Handball-EM der Frauen:Furioser Auftakt

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Emily Bölk und die deutsche Handball-Nationalmannschaft feierten in Brest ein großartiges Debüt. (Foto: Fred Tanneau/afp)

Die deutschen Handballfrauen besiegen Titelverteidiger Norwegen nach einem lange ausgeglichenen Krimi. Die Skandinavier waren zuvor bei Europameisterschaften jahrelang ungeschlagen gebleiben.

Von Ulrich Hartmann, Brest/München

Am Sonntag waren Henk Groener und Emily Bölk ins Rathaus der französischen Stadt Brest eingeladen. Leider durften sie sich dort nicht ins Goldene Buch eintragen, dazu sind unverständlicherweise noch größere Heldentaten erforderlich. Die beiden Repräsentanten jenes deutschen Teams, dem zum EM-Auftakt ein überraschender 33:32-Sieg gegen Titelverteidiger Norwegen gelungen ist, waren dort Gäste bei einem Empfang der Europäischen Handballföderation. Den Pflichttermin konnten der Bundestrainer und seine beste Rückraumspielerin aber trefflich genießen mit dem Wissen um einen überragenden Auftritt am Vortag.

Zehn Siege in zehn EM-Spielen nacheinander hatten die Norwegerinnen als Europameisterinnen 2014 und 2016 (sowie Weltmeisterinnen 2015) zuletzt hingelegt, als sie nun auf jenes deutsche Team trafen, das in den vergangenen Jahren bei Turnieren mit ihren Nerven meist auch die relevanten Spiele verloren hatte. Was diese halberneuerte Equipe unter dem neuen Bundestrainer Groener dann aber ablieferte, war erstens ziemlich unglaublich und zweitens genau das, worauf man beim Deutschen Handball-Bund seit vielen Jahren wartet. Mit einem weiteren Sieg an diesem Montag gegen Rumänien (18 Uhr, Eurosport) könnte man nicht nur den Einzug in die Zwischenrunde perfekt machen, sondern womöglich auch die Maximalausbeute von vier mitzunehmenden Punkten.

23 Sekunden vor dem Ende eines ausgeglichenen und spannenden Auftaktspiels in Brest hat die 20-jährige Bölk vom Thüringer HC das Tor zum 33:32 erzielt, und neun Sekunden vor dem Ende parierte die Torhüterin Isabell Roch vom TuS Metzingen den letzten Wurf der Norwegerinnen. Als die Schlusssirene schrie, hüpften die deutschen Handballerinnen im Kreis, als hätten sie schon das Finale erreicht. Ein ganz kleines bisschen so fühlte sich dieser Triumph aber auch an. Mit neuem Trainer und sechs EM-Debütantinnen war das Team hoffnungsvoll, aber ohne übertriebene Erwartungen ins Turnier gestartet. Diese Druckentlastung half.

Bölk mit fünf Toren und 59:49 Minuten Einsatzzeit, Xenia Smits (vier Tore/50:37 Minuten) sowie Julia Behnke (vier/37:10) waren die Stützen. Groß auftrumpfen konnten zudem die Debütantinnen Roch und Ina Großmann. Letztere, 28-jährige Linksaußen vom Thüringer HC, stahl den Norwegerinnen zwei Minuten vor Schluss bei 31:31 den Ball und warf mit ihrem fünften Treffer im Gegenzug die Führung heraus, während Roch in ihrem 24-minütigen Auftritt fast ein Drittel aller norwegischen Würfe parierte.

Bölk, Smits, Behnke und Alicia Stolle bildeten im Zentrum der Abwehr zumeist auch jene Mauer, mit der sich die Norwegerinnen schwer taten. Nach geblockten Versuchen spielten die deutschen Frauen meist blitzschnell nach vorne. "Es hat Mega-Spaß gemacht", schwelgte Bölk, mit ihren 20 Jahren eine der jüngste Spielerinnen im 16er-Kader. Die Tochter der deutschen 1993er-Weltmeisterin Andrea Bölk saß nach dem Schluss lange auf der Bank und versuchte, das Ergebnis auf der Anzeigetafel zu begreifen. "So richtig fassen kann ich's noch nicht", sagte sie, "das hat niemand erwartet, aber zum Glück sind wir cool geblieben, als es eng wurde."

Und so war auch der Niederländer Groener, 58, am Ende begeistert. Das Team "hat unglaublich gekämpft und super gespielt", lobte er. "Wir haben es geschafft, Norwegens Tempospiel zu unterbinden und im Angriff Lösungen zu finden." In der Zwischenrunde in Nancy winkt ihm ein Wiedersehen mit jenen Niederländerinnen, die er 2015 ins WM- sowie 2016 ins EM-Finale geführt hatte.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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