric, der seinen Vertrag bei der TSG in dieser Woche bis 2022 verlängert hat, in München dabei sein kann, ließ Nagelsmann offen. Mit der Genesung von Florian Grillitsch und Havard Nordtveit rechnet der Trainer aber. Auf den neuen Innenverteidiger Kasim Adams Nuhu kann Nagelsmann in München hingegen zählen. In Lautern hatte der Zugang von Young Boys Bern kurioserweise gefehlt, weil seine Sperre aus dem Pokalwettbewerb in der Schweiz auch in Deutschland übernommen wurde. Die lange Verletztenliste, zu der auch noch Sechser Dennis Geiger zählt, gab einigen Zugängen die Möglichkeit, sich zu empfehlen.

Seine Chance ergriff vor allem Stürmer Joelinton mit drei Treffern. Der wuchtige, 22-jährige Brasilianer kam vor drei Jahren zur TSG und nutzte die beiden vergangenen Spielzeiten leihweise bei Rapid Wien, um sich an den Fußball in Europa zu gewöhnen. Nun drängte er sich als mögliche Startelf-Option auf. Nagelsmann lobt Joelinton als "Kante, die eklig zu verteidigen ist". Der Trainer vertraue ihm, sagte der junge Stürmer nach seiner starken Leistung in Kaiserslautern stolz und fügte beseelt hinzu: "Auf diesen Moment habe ich drei Jahre gewartet, so ein Spiel ist ein Traum." In der Hand hielt Joelinton Cassio Apolinário de Lira aus Alianca im Bundestaat Pernambuco die Auszeichnung als "Man of the Match". Diese werde einen Ehrenplatz zuhause bekommen, versprach er. Joelinton tankte Selbstvertrauen in der Pfalz. Aber auch er sollte den Nachmittag in Kaiserslautern richtig einordnen: So leicht wie dieser FCK wird es ihm in dieser Saison wohl keine andere Mannschaft machen, Tore zu schießen.

© SZ vom 19.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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