Handball im Fußballstadion:Rekord auf königsblauen Sitzen

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Lemgo unterliegt Kiel, erreicht aber eine neue Bestmarke im Handball: 30 925 Zuschauer.

Von Ulrich Hartmann

So euphorisch hat Gerald Asamoah die Stimmung im Schalker Fußballtempel zuletzt nicht mehr oft erlebt: Ballsport in der Arena, und alle paar Sekunden springen die elektrisierten Zuschauer von ihren Stühlen hoch.

Dreizigtausendneunhundertundfünfundzwanzig Zuschauer. (Foto: Foto: dpa)

Der Schalker Fußballstürmer war am Sonntag einer von 30.925 Zeugen eines Handballspiels mit Rekordkulisse. Der TBV Lemgo traf in Gelsenkirchen auf den THW Kiel, und weil da gleich im ersten Saisonspiel zwei Titelkandidaten mit insgesamt neun olympischen Silbermedaillengewinnern von Athen gegeneinander spielten, riss es die Zuschauer in hoher Frequenz von den königsblauen Plastiksitzen.

Kein außergewöhliches Spiel, auch wenn es so klang

Asamoah selbst blieb eher gelassen. Er hatte beim 31:26 (16: 12)-Sieg der Kieler sowieso keine Präferenzen im Spiel gehabt. Für die Handball-Bundesliga, die in der neuen Saison bis zu 1,4 Millionen Zuschauer anstrebt, war es ein gelungener Einstand in die 28. Spielzeit. Ein Eröffnungsspiel für den Meister Flensburg-Handewitt gab es nicht, und so zogen am ersten Spieltag die Meister der Vorjahre, Lemgo (2003) und Kiel (2002), die Aufmerksamkeit auf sich.

Es war gar kein außergewöhnlich spektakuläres Spiel, und doch wirkten die akustisch untermalten Aktionen in der genau zur Hälfte gefüllten Arena deutlich aufregender als sie das in der kleinen Lemgoer Lipperlandhalle getan hätten. Vielleicht auch deshalb taten sich die Lemgoer schwer und lagen zur Pause mit vier Toren hinten. Kurz nach derselben kamen sie noch einmal auf 16:18 heran, doch richtig spannend konnten sie es nicht mehr machen.

Der Ausgang war aber irgendwie nebensächlich. Der deutsche Bundesliga-Handball hat einen neuen vorläufigen Höhepunkt auf seiner Jagd nach spektakulären Zuschauer-Ereignissen erreicht. Die fast 31.000 Zuschauer haben den bisherigen Rekord von 19.154 Besuchern beim Spiel zwischen Gummersbach und Magdeburg im vergangenen Februar in der Kölnarena deutlich überboten.

Eigentlich hätten die Gummersbacher ihren Rekord durch das zusätzliche Schaffen von Stehplätzen in Köln sukzessive erhöhen wollen, doch da haben ihnen die Lemgoer einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nachdem die Ostwestfalen im Mai im Tennisstadion von Halle/Westfalen vor 11.000 Zuschauern erstmals den Schritt zum Massenevent gewagt hatten, werden sie sich nun überlegen müssen, ob sich dieser Trend überhaupt noch steigern lässt.

Träume von 2007

Beim Deutschen Handball-Bund immerhin träumt man bereits vom WM-Endspiel 2007 in Gelsenkirchen und von mehr als 45 000 Zuschauern. Die Schalker würden da gerne mitspielen. Sie müssen ihre Arena mit mehr als Fußball beschäftigen, damit sie sich rentiert.

Für den TBV Lemgo lohnt sich der Ausflug laut Manager Fynn Holpert, seit das 20.000. Ticket im Vorverkauf veräußert war. Um Handball in der riesigen Arena zu einem für alle Besucher erfahrbaren Erlebnis zu machen, war das Spielfeld quer auf die südliche Hälfte des Fußballfelds gelegt und nördlich von einer mobilen Tribüne begrenzt worden, auf der allein jene 3700 Zuschauer Platz fanden, die sonst in der Lemgoer Lipperlandhalle für ausverkaufte Heimspiele sorgen.

Knapp 10.000 Zuschauer aus der ostwestfälischen Heimat, 4000 aus Kiel und etliche mehr aus ganz Deutschland sorgten in der Arena für eine Stimmung, wie sie sonst nur beim Fußball herrscht.

"Ein echtes Heimspiel ist das aber nicht für die Lemgoer", hatte Kiels Nationaltorhüter Henning Fritz schon vor dem Spiel hoffnungsvoll geäußert und für sich selbst den Vorteil ausgemacht, dass in solch einem Spiel die post-olympische Leere am wirkungsvollsten aus dem Kopf zu verbannen sei. Der deutsche Olympia-Held von Athen sollte Recht behalten.

Während sich die Kieler von der Kulisse unbeeindruckt zeigten, hatten die Lemgoer Probleme im Rückraum und scheiterten vor allem immer wieder am Kieler Torhüter. Sollte Henning Fritz nun Geschmack gefunden haben an Auftritten vor einer solchen Kulisse, müssten sich die Kieler etwas einfallen lassen. In deren Ostseehalle passen gerade mal 10.250 Zuschauer.

© SZ vom 13.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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