Hoffenheim / Darmstadt:Nagelsmann knickt die Lilien

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Gestocher mit einem Sieger: Der zweimalige Torschütze Andrej Kramaric setzt sich gegen den Darmstädter Fabian Holland durch. (Foto: Simon Hofmann/Bongarts/Getty Images)

Darmstadt 98 steigert sich, wird bei der Niederlage in Hoffenheim aber dennoch zum Verlierer des Spieltags.

Von Tobias Schächter, Hoffenheim

Zahlen sind gnadenlos unbestechlich. Niemand weiß das seit diesem Wochenende besser als all jene, die mit Darmstadt 98 fühlen. Selten harmonierten die Eindrücke über die Leistung und die nackten Zahlen bei den Lilien weniger als nach der 0:2-Niederlage bei der TSG Hoffenheim. Einerseits löste der couragierte Auftritt trotz der Niederlage ein kollektives "Hurra, wir leben noch"-Gefühl aus. Andererseits aber lasen sich die Statistiken nach diesem Spieltag niederschmetternd.

Darmstadt verlor auch sein zehntes Auswärtsspiel in dieser Saison - und weil die unmittelbaren Tabellennachbarn aus Ingolstadt (2:0 in Frankfurt) und Bremen (2:0 in Mainz) gewannen, vergrößerte sich der Abstand auf Relegationsplatz 16 für den Tabellenletzten auf sieben Zähler. Und das an einem Tag, an dem Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann den Darmstädtern und ihrem Trainer Torsten Frings ein "Kompliment für die Entwicklung" aussprach.

Es stimmt ja: Die Lilien zeigen wieder Courage und wirken viel stabiler als noch zu Beginn des Kalenderjahres. Die Mannschaft knüpfte auch beim Champions-League-Aspiranten Hoffenheim an die erstaunliche Leistung beim überraschenden 2:1-Sieg gegen Borussia Dortmund an. Die Winterzugänge tun der Mannschaft gut, besonders Routinier Hamit Altintop als schlauer Stratege und Anführer im Mittelfeld. Die Lilien wirken aktuell nicht wie eine Mannschaft, die sich aufgegeben hat. In den kommenden drei Spielen aber - gegen Augsburg, in Bremen und gegen Mainz - müssen sie beweisen, dass sie auch zahlenmäßig konkurrenzfähig bleiben können.

Die Hoffenheimer hingegen freuten sich über den Gleichklang von Gefühlen und Zahlen. Unter Ausnutzung aller Ressourcen erzwang die TSG einen letztlich verdienten Sieg der Geduld "in einem komplizierten Spiel gegen einen ekligen Gegner" (Nagelsmann). Zum elften Mal in Serie blieben die Badener zu Hause ungeschlagen: Vereinsrekord. Und zum elften Mal in dieser Saison schoss ein Einwechselspieler ein Tor: Ligarekord. Diesmal entschied der für Kerem Demirbay nach 50 Minuten gekommene Andrej Kramaric mit zwei Toren die Partie (64., 90.+3 Elfmeter).

Seit Nagelsmanns Amtsantritt vor fast genau einem Jahr zieren erstaunliche 16 Jokertore die Statistik. Zufall kann das nicht sein. Der 29 Jahre junge Trainer ist auf dem Gebiet "Coaching durch Einwechslungen" offenbar eine Kapazität. Nagelsmann wechselt nicht nur oft ungewöhnlich früh aus, er wechselt auch oft unberechenbar. Statt wie erwartet die neben Sandro Wagner zweite Spitze Marco Terrazzino für Stürmer Kramaric vom Platz zu holen, verließ also Mittelfeldmann Demirbay das Spielfeld. Terrazzino ging erst für Stürmer Adam Szalai vom Platz, nachdem er Kramarics Führungstor vorbereitet hatte. Zu Nagelsmanns Theorie der Einwechslungen gehört auch die Idee, alle Spieler dauerhaft unter Spannung zu halten. Auch deshalb verkleinerte die TSG im Winter den Kader - und plötzlich ist ein bislang unbeachteter Profi wie Terrazzino ein Startelf-Kandidat, der Kramarics Ehrgeiz provoziert.

Erfolg weckt Begehrlichkeiten: Auch Wagner, Amiri und Uth werden umworben

"Es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese Mannschaft nachlässt", stellte TSG-Manager Alexander Rosen fest. Rosen gab aber auch zu, dass der Erfolg das Interesse der großen Klubs an einigen TSG-Profis wecke. Sandro Wagner gehört zu den Umworbenen, ebenso Mittelfeld-Talent Nadiem Amiri und Stürmer Mark Uth. Niklas Süle und Sebastian Rudy (ablösefrei) wechseln im Sommer ohnehin zum FC Bayern.

Das sei für einen Klub, der nicht am Ende der Nahrungskette stehe, der Normalfall, beschwichtigt Rosen. Durch die rund 20 Millionen Euro Ablöse, die die TSG für Süle kassiere, sei man in einer Position der Stärke, glaubt der Manager - der Klub müsse keinen Spieler abgeben. Ob die Wechselgerüchte die Hoffenheimer sportlich beeinflussen werden? Niklas Süle ist überzeugt: "Wir stehen verdient da oben und haben die Qualität, Großes zu schaffen in dieser Saison." Hieße wohl: eine Qualifikation für die Champions League. Für die Darmstädter hingegen wäre das Größte der Klassenerhalt.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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