Grand Prix in Singapur:Jäger im Großstadt-Dschungel

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Auf Abstand halten: Eine halbe Sekunde Vorsprung hat Nico Rosberg auf den ersten Fahrer, der nicht im Mercedes sitzt - auf Daniel Ricciardo. (Foto: Jeremy Lee/Reuters)

An Mercedes kommt auch in Singapur, wo die Chancen dafür so gut sind wie sonst nie, kein Team vorbei - Nico Rosberg holt sich die Pole-Position und bringt Lewis Hamilton damit weiter unter Druck.

Von Elmar Brümmer

Es ist das brutalste Rennen der Saison, für Mensch wie Maschine. Zwei Stunden Sauna-Temperaturen, ein unebener Asphalt, der die Funken unter den Rennwagen stieben lässt, eine wilde Jagd im Großstadt-Dschungel, eng eingezäunt und mit viel zu kurzen Geraden, um Luft zu holen. Pausenlos bremsen, schalten, Gasgeben in enorm hoher Taktung. Doch der Große Preis von Singapur, die Heimat aller Nachtrennen in der Formel 1, ist trotzdem ein WM-Lauf, den die Piloten lieben. Vielleicht auch deshalb, weil auf dem Marina Bay Street Circuit die Chance am größten ist, Mercedes zu schlagen.

Dennoch ging die Qualifikation unter Vollmond so souverän an Nico Rosberg, wie sich das ein Rennfahrer nur wünschen kann. Am Ende hatte der Wiesbadener mehr als eine halbe Sekunde Vorsprung auf Daniel Ricciardo von Red Bull Racing, und über sieben Hunderstel auf seinen Teamkollegen Lewis Hamilton und Max Verstappen im zweiten Red Bull, den einzigen Piloten, der in diesem Jahr die Serie der Siegerpfeile in Barcelona unterbrechen konnte. Auf eine schnelle Runde aber ist die Dominanz des Championteams, die in der perfekten Balance des Autos und vielen einzelnen technischen Stärken liegt, dramatisch: In 50 der letzten 53 Rennen ging die Pole-Position an Mercedes.

Rosberg zieht in Singapur mit Fangio gleich

Für Nico Rosberg ist es die 29. Samstagsbestzeit seiner Karriere, damit hat er in der ewigen Bestenliste mit dem großen Juan-Manuel Fangio gleichgezogen. "Es war eine der drei besten Runden meiner Karriere", sagt der 31-Jährige. Niki Lauda bescheinigte sogar eine "Wunderrunde". Wird der 15. WM-Lauf auch zur Wende im Titelrennen? Der Große Preis von Singapur ist so etwas wie die Gewissensprüfung für Nico Rosberg, denn er konnte bisher nur von Weltmeistern gewonnen werden - Sebastian Vettel, Fernando Alonso und Lewis Hamilton. Vor dem Start des Rennens am Sonntag (14 Uhr) liegt Rosberg nur noch zwei Pünktchen hinter seinem britischen Widersacher in der Gesamtwertung zurück.

Rosberg hat die letzten beiden Rennen nach der Sommerpause für sich entscheiden können, jeweils auf Pisten, auf denen er zuvor noch nie erfolgreich war. In jedem Fall wird das Gastspiel in Singapur ein einschneidendes Ereignis in seiner Laufbahn sein - es ist Rosbergs 200. Formel-1-Rennen. Damit überholt er den vierfachen Weltmeister Alain Prost und liegt auf Rang 16 der ewigen Ausdauer-Liste. Zum Vergleich: Rivale Hamilton hat bisher 181 Rennen bestritten, kommt aber auf drei Titel und ein Siegverhältnis von 49:21.

Die Überraschung, die Ferrari sich erhofft hatte, blieb aus

Beim Gastspiel in Südostasien ist Statistik auch sonst wichtig - in acht Rennen rückte jedes Mal das Safety Car aus, und blieb nie unter vier Runden draußen. Damit ist nicht nur der Start entscheidend, der nach dem veränderten Prozedere die Achillesferse bei Mercedes ist. Über die 61 kräftezehrenden Fünf-Kilometer-Runden spielen Strategie und Glück eine große Rolle. Darauf lauern natürlich die Angreifer von Red Bull, die zudem eine komplett unterschiedliche Reifenwahl getroffen haben. "Etwas anders zu machen, ist unsere einzige Chance, Mercedes zu schlagen", sagt Teamchef Christian Horner. Ob Lewis Hamilton den Frust seiner bisherigen Leistungen in produktive Energie umwandeln kann, bleibt abzuwarten. "Das ist nicht mein Wochenende bisher, es läuft nichts zusammen. Nico macht einen guten Job. Daran sieht man, wie gut das Auto ist." Vorsichtshalber hat er in seine playlist Lieder für alle Fälle geladen: "The Greatest" und "No sense".

Die Überraschung, die Ferrari sich erhofft hatte, blieb einmal mehr aus. Kimi Räikkönen kam auf den fünften Rang, für Sebastian Vettel hingegen war schon nach dem ersten Qualifikationsabschnitt Schluss. "Irgendwas vorn war gebrochen, ich bin dann nur auf drei Rädern rumgefahren", haderte der Heppenheimer, der damit das Schlusslicht bildet, "das ist bitter." Hinzu kommt ein Disput mit dem Kommandostand. Vettel wollte sofort zur Reparatur an die Box, doch die Strategen ließen ihn draußen. "Das ist dumm. Wir verlieren Zeit", funkte er wütend zurück. Ein Ausdruck dessen, dass im italienischen Rennstall derzeit viel im Argen liegt. Im vergangenen Jahr hatte sich Mercedes bei Reifen und Fahrzeugabstimmung noch komplett vertan und in Singapur ein desillusionierendes Wochenende erlebt. "Das wir jetzt hier vorn stehen", sagt Nico Rosberg, "zeigt die Qualität unseres Teams."

© SZ vom 18.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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