Handballer:Stolz des Nordens

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Voller Glück: der scheidende SG-Spielmacher Thomas Mogensen (re.). (Foto: Martin Rose/Getty)

Die Handballer der SG Flensburg-Handewitt genießen ihre zweite deutsche Meisterschaft: Die Titelverteidigung gehen sie mit einer verjüngten Mannschaft an.

Von Joachim Mölter, München

Für gewöhnlich heißt es, dass man sich Ärger, Frust, Enttäuschung von der Seele redet, irgendetwas Negatives jedenfalls. Aber Dierk Schmäschke war seit dem späten Sonntagnachmittag mit genau dem Gegenteil beschäftigt: "Ich rede mir gerade einfach die Freude von der Seele", erzählt der 60-Jährige am Telefon, und seiner rauen, heiseren Stimme nach zu urteilen, ist schon ganz viel Freude aus ihm herausgequollen. Kein Wunder: Die Handballer der von Schmäschke als Geschäftsführer geleiteten SG Flensburg-Handewitt haben sich am Sonntag die deutsche Meisterschaft gesichert durch einen schwer erzitterten 22:21-Heimsieg über Frisch Auf Göppingen. Schmäsche ist auch am Montag noch euphorisiert: "Wir sind so stolz", sagt er, "ich freue mich für die Mannschaft, für die Fans, für die ganze Region."

Um das gesamte Ausmaß dieser Freude zu verstehen, muss man die Geschichte des Klubs kennen. 1992 gelang der SG Flensburg-Handewitt der Aufstieg in die Bundesliga, die Premieren-Saison beendete der Klub auf Platz 16, danach war er nur zweimal schlechter als Rang vier: Fünfter 2009 und Sechster 2011. "Das spricht für eine unglaublich hohe Konstanz seit 25 Jahren", findet Schmäschke. So richtig gewürdigt wurde das allerdings kaum, denn die Mannschaft gewann in dieser Zeit nur einmal die deutsche Meisterschaft, 2004. Dafür musste sie sich allein in den vergangenen 14 Jahren siebenmal mit Platz zwei begnügen. "Schade, dass immer nur auf den Ersten geschaut wird", findet Schmäschke, der den zweiten Bundesliga-Titel der Klub-Historie nun umso mehr genießt.

"Die Dramaturgie war überragend", findet der Manager

Zu diesem Erfolg trug allerdings auch Titelverteidiger Rhein-Neckar Löwen bei, der in seinen letzten fünf Partien vier Punkte Vorsprung verspielte und am Ende dann einen Zähler weniger hatte als der Konkurrent aus dem Norden (56:12). Für die Mannheimer ist es ein schwacher Trost, dass sie die individuellen Auszeichnungen erhielten: Regisseur Andy Schmid wurde zum fünften Mal nacheinander zum besten Spieler der Saison gewählt, Nikolaj Jacobsen und Michael Appelgren erstmals zum Coach bzw. Torhüter des Jahres. "Die Dramaturgie war überragend", sagt SG-Manager Schmäschke über das Saisonfinale: "Vor zwei Wochen haben wir noch gedacht, wir kämpfen um die Absicherung der Champions-League-Teilnahme." Dafür hätte Flensburgs Stammplatz genügt, also Rang zwei. Aber wie es so ist: "Man muss durchhalten bis zum letzten Spiel. Und wenn man am Ende an der Tabellenspitze steht, hat man es auch verdient, deutscher Meister zu sein."

Wobei sie in Flensburg durchaus immer wieder etwas zu feiern gehabt haben in den vergangenen Jahren: 2012 gewann die SG den Europapokal der Pokalsieger, 2013 den Supercup des Deutschen Handballbundes (DHB), 2014 die Champions League und 2015 den DHB-Pokal. "Wir haben jeden Titel gewonnen, den es in Europa zu gewinnen gibt", bilanziert Schmäschke.

Nun steht seiner Mannschaft ein Umbruch bevor, ein halbes Dutzend Profis verlässt den Klub: der schwedische Torwart Mattias Andersson, 40, beendet seine Karriere, seinen dänischen Kollegen Kevin Möller zieht es zum FC Barcelona; auch die Feldspieler Thomas Mogensen, Kentin Mahé, Jacob Heinl und Hendrik Toft Hansen wechseln, zum Teil zu europäischen Spitzenklubs. Im kommenden Sommer laufen zudem die Verträge zweier Routiniers aus, der des schwedischen Kreisläufers Tobias Karlsson, 37, sowie der von Rückraumspieler Holger Glandorf, 35. Der Klub ist längst dabei, das Team zu verjüngen. Wenn Trainer Maik Machulla, 41, am 16. Juli in der Marineschule Mürwik mit der Vorbereitung auf die neue Bundesliga-Saison beginnt, tut er das mit sechs Neulingen, überwiegend Talenten aus Skandinavien. Schmäschke hebt vor allem "zwei exzellente Torhüter" hervor: den aus Wetzlar geholten Bosnier Benjamin Buric, 26, sowie den Norweger Torbjörn Bergerud, 23. "Das sind alle tolle Handballspieler", sagt Machulla, dem das Kunststück gelungen ist, im ersten Jahr als Chefcoach den lange ersehnten Titel zu holen. Und den genießen sie jetzt erst mal.

© SZ vom 05.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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