Hertha BSC:Berliner auf der Suche

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Trainer Lucien Favre macht beim Umbruch keine Kompromisse. Wenige Tage vor Saisonbeginn muss sich Hertha BSC um neue Spieler bemühen.

Lars Spannagel

Wie ihre Mannschaft aussieht, wissen Vereine normalerweise pünktlich zum Beginn des Sommertrainingslagers - allerspätestens zum Saisonstart. Bei Hertha BSC ist das diese Saison ein bisschen anders. Nachdem nun auch Kevin-Prince Boateng und Christian Gimenez den Verein verlassen haben, müssen die Berliner dringend auf dem Transfermarkt aktiv werden. Aber Manager Dieter Hoeneß will sich nicht hetzen lassen. "Es nutzt nichts, jetzt mit Druck zu arbeiten", sagt Hoeneß. Es wäre zwar schön, bis zum Bundesliga-Start am 11. August in Frankfurt "noch den einen oder anderen Neuzugang" präsentieren zu können, "aber die ersten Spiele sind nicht maßgeblich", betonte Hoeneß.

Lucien Favre ist noch auf Spielersuche, obwohl der Saisonstart unmittelbar bevorsteht. (Foto: Foto: AP)

Von bis zu fünf neuen Spielern ist in Berlin die Rede. Angesichts der vielen Abgänge ist das auch nötig. Mit Yildiray Bastürk (Stuttgart), Ashkan Dejagah (Wolfsburg) und nun Kevin-Prince Boateng (Tottenham) haben drei kreative, zentrale Mittelfeldspieler den Klub verlassen, für die es noch keinen Ersatz gibt. In der Verteidigung trennte sich Hertha von Routinier Dick van Burik und Talent Christopher Schorch, Jerome Boateng steht vor einem Wechsel zum Hamburger SV, Joe Simunic ist die beiden ersten Ligaspiele gesperrt. Christian Gimenez wechselt nach Mexiko zu Deportivo Toluca, in der vergangenen Saison bildete er mit Marko Pantelic das erfolgreichste Sturmduo der Liga und schoss zwölf Saisontore.

Nun muss Dieter Hoeneß für Ersatz sorgen, der dem neuen Trainer Lucien Favre ins Konzept passt. Der Schweizer hat ein klares Anforderungsprofil: Jung müssen die Neuen sein, technisch stark und vielseitig einsetzbar. In der engeren Auswahl sind der 18-jährige Veli Kavlak (Rapid Wien) und der 19-jährige Fabian Lustenberger (FC Luzern). "Wir wissen, dass wir spät dran sind. Wir haben aber immer betont, dass die neue Mannschaft erst mit Schließung der Transferliste am 31. August steht", sagt Dieter Hoeneß. Bis dahin bestreiten die Berliner das Pokalspiel in Unterhaching und vier Begnungen in der Bundesliga.

Die einzigen namhafte Neuen sind bislang Torhüter Jaroslav Drobny aus Bochum und Mittelfeldspieler Lucio, der von Gremio Porto Alegre aus Brasilien kam. Er soll die Position des brasilianischen Nationalspielers Gilberto auf der linken Außenbahn übernehmen, Gilberto soll mit Landsmann Mineiro im Zentrum spielen. Auf der rechten Seite spielt der 20-jährige Patrick Ebert eine starke Vorbereitung.

Die chronisch klamme Hertha kann sich nach den Wechseln der letzten Tage mehr auf dem Transfermarkt zumuten. "Unsere Aktivitäten stehen auch in Abhängigkeit von gewissen Einnahmen", sagt Dieter Hoeneß. An Gimenez verdient Hertha 2,2 Millionen. Weitere 1,2 bis 1,5 Millionen Euro soll der angekündigte Transfer von Jerome Boateng zum Hamburger SV einbringen. Eine Million Euro gab es schon für Christopher Schorch von Real Madrid. Den zweithöchsten Transfererlös der Vereinsgeschichte - nach Sebastian Deislers Wechsel zum FC Bayern - kann Hertha für Kevin-Prince Boateng verbuchen: 7,4 Millionen Euro überweist Tottenham Hotspur.

Boateng galt in Berlin einerseits als hochtalentiert und stellte als gebürtiger Berliner auch eine Identifikationsfigur für die Fans dar. Andererseits erwies er sich als permanenter Störenfried. In den letzten Wochen hatte Boateng in mehreren Interviews Hertha BSC und speziell Hoeneß angegriffen: Junge Spieler würden in Berlin "nicht fair behandelt", er spüre "keinen Rückhalt" mehr im Verein.

Lucien Favre hat mittlerweile klargemacht, dass es keine Kompromisse beim Umbau der Mannschaft geben wird. Wen Favre als zu alt oder als technisch zu schwach ansieht (bei Gimenez sah er gleich beide Defizite), dem weint er keine Träne nach. In der Schweiz tauschte er in Rekordzeit bei Yverdon Sports 14 von 18 Spielern aus. Solange sich mit den Neuen auch Erfolg einstellt, wird niemand in Berlin Herthas Radikalkur kritisieren. Aber die Zeit drängt.

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