Hockey Frauen:In der Hitze von Deodoro

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Der einen Freud', der anderen Leid: Die deutsche Nationalspielerin Janne Müller-Wieland (links) feiert den Viertelfinalerfolg über die favorisierten Amerikanerinnen. (Foto: Vasily Fedosenko/Reuters)

Nicht nur zugucken, sondern angreifen: Die deutschen Hockeyfrauen gehen selbstbewusst ins Halbfinale gegen die favorisierten Niederlande.

Von Volker Kreisl

Für einen Tag war der Sommer zurück im Hockeystadion von Deodoro, und die Zuschauer, etwa 400 Deutsche, 200 US-Amerikaner sowie einige Neutrale, bekamen einen Eindruck davon, welche Hitze hier im Januar herrschen kann. Die provisorische Arena hat ja kein Dach, gefühlt herrschten 35 Grad im Südhalbkugel-Winter. Glückliche bekamen in den Pausen etwas von dem Wassersprühnebel über den Kopf, den der Wind Richtung Tribüne wehte, als der Rasen gewässert wurde. Die Hitze würde ein Faktor für den Einzug ins Halbfinale sein, das war klar, und am Ende hatten sie die deutschen Hockeyfrauen wohl besser vertragen.

"Wir können nur gewinnen", sagt Torjägerin Lisa Altenburg vor dem Semifinale

Mit dem 2:1 gegen die USA haben sie ihr Ziel erreicht: An diesem Mittwoch spielen sie gegen die Niederlande um den Finaleinzug. So weit war seit 2008 keine Frauenhockeymannschaft mehr bei Olympischen Spielen vorgedrungen, noch dazu eine, die mit sehr vielen jungen Spielerinnen ausgestattet ist. Und Bundestrainer Jamilon Mülders hat auch große Ziele mit diesem Team, er möchte Stabilität schaffen, was er damit erreichen will, dass er seine Mannschaft zu einem selbständig handelnden System erzieht, in der jede Spielerin Verantwortung für das Ganze übernimmt. In Rio wollen sie erst mal bloß unter den Besten landen, für verkündbare Gold-Pläne ist es zu früh. Doch in der Hitze von Deodoro gelang nun ein großer Schritt nach vorne.

Das Selbstbewusstsein des Teams ist gestiegen wie das Thermometer; gefragt nach dem schweren Gegner im Halbfinale, sagte Torjägerin Lisa Altenburg: "Die sollen gerne kommen. Wir hatten im Viertelfinale nichts zu verlieren, und auch im Halbfinale können wir nur gewinnen." Jamilon Mülders stellte klar, dass der aggressive und unangenehme Stil, den sein Team gegen die USA gezeigt hatte, gegen den Favoriten nun keinem vorsichtigeren System weichen soll. Im Halbfinale geht es nicht darum, "mal zu gucken", sagte er: "Wir greifen wieder voll an."

Genau damit waren die Amerikanerinnen überfordert, die die Deutschen beim Videostudium der Vorrunde noch als Team in der Entwicklungsphase beobachten konnten. Gegen Spanien und gegen die Niederlande hatten die Deutschen, nachdem sie frühzeitig das Weiterkommen gesichert hatten, plötzlich wieder Probleme. Das hängt, bei allem Einsatz, auch mit dem Unterbewusstsein zusammen, die Spannung lässt eben doch nach, und so gab es zwei Niederlagen zum Vorrunden-Abschluss, ein 1:2 gegen Spanien und ein 0:2 gegen die Niederlande.

Womöglich war der mit letztem Willen gelungene Last-Second-Sieg der Männer gegen Neuseeland am Abend zuvor auch ein Faktor für die Entschlossenheit der Frauen, allerdings waren die Rollen am nächsten Tag umgekehrt besetzt. Die deutschen Frauen gingen als Außenseiter in die Partie mit den technisch und läuferisch überlegenen Amerikanerinnen, die seit Jahren diesen Sport fördern, eine College-Liga einführten und deren Niveau heben, indem sie ausländische Top-Spielerinnen mit Stipendien locken. Und wie Neuseelands Männer, so waren es diesmal die deutschen Frauen, die den Favoriten überraschten - und die zwei Chancen nutzten, die sie hatten (Marie Mävers/ 8., Lisa Altenburg/14.).

"Ihr versteht endlich nach vier Jahren, dass ihr Qualität besitzt", sagt Bundestrainer Mülders

Wie im Spiel der Männer erwarteten nun alle einen Ansturm der Sieganwärter, abermals blieb er aus. Mülders' Spielerinnen verteidigten umsichtig und auch unangenehm. Die Amerikanerinnen kamen kaum bis an den Kreis, und drangen sie doch einmal ein, dann ohne Wirkung, ohne Tor, ohne Strafecke. Und Mülders' Mannschaft erwies sich schließlich in den letzten fünf Minuten als die besseren Neuseeländer, denn sie kassierten zwar noch den Anschlusstreffer nach einem Eigentor von Anne Schröder, brachen danach aber nicht ein. Mülders war hingerissen von seiner Mannschaft und machte nach der Schlusssirene klar: "Jedes Spiel, in dem wir müssen, sind wir auch gut. Ihr versteht endlich nach vier Jahren, dass ihr Qualität besitzt!"

Anne Schröder war diejenige, die den Ball immer wieder mit feinen Einzel-Aktionen nach vorne brachte und somit half, das Spiel vom eigenen Tor fernzuhalten. "Wir hatten einen krass guten Matchplan", sagte sie, "und den haben wir eins zu eins umgesetzt." Außerdem: "Wir hatten heute wirklich alle auf dem Platz." Alle Spielerinnen waren von Beginn an voll bei der Sache und im Spielsystem. Plan plus Umsetzung plus Vollständigkeit. Das hört sich alles einfach an und ist doch so schwierig. Es ist aber die Formel, mit der die Niederlande, der noch größere Favorit als die USA, zu schlagen wäre.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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