Handball:Alles unter Kontrolle - trotz Niederlage

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Nach der Pleite gegen Ungarn war nun auch Frankreich eine Nummer zu groß für Heiner Brands Team - wirklich Probleme scheinen die deutschen Handballer allerdings nicht damit zu haben, dass sie nun als Gruppenzweite im Viertelfinale auf Spanien treffen.

Von Christian Zaschke

Nun hatten die deutschen Handballer gerade ihr letztes Vorrundenspiel im olympischen Turnier 22:27 (12:11) gegen Frankreich verloren, damit den Gruppensieg verpasst und die Chance, die Niederlage vom Freitag gegen Ungarn vergessen zu machen, doch die Handballer spazierten so entspannt vom Parkett im Sport-Pavillon zu Faliro, als hätten sie das Training beendet und freuten sich auf einen schönen Abend vor dem Fernseher - Olympia gucken.

Zweimal verloren - kein Grund zur Sorge für Stefan Kretzschmar: "Das haben wir uns so gewünscht", behauptet er einfach mal. Denn nun wartet die Olympia-Revanche gegen Spanien. (Foto: Foto: ddp)

Dass sie selbst mit dieser Veranstaltung etwas zu tun haben könnten, war ihnen nicht anzusehen. Einige grinsten beim Verlassen des Spielfeldes, manche gaben Interviews. Der Tenor lässt sich in etwa in den Worten von Kapitän Markus Baur zusammenfassen: "Jetzt geht das Turnier erst los." Maximal drei Spiele warten noch auf die DHB-Auswahl, das erste ist das Viertelfinale am Dienstag. Sollte das Team dieses Viertelfinale überstehen, wartet im Halbfinale nach allem, was bisher bei diesem Turnier zu sehen war, der Weltmeister aus Kroatien. Das ist der Preis, den die Deutschen dafür zahlen, dass sie nicht Gruppenerster geworden sind. Nicht, dass es irgendjemanden störte.

Zeit für taktische Spielchen

Zu Beginn der Partie hatte Bundestrainer Heiner Brand sogar Linksaußen Stefan Kretzschmar auf der Bank gelassen, statt seiner spielte Torsten Jansen. Der ist zwar auch ein hervorragender Linksaußen, aber in der Stammformation steht normalerweise Kretzschmar. Brand nutzte die Partie, um verschiedene taktische Varianten zu probieren.

Das hätte auch gut ausgehen können, denn es gab Phasen im Spiel, in denen die deutsche Mannschaft überlegen agierte und es verpasste, einen größeren Vorsprung herauszuwerfen, teils war es Pech bei Latten- und Pfostentreffern, teils war es Abschlussschwäche. Zur Halbzeit führten die Deutschen 12:11, im Grunde hatten sie die Begegnung im Griff. Es war, so wie das Spiel lief, nur ein Zufall, aber es war so: Mit Kretzschmar kam die Wende.

Routinierte Franzosen

In der 41. Minute erzielte er ein wunderschönes Tor, er fing den Ball in der Luft und warf im Flug, 16:15. In der gleichen Minute erzielte Daniel Narcisse den Ausgleich. Dann dies: Zwei-Minuten-Strafe gegen Frankreich in einer Phase des Spiels, da das Spiel sich neigen würde, allein in welche Richtung war noch nicht klar. In dieser Phase erzielten die Franzosen zwei Tore in Unterzahl, diesen Vorteil ließen sie sich nicht mehr nehmen.

Es ist ja nicht so, als könne man im Handball zwei Tore nicht mehr aufholen, aber die Franzosen hatten mit den beiden Treffern die Kontrolle gewonnen, und die Deutschen hatten das Interesse verloren, den Gegnern das Spiel wieder zu entwinden. Sie fügten sich in ihr Schicksal, spielten weiter mit und achteten darauf, dass der Rückstand nicht demütigend wurde. Dann tönte die Schlusssirene und sie spazierten vom Feld.

Kretzschmar, der selbst nach dem souveränen Sieg gegen Brasilien noch über Abstimmungsprobleme geschimpft hatte, sagte jetzt ganz locker: "Wir sind im Viertelfinale, nur das zählt. Jetzt kommt am Dienstag das Spiel des Jahres, das Spiel unseres Lebens. Da müssen wir zu unserer Aggressivität in der Abwehr zurückfinden. Dann ist wieder alles möglich." Es war erstaunlich, ein Team zu sehen, das innerhalb von 48 Stunden zweimal verloren hatte, und das nach außen vermittelte, dass ihm das vollkommen egal sei.

Kretzschmar behauptete gar: "Das haben wir uns so gewünscht", womit er wohl auf den Viertelfinalgegner Spanien anspielte. In Sydney sind die Deutschen im Viertelfinale an Spanien gescheitert, seitdem hat Kretzschmar eine Rechnung offen.

Auch Heiner Brand ist ein Spezialist darin, nach Siegen zu erläutern, wo es noch nicht so gut geklappt habe, das macht er auch nach wirklich hohen Siegen. Nach der gar nicht mal so knappen Niederlage gegen Frankreich sagte er: "Och, mit der Leistung bin ich gar nicht mal so unzufrieden. Wir haben doch 45 Minuten ganz gut mitgehalten." So spricht man nach Testspielen. Frankreichs Trainer Claude Onesta nahm den Sieg auch nicht sonderlich ernst und prophezeite: "Wir sehen uns noch einmal wieder." Das wäre dann kein Testspiel, sondern das Finale.

© SZ vom 23.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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