golf training:Chippen für das Abitur

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Golf soll die Schule erobern: Ein hoffnungsvolles Projekt. Es könnte auch der deutschen Profiszene zugute kommen.

Ronny Blaschke

Ein Sommertag in Spandau, im Westen Berlins. Die Sonne hat freie Bahn, keine Wolke trübt den Himmel. Auf dem Gelände des Golfclubs Gatow herrscht an diesem Vormittag wenig Betrieb. Nichts ist zu hören vom urbanen Gebrumm der Hauptstadt. Am Rande der Driving Range steht Michelle Holzwarth, sie wischt sich den Schweiß von der Stirn und blickt auf das weite Feld. Um sie herum hat sich ein Halbkreis gebildet. Zehn Jugendliche lauschen ihren Worten. Michelle Holzwarth ist Teenager, gerade mal 17 Jahre alt. Sie könnte Anfängerin sein und den Golfschläger wie einen Staubsauger bearbeiten. Doch das würde ihr niemals in den Sinn kommen. Sie ist erstaunlich weit für ihr Alter: Handicap 2,4.Weil sie fast jede Minute auf dem Golfplatz verbringt. Vor der Schulzeit, nach der Schulzeit - und neuerdings auch während der Schulzeit.

(Foto: Foto: Photodisc)

Michelle Holzwarth ist eine Art Jungpionierin. Die Berlinerin personifiziert den juvenilen Aufschwung einer Sportart, die in der öffentlichen Wahrnehmung lange Zeit als veraltet und eingefahren galt. "Golf ist kein Altherrensport", sagt die Titelsammlerin. Deutlich wird das nicht nur in Berlin-Spandau, wo etwa 20 Schüler des Hans-Carossa-Gymnasiums ihre Projektwoche auf dem Golfplatz abhalten, spürbar ist dieser Trend in ganz Deutschland. Golf erwächst zum Breitensport, und mit diesem Trend entstehen neue Plattformen. Pitchen und Chippen, eingebettet zwischen Mathematik und Geografie? Das ist keine Utopie mehr, sondern Normalität, sowohl in Universitäten als auch in Schulen. In Spandau hatten sich mehr als 100 Schüler um eine Teilnahme an der Projektwoche bemüht, zu viele für den Kurs und Ratgeberin Michelle Holzwarth.

25.000 Kinder an 1.300 Schulen nehmen am Projekt "Abschlag Schule" teil.

Das sind angenehme Verhältnisse, die vor sechs Jahren noch undenkbar waren. Damals rief die Vereinigung clubfreier Golfspieler (VcG) das Projekt "Abschlag Schule" ins Leben. Mit dem Ziel, das Profil vor allem in den neuen Bundesländern zu schärfen. So wurden in vielen Schulen Deutschlands freiwillige Arbeitsgemeinschaften gegründet. Finanzielle Unterstützung leistete die VcG. Schließlich mussten der Transport der Schüler zu den Golfplätzen sowie Schläger und Bälle bezahlt werden.

Am Anfang war die VcG über jeden Interessenten froh. Die Organisatoren brauchten eine Weile, um das Informationsloch zu füllen."Mittlerweile ist das Konzept sehr nachhaltig geworden", sagt Jörg Krebs, Projektleiter "Abschlag Schule" bei der VcG. Mehr als 25.000 Schüler an 1.300 Schulen haben in Deutschland inzwischen an diesem Projekt teilgenommen, im Jahr 2005 werden es allein 7.000 an 400 Schulen sein. Rund vier Millionen Euro hat die VcG dafür ausgegeben.

Für Peter Erler sind diese Zahlen keine Überraschung. Er ist Sport- und Mathematik-Lehrer am Hans-Carossa-Gymnasium und betreut die Projektgruppe in Spandau. Für ihn ist die Verjüngung des Golfsports eine Frage der Zeit gewesen. Er selbst war skeptisch, als er von "Abschlag Schule" hörte. Doch er war nicht der einzige. Viele Lehrer und Schulleiter verweigern sich der Moderne und beharren auf den klassischen Schulsportarten Leichathletik, Turnen oder Handball. "Wir müssen weiter Türen aufstoßen", sagt Erler. Vor kurzem ist er mit zwölf Sportlehrern aus dem Gymnasium nach Fleesensee in Mecklenburg- Vorpommern gefahren. An einem Wochenende führte er sie in die Welt des Golfsports ein, um Skepsis und Vorurteile zu beseitigen. Erler:"Bei dieser Entwicklung gehört Golf in einigen Jahren zum festen Schulsportprogramm."

(Foto: Foto: VcG)

Vor zwanzig Jahren war Golf noch als gefährliche Sportart eingestuft worden, in hessischen Schulen war sie zum Beispiel verboten. Doch diese Schublade ist längst geschlossen. Vor wenigen Wochen wurde in Hessen das erste Golfturnier im Rahmen von "Jugend trainiert für Olympia" veranstaltet. 120 Schüler in 18 Teams nahmen daran teil. Überall werden Schulmeisterschaften etabliert. Allein in Bayern haben sich 145 Schulmannschaften gebildet, 11.000 Kinder und Jugendliche sind in Golfclubs aktiv. "Mit dieser Entwicklung sind wir zufrieden", sagt Manfred Linder, Schulsportreferent des Bayerischen Golfverbandes."Aber alle Berührungsängste sind noch nicht beseitigt."

Noch begrenzt sich das Angebot auf freiwillige Arbeitsgemeinschaften und Projektgruppen, nur in wenigen Schulen gehört Golf dem Pflichtprogramm an. Zum Beispiel in Sachsen, wo schon in der fünften und sechsten Klasse die Leistungen auf dem Grün in die Zensuren einfließen. "Der Schulsport sucht sich neue Felder", berichtet Jörg Krebs von der VcG. Der Trend geht weg von den traditionellen Sportarten, hin zu den Trendsportarten. "Golfplätze werden in fünf Jahren ebenso zum Schulalltag gehören wie Fußballplätze", sagt Martin Wiederholl, der Schulgolf-Beauftrage des Landes Baden-Würtemberg. Er kann sich noch gut an die Siebzigerjahre erinnern, als er eine Tennis-AG betreute. Damals musste er auch gegen Barrieren ankämpfen - der Rest ist Geschichte. Es ist gut möglich, dass in zwei oder drei Jahren Golf als Grundkurs in der Oberstufe angeboten wird und Abschläge auf der Driving Range ins Abitur eingehen. Einige Ministerien haben auf Länderebene Interesse signalisiert. Jörg Krebs will diese Entwicklung fördern, indem er Gespräche mit Lehrern und Politikern sucht. Er argumentiert dann mit den pädagogischen Werten des Golfsports. "Ohne Schiedsrichter steigt die Rücksichtnahme", sagt er. Wissenschaftlich bewiesen, so erklärt er, sei die Anleitung zur Konzentrationsfähigkeit:"Viele hyperaktive Kinder sind ruhiger geworden." Neben den pädagogischen Inhalten erhofft sich Krebs eine Verbesserung des Leistungssports. Etwa 15 Prozent aller Golf spielenden Schüler werden früher oder später Mitglieder in Golfclubs. Sie legen die Platzreife ab und nehmen an Turnieren teil. Je mehr Schüler sich auf die Driving Range begeben, desto mehr Talente kommen für eine Profilaufbahn in Frage. In den USA und in Schweden sind Scouts schon seit Jahren auf der Suche nach Talenten in Schulen und Universitäten. "Wir müssen die Jugend weiter fördern, um uns in der Spitze zu etablieren", sagt Florian Bruhns, Geschäftsführer Sport im Deutschen Golf Verband (DGV).

Tonio Beuerle, 17, kann das bestätigen. Er ist ebenfalls Schüler am Hans-Carossa-Gymnasium in Berlin-Spandau. Seit drei Jahren spielt er Golf. Angefangen hat alles in der Arbeitsgemeinschaft. Seine Mutter, eine Lehrerin, hatte ihn angemeldet. Beuerle musste überredet werden. Als er den Golfschläger zum ersten Mal in den Händen hielt, waren die Zweifel beseitigt. Er legte die Platzreife ab. Inzwischen liegt sein Handicap bei 9,2. Und trotzdem glaubt er nicht an die große Karriere:" Dafür habe ich zu spät angefangen", sagt er. Seine Nachfolger werden nicht so lange warten müssen.

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