Haas und Hamburg:Frustriert und blass um die Nase

Lesezeit: 3 min

Herber Rückschlag für das Rothenbaum-Turnier: Haas verabschiedet sich als letzter Davis-Cup-Spieler.

Von Jörg Marwedel

Viele Menschen benutzen gern eine bildhafte Sprache, um Erlittenes zu beschreiben. Tommy Haas, 26, etwa hat dieser Tage mitgeteilt, er sei "durch die Hölle gegangen" während der eineinhalbjährigen Pause nach einer Schulterverletzung.

Wiedergeburt mit Tücken: Am Mittwoch musste Haas das im Achtelfinal-Duell mit dem Australier Lleyton Hewitt erfahren. (Foto: Foto: dpa)

Das bedeutete: Unerträgliche Schmerzen, Zweifel, und sehr heiß war es zuletzt auch: In Rom entkam er vor zwei Wochen bei einem Hotelbrand nur knapp den Flammen, wobei ihm "die Luft zum Atmen knapp wurde". Nun sollte der Hölle die "Wiedergeburt" folgen.

Geburten sind manchmal schmerzhaft

Im Tennis meint man damit ein grandioses Comeback. Es gab dafür durchaus Anhaltspunkte. Haas meldete sich erfolgreich im Davis-Cup-Team zurück, besiegte im Finale von Houston den Weltranglistenzweiten Andy Roddick, und zum Auftakt des Masters in Hamburg benötigte er nur 23 Minuten gegen Vincent Spadea, der verletzt aufgab.

Doch wie es so ist mit Geburten: Sie sind manchmal schmerzhaft und von Komplikationen begleitet. Am Mittwoch hat Haas das im Achtelfinal-Duell mit dem Australier Lleyton Hewitt erfahren müssen.

4:6, 5:7 hieß es am Ende nach einem Spiel, in dem Haas den ehemaligen Weltranglistenersten trotz einer 5:1-Führung im zweiten Satz, neun Satzbällen und der gemessen an den kühlen Temperaturen fast heißblütigen Unterstützung durch das Publikum nicht zu bezwingen vermochte.

Dem von Chairman Boris Becker als "Publikumsliebling" geadelten Profi, der laut Becker seit dem Ende der erzwungenen Abstinenz "vor Leidenschaft brennt", war nach einem sechswöchigen Turniermarathon und einer fiebrigen Erkältung die Luft ausgegangen. Schon während des ersten Satzes hatte Vater Peter Haas diagnostiziert: "Seine Augen sagen mir, dass er sich fertig fühlt." Später sagte Becker: "Tommy ist noch nicht ganz der Alte.

Er braucht mehr Zeit." Haas selbst, blass um die Nase, hat dagegen wenig Geduld. Er haderte mit den vergebenen Chancen und vor allem mit einer Maßnahme, die ihm kein Glück brachte: "Ich habe bei 5:1 den Schläger gewechselt. Danach habe ich kein Spiel mehr gewonnen."

Das einzige Männer-Masters in Deutschland kämpft ums Überleben

Die sportlichen Folgen dieses unglücklichen Kampfes sind schlecht für das Turnier in Haas' Heimatstadt Hamburg. Das einzige Männer-Masters in Deutschland kämpft ums Überleben - oder ebenfalls um eine Art Wiedergeburt.

Und Haas ist nach Rainer Schüttler, Nicolas Kiefer und Lars Burgsmüller (er unterlag am Mittwoch in der zweiten Runde dem Russen Michail Juschni 5:7, 5:7) schon der vierte Deutsche, der nicht mehr dabei ist. Lediglich Florian Mayer befindet sich noch im Turnier. Der 20-Jährige aus Bayreuth zog durch ein 6:3, 6:4 gegen Albert Portas ins Achtelfinale ein.

Für den Rothenbaum bedeutet das frühe Aus von Haas und Co. den Gau. Chairman Becker hatte darauf hingewiesen, man brauche "erfolgreiche deutsche Spieler, am liebsten bis ins Halbfinale". Schon die Zuschauerzahlen bei der Übertragung des Haas-Matches gegen Spadea waren erschütternd: 30000 im Regionalprogramm, das entspricht einem Marktanteil von zwei Prozent.

Die Ausgeschiedenen gingen ziemlich unterschiedlich mit ihrer Verantwortung um, die ihnen Becker aufgebürdet hatte - jedenfalls verbal. "Es ist nicht meine Aufgabe, das Turnier zu retten", erklärte Schüttler kühl nach der Niederlage gegen seinen Kumpel Lars Burgsmüller (4:6, 7:6, 4:6) am Dienstag.

Mindestens 600.000 Euro werden fehlen

Kiefer indes gab sich sorgenvoll und sagte: "Es wäre das Schlimmste, was passieren könnte, wenn es das Turnier nicht mehr gibt. Ich habe Turnierdirektor Walter Knapper zugesagt, dass ich alles tue, was ich tun kann." Leider ist das nun nicht mehr viel, nachdem sich Kiefer, ebenfalls am Dienstag, mit 4:6, 7:6, 2:6 gegen den Russen Michail Juschni verabschiedet hat. Und Haas? Der sprach davon, "sehr frustriert" zu sein und schaute dabei so betrübt, als dürfe er nun nie wieder nach Hamburg kommen.

Eine solche Furcht ist zumindest unter beruflichem Aspekt nicht ganz unberechtigt. Für den Deutschen Tennis Bund (DTB) wird die Lage nun noch prekärer. Mindestens 600.000 Euro werden am Ende des diesjährigen Turniers fehlen.

Um auch 2005 spielen zu können, müssen bis Ende Juni rund eine Million Euro aufgetrieben werden, die DTB-Präsident Georg von Waldenfels in einem Brief an den Hamburger Senat angemahnt hat, was im Rathaus bei aller Sympathie für das Traditionsturnier nicht sehr gut ankam. Die Pläne, das Turnier mit dem Bau eines neuen Tennisstadions im Volkspark zu retten, könnten sich als Makulatur erweisen, bevor sie überhaupt Gestalt annehmen.

© SZ vom 13. Mai 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: