Heimsieg für Schalke:Reiche Ernte

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Den entscheidenden Schritt voraus: Der Schalker Stürmer Steven Skrzybski lässt Nürnbergs Verteidiger hinter sich und trifft zum 1:0. (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Hinten vogelwild, offensiv mit ungewohntem Zug zum Tor: Ersatzgeschwächte Schalker kommen zu einem 5:2 gegen den Club - und dürfen sich auch ein bisschen bei den Gästen bedanken.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Acht Tore hatte Schalke 04 in den ersten elf Bundesligaspielen erzielt, das Grauen in Gelsenkirchen ist damit klar benannt. Doch für die Begegnung mit dem 1. FC Nürnberg habe er sich etwas einfallen lassen, verkündete Trainer Domenico Tedesco geheimnisvoll, und er hielt sein Versprechen. Der 5:2 (2:1)-Sieg gegen den Aufsteiger wirkte auf das Schalker Publikum wie sieben Tage Regen auf einen ausgedörrten Boden. Der Club hatte mit dem einen oder anderen Abwehrfehler nachgeholfen, doch die reiche Ernte war auch das Ergebnis einer beschleunigten, mutigen und ungewohnt inspirierten Schalker Spielweise. Tedescos Team setzte ein deutliches Lebenszeichen aus dem Notstandsgebiet Gelsenkirchen.

Was zu erwarten war: das Spiel zweier Problemfälle, ein allenfalls karges Vergnügen. Aber es wurde einiges geboten, zur Langeweile gab es keinen Grund. Das Bemühen der Nürnberger, dem Spiel das Tempo und dem Gegner den Schwung zu nehmen, konterten die Schalker mit einem für sie nicht typischen Vorwärtsdrang. Daran hatte auch der Mann mit der Nummer 22 seinen Anteil, Steven Skrzybski, der zum ersten Mal in dieser Saison in die Schalker Startelf aufrückte, aufgrund der Verletzungen von Breel Embolo und Mark Uth. Im Sommer war Skrzybski von Union Berlin nach Gelsenkirchen gekommen, mit der speziellen Empfehlung, als echter Berliner ein echter Schalker zu sein.

Ersatz-Stürmer Steven Skrzybski überzeugt

Der Schalke-Fan seit Kindertagen verschaffte als zweite Angriffsspitze und dank seines Tempos dem Nebenmann Guido Burgstaller mehr Spielraum, prompt machte der bisher noch weitgehend verhinderte österreichische Torjäger (ein Liga-Treffer) nicht nur in der Rolle des unermüdlichen Kämpfers, sondern auch als Stürmer auf sich aufmerksam. Mit dem Kopfball in der sechsten Minute war er dem 1:0 schon sehr nah, doch da kam noch FCN-Torwart Christian Mathenia dazwischen. Weitere Schalker Gelegenheiten folgten, die Nürnberger blieben aber ihrerseits nicht untätig, Mikael Ishak nach einem eklatanten Fehlpass von Bastian Oczipka und vor allem Hanno Behrens allein vor S04-Keeper Ralf Fährmann hätten den Club in Führung bringen können - doch das Tor fiel im nächsten Moment auf der anderen Seite. Torschütze: Skrzybski. Die Vorlage lieferte ihm, unfreiwillig, Torwart Mathenia, indem er am Ball vorbeitrat (26.). Obendrein verletzte er sich bei der Aktion und musste später ausgetauscht werden.

Der Club antwortete auf den Rückstand mit einer weiteren Großchance, weil Schalkes Defensive mitunter vogelwild wirkte. Ishak verfehlte mit seinem Kopfball aber das Ziel. Fünf Minuten später der nächste böse Bock in der Nürnberger Deckung, Burgstaller ließ auf dem rechten Flügel zwei Verteidiger stehen, und Georg Margreitter verpasste im Zentrum die Flanke. Amine Harit brauchte den Ball dann nur noch ins leere Tor zu schieben (30.). Die Nürnberger ließen sich aber nicht einschüchtern, Schalke erleichterte ihnen allerdings das Überleben, sie ließen es ruhiger angehen, allzu ruhig. Die Folge: der Anschlusstreffer durch Federico Palacios Martínez (38.), der von einem riesigen Loch in der Schalker Abwehr profitierte.

Schalkes Bentaleb beschäftigt die Gäste mit dreisten Dribblings und Alleingängen

Die Schalker zogen das Tempo in der zweiten Hälfte deutlich an, besonders Nabil Bentaleb beschäftigte die Nürnberger mit seinen Steilpässen und Alleingängen. Offenbar hatte ihm der Trainer den Auftrag erteilt, seine starke Technik einzusetzen und mehr Risiko zu wagen, dem Spiel der Schalker tat das gut, die Chancen häuften sich. Doch Skrzybski und Burgstaller verpassten das dritte Tor. Der Club fand nun kaum noch gefährlich nach vorn, sein Kombinationsspiel, das in der ersten Halbzeit noch für viel Unruhe gesorgt hatte, landete jetzt meistens in den Fängen der Schalker Deckung. Der einzige Nürnberger, der für Aufsehen sorgte, war Verteidiger Robert Bauer - durch ein grobes Foul an Harit, das ihm die zweite gelbe Karte und damit einen Platzverweis eintrug (67.).

"Es gab einige Entscheidungen, die waren diskussionswürdig", nörgelte Nürnbergs Coach Michael Köllner später. "Es wurde nicht mit korrektem Maß gemessen, es war große Theatralik im Spiel." Zumindest das zweite Foul von Bauer an Harit konnte er damit nicht ernsthaft gemeint haben. Eher schon treffend war seine Beobachtung: "Wir haben sehr viele Torchancen herausgespielt."

Sie ließen aber auch viele zu. Kurz nach Bauers Platzverweis folgte der nächste harte Schlag für die Gäste: Burgstaller lenkte einen verunglückten Torschuss von Daniel Caligiuri zum 3:1 ins Netz (71.). Das sollte reichen, dachten wohl die meisten Zuschauer im ausverkauften Stadion. Aber der Aufsteiger wehrte sich weiterhin verbissen und kam durch den eingewechselten Adam Zrelak erneut zum Anschlusstreffer, Stambouli hatte gepatzt. "Offensiv war das gut", analysierte Schalkes Trainer Tedesco korrekt, "aber in der Defensive war noch viel Luft nach oben, da hätte es zur Pause auch anders stehen können."

Schalke kann also selbst bei Siegen nicht ohne Drama auskommen. Aber bevor es noch mal richtig spannend werden konnte, startete Caligiuri ein schickes Solo, das Skrzybski mit seinem zweiten Tor zum 4:2 abschloss (84.). Unter Ovationen verließ der Debütant und potentielle neue Publikumsliebling zur Auswechslung das Feld, bevor Oczipka in der Nachspielzeit noch einen Treffer nachlegte. 5:2, mit dieser Torlawine hatte vor dem Spiel wohl niemand gerechnet.

© SZ vom 25.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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