Hertha BSC:Gefährlich gute Phase

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Nach dem 4:0 gegen die heillos überforderten Darmstädter träumt Hertha davon, endlich mal ins Pokalfinale im eigenen Stadion vorzurücken.

Von Christoph Ruf, Darmstadt

Man kann sich ja durchaus fragen, warum eine Mannschaft, die der aus der vergangenen Saison zum Verwechseln ähnelt, plötzlich so gut spielt - wie es Hertha BSC zur Zeit tut. Man kann in dieser Angelegenheit aber auch einfach Pal Dardai fragen, als deren Trainer sitzt er in dieser Hinsicht ja quasi an der Quelle der Erkenntnis. "Das ist die gleiche Mannschaft wie vergangenes Jahr. Und trotzdem sagen die Kollegen jetzt, was für technisch gute Spielzüge wir draufhaben", sagte der Ungar nach dem deutlichen 4:0-Sieg in Darmstadt. Dass man derzeit auf Platz drei liege, habe allerdings mit vielem zu tun, das er selbst gar nicht in der Hand habe. Er habe nun mal gute Assistenten und Spieler, die so fleißig und so neugierig seien, dass sie tatsächlich immer besser würden. "Aber es tut schon weh, einen Ronny oder einen Änis Ben-Hatira zu Hause zu lassen. Beide haben gut trainiert."

Wobei: streng genommen handelt es sich ja bei dem erstaunlich abgezockten, spiel- und kampfstarken Ensemble der vergangenen Wochen auch gar nicht um die gleiche Mannschaft wie in der vergurkten Vorsaison. Auf immerhin drei Positionen gab es Veränderungen: Stammtorwart Thomas Kraft, der offiziell noch verletzt ist, dürfte es schwer haben, Rune Jarstein wieder zu verdrängen.

Ibisevic erzielt im neunten Spiel für die Berliner seinen fünften und sechsten Treffer

Der Norweger war auch in Darmstadt zuverlässig zur Stelle, als die diesmal heillos überforderten Lilien kurz vor der Halbzeit ihre beiden einzigen Tormöglichkeiten hatten. Da wäre Vladimir Darida, der im Sommer aus Freiburg kam und zusammen mit Per Skjelbred und Fabian Lustenberger eine doch ziemlich starke Mittelfeld-Zentrale abgibt. Der alternde Standfußballer Ronny - da muss man Dardai dann wohl doch widersprechen - hätte in diesem Konstrukt also eigentlich nur dann etwas verloren, wenn der Schiedsrichter mal einen Freistoß pfeift und Darida oder Marvin Plattenhardt gerade unpässlich sind. Plattenhardt zirkelte den Ball jedenfalls recht spektakulär zum 2:0 in die Maschen (27.).

Und natürlich wäre da noch Vedad Ibisevic, der im neunten Spiel für Hertha seinen fünften und sechsten Treffer erzielte (12./50.). Schon gegen Köln und den Hamburger SV hatte der Bosnier jeweils doppelt getroffen, er gab sich nach dem Spiel so taktisch diszipliniert wie das ganze Team in den 90 Minuten zuvor. "Diese Phase ist ganz gefährlich", sagte er. "Wenn es gut läuft, muss man noch mehr investieren, damit man so lange wie möglich da oben bleibt." Ibisevic, der beide Treffer mitten aus dem Strafraum und aus engstem Raum heraus geschossen hat, war im Sommer der Wunschspieler von Dardai ("Dafür haben wir ihn geholt"), der mit der Personalie auch neue Perspektiven für Salomon Kalou schaffen wollte.

Kalou wiederum zählt schon seit Wochen zu den herausragenden Berlinern. Am Böllenfalltor war es der Ivorer, der das 4:0 beisteuerte (76.) und verdeutlichte, was Darmstadts Trainer Dirk Schuster meinte, als er von der "individuellen Überlegenheit der Berliner" sprach.

Dass die Berliner derzeit zurecht einen Spitzenplatz belegen, gaben die Darmstädter dann auch artig zu. "Hertha war einfach besser, auch wenn wir uns in ein, zwei Situationen nicht sehr intelligent angestellt haben", bilanzierte Angreifer Sandro Wagner. Man möge allerdings auch bitte nicht vergessen, fügte er hinzu, dass die Lilien vor zwei Jahren noch in der dritten Liga gekickt haben. 18 Punkte hat der kesse Aufsteiger schon auf dem Konto, in der gesamten Hinrunde belegte man nicht ein einziges Mal einen Abstiegsrang.

Da kann man wohl tatsächlich gelassen hinnehmen, wenn einen ein überlegenes Team mal nach allen Regeln der Kunst auseinandernimmt. Neben den Bayern, die beim 3:0 im Spätsommer ebenfalls leichtes Spiel hatten, war die Hertha allerdings erst die zweite Mannschaft, der das gelang. Um genau zu sein, waren die Berliner in allen Belangen sogar so überlegen, dass sie es die letzten 30 Minuten merklich ruhiger angehen lassen konnten. Genau das, sagte Dardai dann noch, sei im Übrigen ein ganz wichtiger Nebeneffekt des Ausflugs ins Hessische gewesen. "Nach so einem Sieg kann man leichter regenerieren, das ist wichtig. Wir haben schließlich unsere Träume." Schon am Mittwoch müssen die Berliner im DFB-Pokal-Achtelfinale in Nürnberg ran. Man kann also davon ausgehen, dass die Träume des Pal Dardai manchmal um ein Pokalfinale im heimischen Olympiastadion kreisen.

© SZ vom 14.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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