Handball-WM der Frauen:Zeichen der Wertschätzung

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Die erste Zuschauerbilanz ist höchst erfreulich: Die Hallen sind selbst bei Feinschmeckerspielen wie Paraguay gegen Rumänien gut besucht. Und die Fernsehzahlen schüren die Hoffnung auf ein Millionenpublikum.

Von Saskia Aleythe, Leipzig

Vier Tischreihen ziehen sich durch den Raum, an der Seite ein Buffet, von dem die Handballerinnen später Häppchen verdrücken werden. Handball-WM in Leipzig, Pressekonferenz am Tag nach dem zweiten Gruppenspiel, Sportdirektor Wolfgang Sommerfeld bekommt zuerst das Wort, und dann darf man genau hinhören, denn in kleinen Formulierungen liegen manchmal große Schätze. Sein Publikum sind etwa zehn schreibende und zehn filmende Journalisten, im Vergleich zu manch anderer Sportart eine überschaubare Menge. Aber Sommerfeld sagt: "Ich freue mich, dass Sie so zahlreich vertreten sind, das ist auch eine Wertschätzung für die Ladies." Und es ist auch ein Einblick, was man sonst so gewohnt ist beim Frauen-Handball.

Die Vorrunden-Standorte dieser WM hat der Verband geradezu ideal gewählt

Seit vergangenem Freitag läuft die Weltmeisterschaft schon, und es ist recht einfach, das am deutschen Vorrundenstandort Leipzig gar nicht mitzubekommen: Kein einziges Plakat ziert die Stadt. Die Halle ist bei den deutschen Spielen dennoch voll, ohnehin fällt die erste Zuschauerbilanz erstaunlich positiv aus. 71 706 Menschen strömten am ersten Wochenende an den vier Gruppenspielorten in die Hallen, bei 24 Partien ergibt das einen Durchschnitt von etwa 3000 Fans. Selbst bei Feinschmeckerspielen wie Paraguay gegen Rumänien saßen fast 2400 Menschen auf der Tribüne, was dann schon ein Phänomen ist. "Ich gehe fest davon aus, dass wir unser Ziel einer 60-prozentigen Ticketauslastung erreichen", sagt Mark Schober, der Vorstandschef beim Deutschen Handballbund (DHB). Und dass man mit 60 Prozent zufrieden sein wird, ist auch ein Zeichen von gesundem Realismus.

Die Vorrunden-Standorte dieser WM hat der DHB ideal gewählt: In Trier, Bietigheim, Oldenburg und Leipzig findet die WM nun genau dort statt, wo sich die Menschen ohnehin schon für Frauen-Handball interessieren. Alle vier Standorte sind in der Geschichte mit erfolgreichen Klubs aufgetreten, Bietigheim ist der aktuelle deutsche Meister, Leipzig hat seit der Insolvenz im Sommer keinen Bundesligisten mehr - aber ein gewachsenes Publikum. Beim Eröffnungsspiel war die Halle mit 6000 Zuschauern ausverkauft, gegen Südkorea waren es annähernd so viele.

Trier, Bietigheim und Oldenburg sind zudem Städte, in denen es weder konkurrierende hochklassige Männerabteilungen noch Fußball-Bundesligisten gibt. Überhaupt kann so eine WM ja auch mal den Blick darauf lenken, dass Handball nach Volleyball der beliebteste Mannschaftssport der Frauen hierzulande ist. Der Zuschauerschnitt der abgelaufenen Bundesligasaison lag bei 944. Vergleiche zu ausverkauften Fußballarenen zieht man beim DHB nicht, stattdessen wird das Prinzip der dualen Karriere verfolgt: Fast alle Nationalspielerinnen haben neben dem Sport einen Beruf oder studieren. Was man sich von der WM erhofft, sind nicht unrealistische Zuschauerzuwächse in den Hallen, sondern mehr Zuspruch beim Nachwuchs und von Sponsoren.

"Ich habe mir heute Morgen die Quoten angeschaut", sagte Trainer Michael Biegler, "und habe den Spielerinnen gesagt, dass sie sehr viel bewegen." Er meinte damit zum einen, mit welcher Leidenschaft sie das Publikum in der Halle mit ihrer kämpferischen Art begeisterten, aber durchaus auch den Effekt auf den TV-Zuschauer. 780 000 Menschen sahen die Partie gegen Südkorea am Sonntagabend in der Spitze, 590 000 im Durchschnitt, dafür ließ so mancher also auch den Polizeiruf sausen und schaltete durch bis Sport 1. Die Mannschaft hat beste Aussichten, das Achtelfinale zu erreichen, ab einem Halbfinale mit deutscher Beteiligung würden dann die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF einsteigen. Und den Handballerinnen sehr wahrscheinlich ein Millionenpublikum bescheren.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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