Handball:"Man lässt sich vollregnen und freut sich"

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Uwe Schwenker, Manager des THW Kiel, über den Umbau der Meistermannschaft und einen Trainer, der gern angeln geht. Von Klaus Hoeltzenbein und Christian Zaschke

SZ: Herr Schwenker, diese Rivalität zwischen dem THW Kiel und der SG Flensburg - ist die echt oder inszeniert?

MArcus Ahlm spielte eine gute Saison für Kiel. (Foto: Foto: dpa)

Schwenker: Es gab schon immer eine Rivalität, und die ist in den letzten Jahren sogar ein bisschen tiefer geworden. Beide Vereine profitieren natürlich davon, weil das im Norden richtig ausgelebt wird. Wenn es die Flensburger nicht gäbe, müsste man sie erfinden.

SZ: In der vergangenen Saison ist der THW Kiel vor Flensburg Meister geworden, mit lediglich sechs Minuspunkten. Nun könnte es für die Rivalen noch schwieriger werden, auf Augenhöhe zu bleiben, da Sie mit einer weiter verbesserten Mannschaft antreten.

Schwenker: In der Breite mit Sicherheit. Unsere neuen Spieler wie Nikola Karabatic, Vid Kavticnik und Kim Andersson sind von allen Topklubs in Europa gejagt worden - wobei wir trotzdem ein bisschen Probleme haben, weil wir nun sehr junge Spieler dabei haben. Zudem gibt es noch Sprachprobleme, das erschwert die Integration. Deshalb glaube ich, dass wir eine richtig gute Mannschaft zusammen haben, dass wir unser wahres Leistungsvermögen aber erst allmählich zeigen werden.

SZ: Was ist Amtssprache?

Schwenker: Bei uns grundsätzlich Deutsch. Die neuen Spieler haben sofort Einzelunterricht. Englisch geht nicht, denn unser Trainer spricht Deutsch und Serbokroatisch, sonst nichts.

SZ: Verständigungsprobleme sind neu beim THW.

Schwenker: Wir hatten sonst immer Schweden, die in der Schule Deutsch gelernt haben. Jetzt haben wir zum ersten mal einen Schweden, der in der Schule kein Deutsch hatte, nämlich Kim Andersson. Zudem ist Karabatic Franzose, Kavticnik ist Slowene.

SZ: Der THW, den man als Klub der Schweden kannte, wird polyglott.

Schwenker: Ein wenig, aber wir legen in erster Linie Wert darauf, eine hohe Identifikation mit den Sponsoren und mit den Fans zu erreichen. Da ist es mir nicht so wichtig, einen deutschen Spieler zu haben, sondern eher, dass einer das Trikot des THW über Jahre tragen kann. Magnus Wislander ist als Kieler Spieler angenommen worden, obwohl er Schwede war. Er hat zwölf Jahre lang hier gespielt.

SZ: Wie viele deutsche Spieler wären gut genug für den THW?

Schwenker: Die Nationalspieler hätten das Zeug, aber davon stehen einige bei anderen Vereinen unter Vertrag. Aber schauen Sie, bei Flensburg spielt nur ein Deutscher, Jan Holpert, der Torwart. Die gehen in Richtung Dänemark, auch, was die Werbung angeht, die haben viele dänische Zuschauer. Dieses Potential in Richtung Skandinavien ist bei uns auch da, das ist so, wenn man oben im Norden ist.

SZ: Wie ist Ihre Sponsorenstruktur? Ist die skandinavisch geprägt?

Schwenker: Nein, aber tief verwurzelt im Norden. Die Unternehmen, die dort ordentlich aufgestellt sind, die sind auch beim THW. Dadurch sind wir ein bisschen unabhängig von den harten Fakten wie Kontaktdaten, Fernsehzeiten - es ist eher ein Wir-Gefühl. Wenn ich sage, wir sind wie das gallische Dorf bei Asterix und Obelix, dann hört sich das vielleicht seltsam an, weil wir eine gewisse Stellung haben - man sieht jedoch, was anderswo passiert. Hamburg hat riesiges Potential, Kronau-Östringen hat jetzt SAP im Rücken und will in Mannheim vor 14000 Zuschauern spielen. Zu Heimspielen von Gummersbach in der Köln-Arena kommen 15000 bis 20000 Zuschauer.

SZ: Zu Ihnen kommen auch ein paar Zuschauer.

Schwenker: Der THW ist ausverkauft. Das heißt: 10000 Zuschauer. Wir haben ein Dauerkartensystem. Es gibt einen Abreißblock, da sind 17 Karten drin, und hintendran liegt das Stammblatt.

SZ: Stammblatt?

Schwenker: Das ist für die nächste Saison. Gegen Vorlage des Stammblatts kriegt man die neuen Karten. Das wird vererbt oder wie eine Aktie gehandelt. SZ: Wie viele Dauerkarten gibt es?

Schwenker: 9800 Stück.

SZ: Sie sagen, das Stammblatt wird wie eine Aktie gehandelt. Was kostet es?

Schwenker: Weiß ich nicht im einzelnen. Aber ein Beispiel: 2001 ist die Halle aufgestockt worden, von 7000 auf 10000 Plätze. Damals haben wir Bezugsscheine für die neuen Plätze herausgegeben und damit etwa 350000 D-Mark verdient.

SZ: Man hatte damit nur das Recht gekauft, eine Karte zu kaufen?

Schwenker: Genau.

SZ: Der THW ist das Markenzeichen für Kiel - oder gibt es noch Konkurrenz?

Schwenker: Die Kieler Woche. Aber der THW ist ebenso ein gesellschaftliches Ereignis. Übertrieben gesagt: Was man braucht in Kiel, ist ein Liegeplatz für die Yacht und Karten für den THW. Das hört sich versnobt an, aber das ist über Jahrzehnte gewachsen. Das hat ja auch Vor- und Nachteile. Vorteil ist, dass wir unsere Einnahmen kennen. Nachteil ist, dass die Fluktuation des Publikums gering ist. Das Publikum wird jedes Jahr 10000 Jahre älter, und die Mannschaft wird jünger.

SZ: Das Publikum wird gesetzter?

Ziel Titelverteidigung: Der THW Kiel geht zuversichtlich in die neue Saison. (Foto: Foto: dpa)

Schwenker: Bei den großen Spielen wie gegen Flensburg ist die Stimmung fantastisch. Aber bei manchen Spielen, zum Beispiel gegen Pfullingen, da setzen die Zuschauer sich hin und sagen: So, jetzt spielt uns mal schön was vor. Es ist ein wenig wie im Zirkus, man muss neue Clowns präsentieren. Das bedeutet: charismatische Spieler, die etwas ausstrahlen. Christian Zeitz ist so einer, Henning Fritz ebenfalls. Jetzt haben wir wieder zwei, drei junge Spieler, die begeistern können.

SZ: Sie haben über zwei Jahre hinweg den Umbruch vollzogen. Karabatic ist 21 Jahre alt, Kavticnik ist 21, Andersson 22.

Schwenker: Wir haben fast zehn Jahre mit der Mannschaft um Magnus Wislander gespielt. Mit dem Kern dieser neuen Mannschaft können wir die nächsten sieben, acht Jahre spielen.

SZ: Warum sind die umworbenen jungen Spieler zum THW gekommen und nicht nach Spanien gegangen?

Schwenker: Sie sind sehr auf den Trainer fixiert, auf Noka Serdarusic. Sein Ruf ist, Disziplinfanatiker und ein harter Arbeiter zu sein, aber wer sich weiterentwickeln will, der ist bei ihm gut aufgehoben.

SZ: Können Sie finanziell mit den Spaniern mithalten?

Schwenker: Man ist auf Augenhöhe. Zu bedenken ist allerdings: Barcelona hängt am Tropf des Fußballs. Die anderen Vereine haben den Vorteil, dass sie teils von den Kommunen gesponsert werden. Und Ciudad Real ist der reichste Klub der Welt. Zu Karabatic haben die gesagt, er soll mit jedem Verein auf der Welt verhandeln - das höchste Angebot würden sie um 25 Prozent überbieten.

SZ: Sie haben ihn dennoch überzeugt.

Schwenker: Ja, der Papa ist Kroate und hat da mitgeholfen, der kannte auch Serdarusic. Und die Kontinuität spricht für uns. Serdarusic ist seit zwölf Jahren hier.

SZ: Der Vertrag des Trainers läuft aus.

Schwenker: Das ist Formsache. Als er kam, habe ich zu ihm gesagt: Du wirst der Otto Rehhagel des Handballs.

SZ: Rehhagel war bei Werder Bremen 14 Jahre im Amt.

Schwenker: Wir gehen jetzt ins 13. gemeinsame Jahr, und das 14. schaffen wir auch. Wir sind da wie ein altes Ehepaar.

SZ: Was zeichnet ihn aus?

Schwenker: Weltklasseleute wie Wislander, wie Staffan Olsson oder Stefan Lövgren, die als gestandene Spieler zu uns kamen, sagten: Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch so viel über Handball lernen kann. Was er den Spielern erzählt, hat Sinn und Verstand, da kann man gut über andere Fehler hinwegsehen.

SZ: Was sind das für Fehler?

Schwenker: Ach, das soll man gar nicht verraten. Es ist bekannt, dass er manchmal ein Grantler ist. Auch mit der Presse spricht er nicht gern. Er will einfach mit der Mannschaft arbeiten, und mit allem anderen soll man ihn in Ruhe lassen. Da geht er lieber mal angeln.

SZ: Erstaunlich ist, dass ein Spieler wie Christian Zeitz, der als schwierig gilt, in der Nationalmannschaft Probleme hat, in Kiel mit Serdarusic aber nicht.

Schwenker: Viele haben, als wir Zeitz geholt haben, gesagt: Das geht nicht gut, nicht mit dem harten Serdarusic. Aber das klappt exzellent, das geht so weit, dass ich von Zeitz eine SMS bekomme, in der steht: Ich habe keine Freunde, ich habe nur einen Trainer.

SZ: Sie sind mal wieder Titelfavorit, aber ist nicht Ihr heimliches Ziel der Gewinn der Champions League?

Schwenker: Es stünde uns gut zu Gesicht, die mal zu gewinnen. Wir haben jedoch keine genaue Zielvorgabe, sondern wir sagen: Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Anders geht es gar nicht, wenn bei uns 10000 Leute in der Halle sitzen.

SZ: Das klingt so selbstbewusst wie beim FC Bayern, mit dem der THW im Handball verglichen wird.

Schwenker: Das leitet sich vielleicht daher ab, dass ich, wenn ich in Rage gerate, die gleiche rote Gesichtsfarbe wie der Kollege Uli Hoeneß bekomme, und daher, dass wir wirtschaftlich sauber arbeiten und erfolgreich sind. Ansonsten: Fußball und Handball kann man nicht vergleichen, das ist schon mehr als eine Null, die hinten an den Beträgen fehlt.

SZ: Immerhin polarisiert der THW im Handball wie der FC Bayern im Fußball.

Schwenker: Das schon, aber zum FCHollywood werden wir es nicht bringen. Kiel ist nicht dazu angetan, Heimat eines FC Hollywood zu sein. Da gibt es nur eine Tageszeitung, und die Bild-Zeitung macht manchmal mit Ach und Krach einen Vierzeiler, das ist es dann aber auch. Da oben lebt man auf seiner kleinen Insel, trinkt ein Käffchen, lässt sich vollregnen und freut sich, wenn der THW am Wochenende spielt.

© SZ vom 30.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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