Hoffenheim büßt zwei Punkte ein:Nicht abgezockt genug

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Grübelnd nach dem 2:2 gegen Augsburg. Der lang anhaltende Aufwärtstrend der TSG Hoffenheim unter Julian Nagelsmann scheint erst mal vorüber. (Foto: dpa)

Beim 2:2 gegen Augsburg verspielt die TSG Hoffenheim zweimal eine Führung. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison herrscht eine zu große Diskrepanz zwischen Aufwand und Ertrag.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Ob er sich nicht langsam Sorgen mache, weil seine Mannschaft schon zum fünften Mal in dieser Saison in einem Pflichtspiel eine Führung nicht über den Schlusspfiff hinweg retten konnte? Julian Nagelsmann antwortet auf diese Frage mit der Logik seines Verständnisses von Fußball: Sorgen, so der Trainer der TSG Hoffenheim, würde er sich erst machen, wenn auf dem Statistikzettel nach einem Spiel nur ein Torschuss seiner Elf stehe. Aber nach dem 2:2 gegen den FC Augsburg an diesem Samstag las Nagelsmann 23 Abschlüsse für die TSG und nur zwölf für den Gegner. Der 30-Jährige will gewinnen, dafür riskiert er im Zweifel eher mehr als andere Trainer.

Er ist ein Gestalter, das verlangt er auch von seinen Spielern, die von den meisten Gegnern dazu gezwungen werden: Wie Augsburg warten viele Mannschaften überwiegend ab, was die Hoffenheimer machen. Und weil sich seine Spieler in dieser Ausgangslage fast immer viele Chancen erspielen, gibt es für Nagelsmann keinen Anlass, sich grundlegende Sorgen zu machen.

Trotzdem ärgerte sich der junge Trainer über den wieder einmal verspielten Sieg, der nach Mark Uths traumhaftem Schlenzer in den Winkel (85.) greifbar zu sein schien. Aber nur vier Minuten später prallte der Ball nach einer Flanke von Geffrey Gouweleeuw von der Brust des TSG-Kapitäns Kevin Vogt zum 2:2 ins eigene Tor. Statt sich mit 17 Punkten langfristig ganz vorne festzusetzen, musste sich Hoffenheim mit einem Punkt zufrieden geben. Und das lag für den ehemaligen Jugendtrainer Nagelsmann an einer alten Weisheit, die schon der Busfahrer seiner damaligen U19-Mannschaft der TSG immer wieder gepredigt hatte: "Wenn du deine Chancen nicht nutzt, dann wird es irgendwann eng." Oder wie Torschütze Uth meinte: "Wir müssen einfach mehr Tore machen."

Augsburg macht aus wenig sehr viel

Augsburg, das eine Halbzeit lang hervorragend verteidigte und durch Alfred Finnbogason hätte in Führung gehen müssen (Pfostenschuss, 38.), geriet in der zweiten Halbzeit dann stark unter Druck. Aber weil der FCA mehr aus seinen (wenigen) Chancen machte, war der Punktgewinn nicht ganz unverdient. Gäste-Trainer Manuel Baum lobte die Moral seiner Elf ("Wir geben nie auf"), die mit nun zwölf Punkten gut in die Saison gekommen ist. Das trifft in der Liga auch auf Hoffenheim zu, doch zu oft - nicht nur in diesem Spiel - fehlt entweder die Genauigkeit oder der richtige Zeitpunkt beim entscheidenden letzten Pass, oder die Präzision im Abschluss. Der Aufwand war auch gegen Augsburg riesig, der Ertrag eher frustrierend. "Wir müssen abgezockter werden", fordert deshalb Mittelstürmer Sandro Wagner.

Neben allen berechtigten Hinweisen auf die vielen vergebenen Torchancen ist es aber auch so: Die zwei Gegentore fielen nicht zum ersten Mal in dieser Saison zu leicht. Beim 1:1 (71.) genügte ein langer Schlag aus der eigenen Hälfte von Philipp Max, und der eingewechselte Michael Gregoritsch konnte alleine aufs Tor zulaufen und den Ball in dieses hinein schießen - Benjamin Hübner, der nach 52 Minuten das 1:0 geköpft hatte, hatte den Torschützen ins Abseits laufen lassen wollen. Vergeblich. Und in der Entstehung des 2:2 konnten die Augsburger den Flankengeber Gouweleeuw ungestört freispielen. Doch all das ärgerte Nagelsmann nicht so sehr wie die vergebenen Chancen, er sagte: "Die cleverste Lösung wäre gewesen, ein drittes Tor zu machen."

"Wir müssen anfangen, international zu punkten"

Haben sie aber nicht. Statt die Begegnung gegen Augsburg in ihrer besten Phase Mitte der zweiten Halbzeit vorzeitig zu entscheiden, mussten die Hoffenheimer vor der nächsten schweren Woche mit dem Heimspiel am Donnerstag in der Europa-League gegen Basaksehir aus Istanbul und der Auswärtspartie in der Liga in Wolfsburg wieder bis zum Schlusspfiff an ihre Leistungsgrenze gehen.

Hoffenheim schafft es nicht, sich das Leben in seiner ersten Europapokalsaison leichter machen. Weil es zu wenig Tore aus seinen Chancen macht. Manager Alexander Rosen war es wichtig, klarzustellen: "Wir stehen auf einem hohen Niveau, sind zuhause 22 Spiele ungeschlagen - und man könnte trotzdem denken, es sei mehr drin. Das ist doch gut. Solche Spiele wie heute müssen wir aber einfach klinischer ausspielen."

In der Liga ist das Ertragsniveau mit 15 Punkten nach acht Runden tatsächlich hoch. Im Europapokal haben die Hoffenheimer aber bislang alle ihre Spiele verloren. "Wollen wir unser Ziel erreichen, die Vorrunde in der Europa-League zu überstehen, müssen wir langsam anfangen zu punkten", sagt Rosen. Am Donnerstag gegen Basaksehir werden sie es wieder auf ihre Art versuchen. Darüber zumindest muss sich niemand Sorgen machen.

© SZ vom 15.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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