Großer Preis von Brasilien:Sehnsucht nach Senna

Lesezeit: 2 min

In Sao Paulo schauen erstmals seit 1969 nicht nur die einheimischen Fans zu, sondern auch die Rennfahrer. Kein Brasilianer hat es 2018 in die Formel 1 geschafft - der Mangel an guten Piloten setzt den Fans zu.

Von Elmar Brümmer

Geschichten aus dem Gastgeberland beim Großen Preis von Brasilien zu erzählen, fällt nicht gerade leicht. Jedenfalls, wenn es um Rennfahrer-Stories geht. Erstmals seit 1969 ist diesmal kein brasilianischer Pilot mehr in der Formel 1 am Start. Weshalb mal wieder die Angst vor den Straßenräubern im Umfeld des in die Jahre gekommenen Autodromo Carlos Pace als "typisch" für das Rennen in Sao Paulo herhalten muss.

Tatsächlich ist die Wehmut groß bei einer Nation, die in der Länderwertung der Weltmeister nach Großbritannien (18) und Deutschland (zwölf) mit acht Titeln auf Rang drei liegt. Ayrton Senna, Nelson Piquet und Emerson Fittipaldi, das sind Persönlichkeiten, die weit über ihr Heimatland hinaus verehrt werden, immer noch.

Brasilianische Sehnsuchtsfigur: der im Jahr 1996 verunglückte Formel-1 Pilot Ayrton Senna (Archivbild). (Foto: REUTERS)

Das Nachfolge-Personal im neuen Jahrtausend spielte zwar auch gelegentlich eine Rolle bei der Titelvergabe, aber selten eine ruhmreiche. Rubens Barrichello, als Kollege von Michael Schumacher bei Ferrari tätig, durfte im Sog des Kerpeners zwei Mal WM-Platz zwei feiern, seine Berühmtheit aber rührte von den Demütigungen per Stallorder her. In einer Fernseh-Comedy wurde Rubinho als "Eselchen in Badeschlappen" vorgeführt. Immerhin, mit 323 Rennen hält der heute 46-Jährige noch den Ausdauerrekord in der Königsklasse.

Massa war der wohl netteste Pilot - und tragischste Verlierer

Felipe Massa erging es bei Ferrari grundsätzlich besser. Der vermutlich netteste Pilot des Fahrerlagers war von Schumacher protegiert worden, und führte in der Saison 2008 bis zur letzten Kurve des letzten Rennens in der Weltmeisterschaft. Als er die Ziellinie kreuzte, hatte Brasilien einen neuen PS-Helden, gekürt auch noch auf der Berg- und Talbahn von Interlagos, in deren Nähe Massa aufgewachsen war. Doch in ihrem nationalen Freudentaumel hatten die Gastgeber zunächst glatt übersehen, dass Lewis Hamilton, der an diesem Sonntag von der Pole-Position startet, auf der Anfahrt zu Start und Ziel doch noch den Hessen Timo Glock überholt hatte, der fünfte Platz reichte dem Briten zum Triumph - Massa fehlte ein Pünktchen. Von dieser Demütigung erholte er sich nie mehr, bei Ferrari wurde ihm alsbald Fernando Alonso vor die Nase gesetzt, bis Ende des vergangenen Jahres fristete er ein Gnadendasein bei Williams - auch deshalb, weil der Fernsehsender GloboTV dringend irgendein Zugpferd brauchte.

Felipe Massa, hier bei einer Formel-1-Werbeveranstaltung in Rio Anfang November. Der frühere F-1-Pilot startet inzwischen in der Formel E. (Foto: Mauro Primentel/AFP)

Massa, der sich nach dem nicht so freiwilligen Abschied der Förderung des Kartsports gewidmet hat, wird im Dezember mit 37 Jahren sein Comeback als Rennfahrer geben - in der Alternativ-Rennserie Formel E. Tapfer spricht er von der Zukunft. Für die brasilianischen Fans durfte er im Vorprogramm zum vorletzten WM-Lauf am Samstag auf den Straßen von Rio de Janeiro ein paar Showrunden mit seinem alten Formel-1-Dienstwagen drehen. Er sagt, nicht nur in eigener Sache: "Es ist schade, dass derzeit kein Brasilianer mitfährt."

Italien hat wieder einen Stammfahrer, Brasilien Testfahrer

Ähnlich wie in Italien, das im kommenden Jahr nach sieben Jahren Abstinenz endlich wieder einen heimischen Stammfahrer melden kann, ist ein eigener Fahrer auch für die Brasilianer eine Frage der Ehre. Immerhin gibt es gleich zwei in Sao Paulo verkündete Personalentscheidungen, die so etwas wie Hoffnung aufkeimen lassen. Der 20 Jahre alte Formel-2-Pilot Sérgio Sette Câmara aus Belo Horizonte wird künftig Test- und Ersatzfahrer beim strauchelnden McLaren-Rennstall, der mit Senna seine großen Triumphe gefeiert hatte. Den gleichen Job, nur beim nordamerikanischen Haas-Team, bekommt Pietro Fittipaldi, 22, der Enkel des zweimaligen Formel-1-Champions.

Aber Reserve, das ist auch kein Dauerzustand. Das Bild, das Weltmeister Lewis Hamilton an einer Wand lehnend zeigt, auf der überlebensgroß ein Konterfei seines Idols Ayrton Senna prangt, trägt den simplen Hashtag #onelove. Dieser bezeichnet nicht nur die einzigartige Liebe des Briten.

© SZ vom 11.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: