Hertha BSC - Frankfurt (15.30 Uhr):Erhöhter Ekelfaktor

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Der Stratege und sein wichtigster Assistent: Frankfurts Trainer Niko Kovac (links) instruiert Kevin-Prince Boateng beim Auswärtsspiel in Hoffenheim. (Foto: dpa)

Obwohl sie im Sommer mal wieder zwangsweise generalüberholt wurde, ist die Frankfurter Eintracht schon wieder zu einem der widerborstigsten Gegner der Liga geworden.

Von Tobias Schächter, Frankfurt

Kevin Prince Boateng hat den Plan für die Reise seiner Frankfurter Eintracht zum Bundesligaspiel am Sonntag bei Hertha BSC unter der Woche griffig formuliert: "Hinfahren, drei Punkte holen, heimfahren." Dass es aber nicht ganz so einfach wird, ahnt auch der 30 Jahre alte Exzentriker, Boateng erwartet nämlich "ein fieses Spiel, weil die Berliner genauso eklig zu bespielen sind wie wir".

Vom Gegner als "eklig" eingestuft zu werden, wird in der Bundesliga mittlerweile als Gütesiegel von Trainern und Spielern bewertet. Ein höheres Lob kann es kaum geben, weil es bedeutet: Gegen die spielen wir nicht gern. Gegen Borussia Dortmund spielte die Konkurrenz in den vergangenen Wochen eher gerne, aber gerade die Eintracht und die Hertha sind durch ihre Spielweise Musterbeispiele nervender Widerborstigkeit. Und diese ist ja tatsächlich ein Qualitätsmerkmal.

Andererseits deutet der ständige Verweis auf die eigene Ekligkeit auch auf ein Defizit hin, das sich gerade in den Leistungen des Ligamittelstandes manifestiert: Mit der Kugel am Fuß fällt den meisten Mannschaften nicht sehr viel ein. Auch Eintracht-Trainer Niko Kovac teilt diese Beobachtung. "Viele Bundesligisten suchen ihr Glück mit wenig Spielaufbau, den gepflegten Fußball spielt kaum noch ein Team", stellt Kovac fest. Dabei nimmt der zu seinen aktiven Zeiten ziemlich eklige, aber auch strategisch begabte Mittelfeldspieler seine eigene Elf nicht aus der Kritik.

Die Eintracht scheitert meistens daran, das Spiel selbst zu gestalten

Bei der Eintracht schlägt sich der Mangel an spielerischen Lösungen mit Ball in der Statistik wieder: Zuhause, wo die Elf mehr Ballbesitz hat und das Spiel machen muss, gewannen die Frankfurter nur zwei von sechs Partien; mit drei Niederlagen und nur sieben Zählern sind die Hessen die drittschlechteste Heimmannschaft der Liga. Auswärts aber punktet bisher nur der FC Bayern (13 Punkte) besser als die Eintracht (12). Den Hessen geht es wie den meisten Konkurrenten: Verteidigen kann diese Mannschaft besser, als kreativ Abwehrbollwerke auszuhebeln.

Den "gepflegten Fußball" weiterzuentwickeln, ist im kurzatmigen Tagesgeschäft Bundesliga nicht einfach, aber mittelfristiges Ziel des Trainers. Kovac hat Hoffnung, diesem Ideal näher zu kommen, sobald sein Kader komplett ist. Schon die gesamte Hinrunde muss er auf zwei kreative Mittelfeldspieler verzichten, die spätestens in der Rückrunde wieder mitwirken sollen: der spielstarke Sechser Omar Mascarell, an dessen Verpflichtung die TSG Hoffenheim im Sommer interessiert war, und der trickreiche Zehner Marco Fabian.

Nach langer Verletzung kehrt womöglich in Berlin schon Routinier Makoto Hasebe wieder auf den Platz zurück. Ein Einsatz des technisch gutklassigen Japaners würde eine Erhöhung des spielerischen Niveaus bedeuten, aber Kovac auch vor knifflige Fragen stellen: Der 33-Jährige kann in der Zentrale einer Dreier-Abwehrkette mehr Passgenauigkeit im Aufbau garantieren. Setzt Kovac ihn aber dort ein, müsste David Abraham auf eine der Seiten ausweichen - der Argentinier gehört allerdings in der aktuellen Form zu den besten Innenverteidigern der Liga (Kovac: "Der räumt alles ab"). Und stellt Kovac den Japaner auf die Sechs, müsste er für den dort überragenden Boateng wieder eine neue Verwendung finden. Boateng indes ist auf jeder Position ein Gewinn, er könnte auch im offensiven Mittelfeld für mehr Torgefahr sorgen. Doch Kovac grübelt, ob er Hasebe überhaupt einsetzt, er sagt: "Wir müssen abwägen: Hauen wir jetzt drauf, und dann fällt er die nächsten zwei Monate aus, oder timen wir seinen Einsatz richtig."

Für etliche Frankfurter wird der Berlin-Trip zum Heimspiel

Bis zur Winterpause wollen der Trainer und seine Spieler den bisher 19 Punkten noch einige hinzufügen, um in der Rückrunde mit den Rückkehrern ohne Abstiegsangst an der spielerischen Verbesserung zu arbeiten - die dann auch mehr Heimpunkte garantieren soll. Kovac erklärt: "Der Abstand nach unten ist nicht so groß, wie ich mir das wünsche. Deshalb müssen wir vor der Winterpause noch punkten. Die Heimspiele gegen Bayern München und Schalke 04 werden dabei nicht einfach. Deshalb ist gerade das Spiel in Berlin sehr wichtig."

Für die wichtigsten Protagonisten der Frankfurter wird die Partie in der Hauptstadt aber eher einem Heimspiel gleichen: Niko Kovac und sein Bruder und Co-Trainer Robert sind ebenso in Berlin aufgewachsen wie Boateng. Und Sportvorstand Fredi Bobic spielte als Profi zwei Jahre bei der Hertha, seine Familie wohnt noch in der Stadt. So viel Heimspielgefühl wie am Sonntag die Eintracht in Berlin hat selten eine Mannschaft während einer Auswärtspartie. Kann das ein ekliges Spiel werden?

© SZ vom 03.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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