Hoffenheim auf Platz vier:Joker-Experten

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Hoffenheimer Siegbringer: Andrej Kramaric erzielt beide Tore beim 2:0-Sieg der TSG gegen Darmstadt. (Foto: Simon Hofmann/Getty Images)

Einwechselspieler Kramaric sorgt beim 2:0 im Geduldsspiel gegen Darmstadt mit zwei Toren nach der Pause für die Entscheidung.

Von Tobias Schächter, Darmstadt

Julian Nagelsmann hat eine klare Meinung zu dem Thema, wie ein Trainer durch Einwechslungen Einfluss auf das Spiel seiner Mannschaft nehmen kann. Der Coach der TSG Hoffenheim hält den Zeitpunkt einer Einwechslung für entscheidend. "Der Schlüssel ist ein früher Wechsel - nur wenn man früh wechselt, hat der eingewechselte Spieler die Möglichkeit, etwas zu bewirken", sagt er.

Der 29 Jahre junge Fußballlehrer darf auf diesem Gebiet als Kapazität bezeichnet werden. Seit seinem Amtsantritt vor fast genau einem Jahr erzielte seine Mannschaft 16 Treffer durch Einwechselspieler, in dieser Runde gelangen der TSG schon elf Joker-Tore: Ligarekord. Am Samstag gegen Darmstadt 98 entschied wieder ein Joker die Partie für Hoffenheim: Fünf Minuten nach der Pause wechselte Nagelsmann Stürmer Andrej Kramaric beim Stand von 0:0 für den Mittelfeldspieler Kerem Demirbay ein: Eine Viertelstunde später erzielte der Kroate nach Vorarbeit von Marco Terrazzino aus zehn Metern mit einem satten Schuss das 1:0, und in der Nachspielzeit verwandelte Kramaric einen Elfmeter. Hoffenheim gewann ein Geduldsspiel gegen den wehrhaften Tabellenletzten auch dank der Impulse des Trainers mit der Einwechslung des kaninchenflinken Kramaric' und bleibt damit als Tabellenvierter ein ernsthafter Europapokal-Aspirant.

Beachtlicher Lernprozess

"Reinsprinten und einen umgrätschen geht ja nicht", scherzte Nagelsmann. Also wechselt er lieber Spieler ein, die Tore machen. Der Hoffenheimer Trainer freut sich über einen weiteren Aspekt des beachtlichen Lernprozesses seines Teams auf vielen Gebieten: "Wir haben eine Entwicklung genommen, auch gegen unangenehme Gegner Geduld zu zeigen. Wir sind nicht mehr nur die Kraichgau-Brasilianer wie zu den Zeiten, als ich noch als Zuschauer auf der Tribüne war", sagt Nagelsmann. Nach der ersten Saison-Niederlage in Leipzig folgte ein souveräner 4:0-Sieg gegen Köln, und nun folgte auf das unnötige 1:2 in Wolfsburg ein schwer errungener, aber verdienter Erfolg gegen die Lilien. TSG-Manager Alexander Rosen findet: "Es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese Mannschaft nachlässt."

Der Erfolg stellt die Hoffenheimer Protagonisten aber auf dem Transfermarkt immer mehr in den Fokus. Rosen gab zu, dass es für mehrere TSG-Profis Interesse von internationalen und großen Klubs gebe. Mittelstürmer Sandro Wagner gehört zu den Umgarnten ebenso wie Mittelfeld-Großtalent Nadiem Amiri oder Stürmer Mark Uth. Die beiden Nationalspieler Niklas Süle und Sebastian Rudy (ablösefrei) wechseln in der kommenden Runde zum FC Bayern. Durch die rund 20 Millionen Euro Ablöse, die die TSG für Süle kassiere, sei man in einer Position der Stärke, sagt Rosen. Man müsse also keinen Spieler abgeben. Es wird spannend zu beobachten sein, ob die Wechselgerüchte den Hoffenheimer Fortschritt sportlich beeinflussen werden. Niklas Süle aber ist überzeugt: "Wir sind verdient oben dabei und haben die Qualität, etwas Großes zu schaffen in dieser Saison."

Darmstadt kassiert bereits die zehnte Auswärtsniederlage

Etwas wirklich Großes wäre der erneute Klassenerhalt für Darmstadt 98. Durch die Siege der Konkurrenten Bremen und Ingolstadt wuchs der Abstand der Lilien (zwölf Punkte) auf Relegationsplatz 16 auf sieben Zähler an. Die Statistiken dieses Spieltages waren erschütternd für die Hessen. Sie verloren auch ihr zehntes Auswärtsspiel in dieser Runde. Dennoch gab der Auftritt in Hoffenheim den Spielern und dem Trainer zu Recht Hoffnung. Nach dem überraschenden 2:1-Sieg gegen Dortmund präsentierten sich die Lilien auch in Hoffenheim wieder als starke Einheit. Trainer Torsten Frings freute sich, dass man "eine Entwicklung" sieht. Es stimmt: Darmstadt wehrt sich wieder und spielt auch nach vorne, Routinier Hamit Altintop tut der Elf als Stratege im Mittelfeld richtig gut.

Der unermüdliche, diesmal freilich glücklose Stürmer Terrence Boyd meinte: "Wir haben nach dem Dortmund-Spiel gezeigt, dass wir keine Eintagsfliege sind. Wir haben Qualitäten und gute Typen. Das Vertrauen zum Nebenmann ist da, die Stimmung im Team ist gut." Lob gab es für die Lilien auch von Nagelsmann, der seinem Kollegen Torsten Frings ein "Kompliment für die Entwicklung" aussprach. Tatsächlich sind die Lilien auf dem Platz aktuell konkurrenzfähig. Aber nötiger als Lob haben die Lilien Punkte. Die kommenden drei Spiele - gegen Augsburg, in Bremen und gegen Mainz - werden zeigen, ob die Darmstädter auch punktemäßig für die Restsaison noch konkurrenzfähig sind.

© SZ vom 19.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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