Hoffenheim gewinnt 2:1:Wirbel von der Insel

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Die TSG Hoffenheim schiebt sich zurück in die Spitzengruppe der Bundesliga. Zu verdanken hat sie dies unermüdlicher Arbeit - und dem Instinkt des jungen englischen Angreifers Reiss Nelson.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Fast wäre der kleine Mann in dem grünen Kapuzenpulli unbemerkt aus den Katakomben gelangt. Die Tür hinaus aus der Rhein-Neckar Arena stand schon offen. Aber kurz bevor Reiss Nelson die Journalisten ohne Kommentar hätte stehen lassen können, rutschte dem Matchwinner der TSG Hoffenheim die Kapuze vom Kopf.

Nur 60 Sekunden hatte dieses Großtalent nach seiner Einwechslung gebraucht, um den 2:1-Siegtreffer (83.) für die TSG gegen den FC Augsburg zu erzielen. FCA-Torwart Andreas Luthe hatte den Ball nach einem Schuss von Adam Szalai nur zur Seite abfälschen können, Nelson reagierte schneller als alle anderen und drückte die Kugel über die Linie. Für seine sechs Ligatore und eine Vorlage genügten Nelson sieben Einsätze mit nur 325 Minuten Spielzeit - effizienter ist nur der Dortmunder Torjäger Paco Alcácer.

Ausgeliehen ist er nur eine Saison - es hat sich schon gelohnt

Nelson blieb dann also kurz bei den Reportern stehen und sagte knapp: "Ich bin in großartiger Form, der Trainer bringt mich immer zum richtigen Zeitpunkt." Dann zog der Engländer wieder die grüne Kapuze über seine Haare und machte sich auf den Weg nach Hause, auf die Insel. Reiss Nelson ist zwar erst 18 Jahre alt, aber bereits für die U21 Englands nominiert worden. Er steht bereits im Blickfeld des A-Nationaltrainers Gareth Southgate. Nicht wenige trauen dem in London geborenen Sohn einer britischen Mutter und eines Vaters aus Simbabwe eine große Karriere zu. Schnell auf den Beinen, geradlinig und torgefährlich ist dieser technisch perfekte Dribbler, der für nur eine Saison vom FC Arsenal an die Hoffenheimer ausgeliehen ist. Die Leihe hat sich für beide Seiten jetzt schon gelohnt: Hoffenheim profitiert von Nelsons Qualitäten nachhaltig, und das Talent lässt durch seine Klasse in der Heimat aufhorchen.

Durch den Treffer Nelsons gegen Augsburg feierte die TSG den vierten Sieg in Serie und kämpfte sich so zurück in die Spitzengruppe der Tabelle. In der Liga sind die Badener im zweiten Block vor der erneuten Länderspielpause also wieder in die Spur gekommen, im Pokal allerdings in Leipzig ausgeschieden und in der Champions League nach vier Spielen weiter sieglos. "Ärgerlich" nennt TSG-Trainer Julian Nagelsmann die Ausbeute in Europas Königsklasse, wo die Chancen auf das Weiterkommen nach dem 2:2 am vergangenen Mittwoch bei Olympique Lyon nur noch minimal sind.

"Er muss behutsam wachsen", sagt Trainer Nagelsmann

Gegen Augsburg benötigten seine müden Profis einen Kraftakt, um die drei Punkte zu gewinnen. Und Nelsons Jokerqualitäten. "Reiss ist sehr unbekümmert, er spielt nach Einwechslungen besser, als wenn er von Anfang an spielt. Aber er muss behutsam wachsen. Die Quote kann er natürlich beibehalten", sagte Nagelsmann. Der hatte den FCA mit einer Vierer- statt der üblichen Dreierkette in der Abwehr überrascht, wurde aber selbst auch vom Gegner durch dessen zunächst defensive Spielweise genervt. Die Konsequenz aus dieser taktischen Konstellation war in der ersten Halbzeit ein zäher Kampf ohne viele Torszenen. Erst nach der Hoffenheimer Führung durch Andrej Kramaric (65.) wurde die Partie unterhaltsamer. Vorbereitet hatte den Treffer Stürmer Joelinton mit einer Energieleistung im Zweikampf gegen FCA-Verteidiger Martin Hinteregger. Der Brasilianer, nach zwei Jahren Leihe im Sommer von Rapid Wien zurückgekehrt, war Hoffenheims Bester. Und wird immer besser. Nagelsmann lobte: "Salopp gesagt: Der Typ ist ein Tier. Er ist schwer kaputtzukriegen." Joelintons Einsatzwille stand symbolhaft für Nagelsmanns Gesamtanalyse: "Heute haben wir uns das Glück erarbeitet."

Von fehlendem Glück wollte sein Augsburger Kollege Manuel Baum nicht reden nach der aus FCA-Sicht ärgerlichen Niederlage. "Ich bin kein Freund davon, in die Opferrolle zu verfallen", sagte Baum, der "richtig angefressen" war. Wie schon oft in dieser Saison verloren die Augsburger in der Schlussphase eines Spiels Punkte. Und wie in der Vorwoche gegen Nürnberg kassierten sie nach einem Pfostenschuss im Gegenzug einen Gegentreffer.

Trotz Finnbogasons 1:1 fuhren die Augsburger frustriert heim

Diesmal hatte Alfred Finnbogason nur den Pfosten getroffen, kurz danach Kramaric für Hoffenheim zum 1:0. "Das Tor darf nicht passieren, das ist katastrophal für uns", klagte Baum. Und obwohl Finnbogason schon in der 69. Minute das 1:1 gelang, fuhren die Augsburger am Ende frustriert nach Hause. Baum klagte, es sei "durchaus ein Punkt, oder sogar mehr drin gewesen". Auch die Hoffenheimer kennen das Gefühl sehr gut, wenn Leistung und Ergebnis nicht übereinstimmen. Aber zumindest in der Bundesliga zeigen sie aktuell mit vier Erfolgen in Serie trotz der großen Belastung Wettkampfhärte und Effizienz. Auch weil sie in Reiss Nelson eine Einwechseloption besitzen, vor der sich die Gegner fürchten müssen.

© SZ vom 11.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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