Hoffenheim gegen Freiburg:Streich wittert "Machenschaften"

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Erst eine hitzige Vorgeschichte, dann strittige Elfmeter-Entscheidungen des Schiedsrichters: Die Verantwortlichen des SC Freiburg schäumen nach dem 1:2 im badischen Derby gegen die TSG Hoffenheim vor Wut.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Caglar Söyüncü ist ein irre talentierter Innenverteidiger, das sieht jeder, der diesen 20 Jahre jungen Türken Fußball spielen sieht. Rund 2,5 Millionen Euro überwies der SC Freiburg in diesem Sommer für Söyüncü an den türkischen Zweitligisten Altinordu aus Izmir. Altinordu verfolgt im nach schnellen Erfolgen heischenden türkischen Fußball ein außergewöhnliches Konzept: Statt auf teure Ausländer legt der Verein den Schwerpunkt auf die Ausbildung ausschließlich heimischer Talente - um dem Sport im Land so weiterzuhelfen und sich durch Verkäufe wie den von Söyüncü zu finanzieren. 2, 5 Millionen Euro sind eine große Investition, die sich aber bei der erwarteten Entwicklung des schon zweimaligen Nationalspielers sportlich und auch finanziell für den SC in Zukunft lohnen kann.

SC-Präsident Keller zieht mit dem Handy durch die Katakomben

Aktuell aber bezahlt Söyüncü Lehrgeld. Weil beim SC fast alle Innenverteidiger zum Saisonstart ausfielen, muss der Türke, der weder Deutsch noch Englisch spricht, sofort in der Startelf ran. Beim 1:2 am Samstag in Hoffenheim wurde er zur tragischen Figur: Zunächst schickte Söyüncü mit einem unerklärlichen Fehlpass TSG-Mittelstürmer Sandro Wagner zum 1:0 auf die Reise (34.). Dann wiederum setzte Söyüncü mit einem herrlichen Pass über 40 Meter Florian Niederlechner vor dem 1:1 in Szene (77.) - um nur vier Minuten später den Elfmeter zu Hoffenheims 2:1-Siegtreffer zu verursachen. Wobei das die Freiburger ja überhaupt nicht so sahen.

SC-Präsident Fritz Keller zum Beispiel rannte nach dem Abpfiff aufgewühlt in den Katakomben umher, und zeigte auf seinem Mobiltelefon Journalisten immer wieder die entscheidende Szene, die zum Elfmetertor durch Andrej Kramaric geführt hatte. Für Keller machte Hoffenheims Sebastian Rudy "ganz klar" einen Schritt in den unglücklichen Söyüncü hinein, bevor er zu Fall kam. "Ganz klar kein Elfmeter", ätzte Keller. Schiedsrichter Aytekin hingegen erklärte, Söyüncü habe sich "klar aufgestützt".

Die Wahrheit ist: Elfmeter wie dieser sind schon viele gepfiffen worden, Söyüncü hat sich nicht besonders klug angestellt. Und weil nur vier Minuten später Stürmer Niederlechner nach einem Laufduell mit Ermin Bicakcic (nach einer minimalen Berührung) im Strafraum zu Fall gekommen war, regten sich die Freiburger nur noch mehr auf. Denn diesmal blieb der Elfmeterpfiff aus, Aytekin ordnete diese Berührung später als "einen nicht unüblichen Kontakt" in der Bundesliga ein.

Beide Situationen könne man so sehen, müsse man aber nicht, meinte Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann. Und es ist auch so: Krasse Fehlentscheidungen sehen anders aus, Fußballspiele sind schon oft durch strittige Schiedsrichter-Entscheidungen entschieden worden. Aber weil dieses badische Derby ja eine hitzige Vorgeschichte hatte, war der Verdruss bei den Freiburgen so groß.

Hoffenheims Manager Alexander Rosen hatte der SC-Elf in einem Interview "eine Aggressivität im Grenzbereich" unterstellt, die "vom Trainer an der Seitenlinie gepuscht" werde. "Wahnsinn", nannte Christian Streich diese Aussage am Samstag nach dem Abpfiff. Schon am Tag zuvor hatte er Rosens Äußerungen als "Kampagne" bezeichnet, die versuchen solle, "Umfeld und Schiedsrichter zu beeinflussen". Und weil die Freiburger dann so verloren haben, wie sie verloren haben, sprach Streich nach dem Abpfiff von "Machenschaften" und meinte Rosens Kommentare. Plötzlich sei seine Mannschaft der Aggressive-Leader der Liga: "Dabei wollen wir nur Fußball spielen", klagte Streich. Im vergangenen Jahr sei Freiburg die fairste Mannschaft der zweiten Liga gewesen, und nach Hoffenheim sei sie als Achter in der Foulstatistik der Bundesliga gekommen: "Und plötzlich sind wir eine Klopfertruppe?", fragte Streich sichtlich erbost - wobei das niemand behauptet hatte, auch nicht Rosen.

Der TSG-Manager erklärte, er habe seine Mannschaft sensibilisieren und niemand in irgendeine Ecke stellen wollen. Das aber glaubt ihm zumindest Streich sicher nicht. Aber einen Zusammenhang zwischen Rosens Aussagen am Donnerstag und Aytekins Entscheidung in Minute 81 am Samstag herzustellen, ist dann doch gewagt. Zumal ja die Freiburger Spieler selbst zuletzt nach dem Heimsieg gegen Frankfurt ihren körperlichen Stil als wachsende Reife interpretiert hatten, Mittelfeldspieler Mike Frantz sagte: "Früher hatte man Freiburgs Mannschaften nachgesagt, dass sie ein bisschen zu brav seien. Gegen Frankfurt hat man gesehen, dass wir auch gut aufräumen können."

In Hoffenheim ist der junge Caglar Söyüncü dann zu ungestüm ins letztlich entscheidende Duell gegangen. Er kann das besser. Und mit einem 1:1 am Ende wäre Hoffenheim gegen Freiburg sicher nicht in die Verschwörungstheorieverlängerung gegangen.

© SZ vom 17.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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