golf training:Im Angesicht der Tiger

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Anfänger Rabbit bestreitet das erste Turnier seines Lebens. Er stellt fest: Noch schwieriger als das Spielen ist das Zählen.

Es soll ja schon eine deutsche Kanzlerkandidatin gegeben haben, die Brutto mit Netto verwechselte. Mitten im Wahlkampf. Rabbit will nun nicht Kanzler werden, aber doch ein ziemlich guter Golfspieler, auf seine alten Tage. Und deshalb will er eines fernen Tages Brutto gleich Netto spielen. Handicap 0. Ein lächerliches Ziel, für einen Mann Mitte vierzig mit mittelschwer lädierter Bandscheibe? Na und. Wenn schon Scheitern, dann auf hohem Niveau.

(Foto: Illustration: Georg Berg)

Vielen Dank der Nachfrage übrigens: Die Platzreifeprüfung hat Herr Hase, der - weil's cooler klingt - als Robert Rabbit vor ein paar Monaten seine Golfkarriere begonnen hat, mit Glanz und Gloria bestanden. Er ist, man darf das offen aussprechen: ein Prüfungs- und Wettkampftyp. Zumindest versucht er sich das einzureden, denn irgendwo muss man ja mit dem Machismo anfangen. Erst mit der Scorekarte in der Hand fühlt sich der Mann, also Rabbit, als richtiger Golfer.

Schon gut, er kennt die Einwände, seine Freunde haben ihn eindringlich ermahnt: Auf deutschen Golfplätzen wimmelt es von blutigen Anfängern und grottenschlechten Spielern, die meinen, nur im Wettkampf würden sie das Spiel lernen. Und man solle doch lieber weiterhin Stunde um Stunde auf der Driving Range verbringen, um sich das Spiel zu erarbeiten, statt mit einer Clubvorgabe irgendwo zwischen 54 und 37 auf dem Platz herumzuturnen - und anderen Leuten auf den Geist zu gehen.

Mag ja alles richtig sein. Aber Rabbit hat sein Leben lang Sport weniger wegen der Perfektion als vielmehr wegen des Wettkampfes betrieben. Und deshalb interessiert er sich seit der Platzreife-Prüfung vorwiegend für Handicap 45, die so genannte Turnierreife für viele Clubs. Damit wird er bei Turnieren wie ein Spieler mit Handicap 36 bewertet.

Das alles ist sehr kompliziert mit diesem Handicap. Rabbit hat sich das heute Morgen noch einmal überlegt, als er seine Sachen für das erste Golfturnier seines Lebens packte. Wieso soll einer, der gut spielt, bestraft werden? Was ist das für eine Art von Gerechtigkeit? Ist das nicht, als würde man den MSV Duisburg mit einer 2:0-Führung in ein Spiel gegen den FC Bayern schicken? Aber Rabbit hat sich von dem Gedanken schnell wieder verabschiedet. Er musste sich ja konzentrieren. Das erste Turnier seines Lebens: Bloß keine Fehler machen, so ein Turniereinsatz will genau geplant sein.

Keinesfalls zu spät kommen, das macht ganz schlechten Eindruck. Und es muss noch Zeit fürs Warmspielen bleiben. Rabbit hat sich das so erklären lassen: Das Warmspielen mit dem Wedge beginnen, dann immer niedrigere Schläger nehmen, am Ende die Hölzer, den Putter und den Driver. Unter uns: Den Driver, sofern man einen hat, sollte man als Anfänger lieber zu Hause lassen - höchste Gefahr für Leib und Leben. So entgeht man bestimmt auch der eher geringen Gefahr, mehr als 14 Schläger in die Tasche zu stecken (sonst gibt es Strafen - Regel 4-4!). Rabbit hätte ohnehin keine Lust, 14 Schläger mit sich herum zu schleppen. Wichtiger ist wohl, sich mit ausreichend Bällen einzudecken. Auch Regensachen hat Rabbit eingepackt, das ist ja noch so ein Spruch, den er sich gemerkt hat: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung. Die Vorträge über Energie-Riegel und -Drinks hat er dagegen vergessen. Er hat Wasser und Wurstsemmel dabei.

Rabbit hat nun alles vorschriftsmäßig hinter sich gebracht. Er hat sich im Clubbüro angemeldet und die Turniergebühr bezahlt. Er hat die Scorekarte abgeholt, sich im Flight artig vorgestellt und mit einem Flightpartner wie vorher festgelegt die Scorekarte getauscht. Der Herr sah sehr vertrauenswürdig aus, aber dennoch will Rabbit den Rat eines Freundes beherzigen und auch den eigenen Score mitschreiben. Vertrauen ist gut, Kontrolle noch besser.

Rabbit nimmt sich vor, zunächst einmal einen guten Eindruck zu machen: Nettigkeiten verbreiten, zügig spielen - und den Ball schnell aufheben, wenn er keinen Punkt mehr machen kann. Man spielt Stableford und Rabbit ist Mister Stableford sehr dankbar, dass er Mrs. Stableford zuliebe dieses Punktesystem erfunden hat: Wer keinen Punkt am gespielten Loch mehr machen kann, kann den Ball aufheben. Kann. Tatsächlich heben - Rabbit hat das schon erkundet - die wenigsten den Ball wirklich auf. Sie spielen weiter. Und weiter. Und schieben noch einen Putt vorbei. Und alle lächeln tapfer. Und sind genervt. Und denken: Wenn ich so viel Zeit auf dem Golfplatz verbringe, hätte ich gleich Greenkeeper werden können.

Es ist ja so: Rabbit kann nach Stableford an einem Par vier noch mit acht Schlägen punkten. Acht Schläge. Das zieht sich. Und ist anstrengend. Es muss ja auch jeder Schlag gezählt werden. Der Mitspieler muss für Rabbit zählen. Rabbit muss für den Mitspieler zählen. Und seine eigenen Schläge auch zählen. Stress. Bloß keinen Fehler machen. Es droht Disqualifikation. Rabbit hat sich deshalb für sein erstes Turnier noch schnell ein kleines Zählwerk besorgt. Das trägt er nun an der Hose. Und konzentriert sich jetzt verbissen darauf, keinesfalls das Betätigen des Zählwerks zu vergessen.

Natürlich spielt Rabbit als erstes ein Tiger- und-Rabbit-Turnier , um sich sein erstes Handicap zu erspielen. Tiger, so nennt man die Fortgeschrittenen, die Asse, von denen sich Rabbit nun umzingelt fühlt. Sein Mut ist nun stark gesunken vor dem ersten Turnierabschlag seines Lebens - im Angesicht all dieser Tiger. Aber er beruhigt sich: Jeder dieser Tiger war früher auch einmal - ein Hase.

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