golf spielen:Zwischen Kinn und Bauchnabel

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Putten hat viel mit mentaler Stärke zu tun - schön, wenn man eine solche besitzt

Ernst Fischer

Heute wollen wir uns mal mit dem Putten und mit Puttern beschäftigen. Putten nicht mit u, das klingt nach Hühnerstall, nein, Putten mit a, but-Laut, obwohl es manche Leute mit geschlossenem a aussprechen, fast zum ö changierend, vermutlich weil es sich vornehmer anhört. Aber bitte nicht Pötter, wie es eine verzweifelte Hausfrau in meinem Club auszusprechen beliebt. Aber die sagt auch Bönker zum Bunker. Nun wird der interessierte Laie sagen, da ist offenbar die Aussprache komplizierter als das Putten selbst. Das Putten erinnert nämlich sehr an Minigolf und tatsächlich sehen erwachsene Menschen auf dem Grün etwas albern aus, wenn sie sich nach schier endlosem Nachdenken und Herumgehen dafür entscheiden, den Ball vor oder hinter das Loch zu schubsen. Und wenn dann wirklich ein Ball aus achtmeterfünfzig ins Loch kullert, dann halten die erwähnten Laien Golf für ein Glücksspiel und nicht für Sport.

(Foto: Illustration: Rita Berg)

Dem müssen wir entschieden entgegentreten. Beim Putten entscheiden sich gute und schlechte Runden. Hier geht es nicht um Muskelkraft, sondern um mentale Stärke. Ein Zwanzig-Zentimeter- Putt ins Loch zählt im Golf genau so viel wie ein Drive über 200 Meter. Nicht umsonst sagen die Profis: Driving for show, putting for money. Putten und Driven, das ist wie Laufen und Schießen beim Biathlon, erst rennen bis die Lunge brennt, dann ruhig werden beim Schießen mit dem butterweichen Abzugsfinger. Es ist wie Yin und Yang, wie Feuer und Wasser, wie Männer und Frauen.

Und natürlich sind die Grüns keine brettlebenen Kurzgrasflächen. Es sind kleine Täler und Höhen darin, die der geübte Golfer zu lesen versteht. Das bedeutet nicht, dass Reich-Ranicki oder Elke Heidenreich automatisch als größere Golftalente zu gelten haben als beispielsweise Dieter Bohlen oder Lukas Podolski, bei denen der Trend vermutlich gerade zum Zweitbuch geht. Die Grüns lesen können, das heißt die richtige Linie zu erkennen. Und dann muss auch noch die Länge stimmen. Alles sehr, sehr schwer. Das ist auch der Grund, warum viele Golfer kleine Puttanlagen in ihrem Büro aufgebaut haben und einen Gutteil ihrer Dienstzeit mit Putten verbringen. Manche spielen stundenlang Bälle über niederflorigen Teppichboden Richtung Schuhspitze der Sekretärin. Andere trainieren fleißig zu Hause und nicht wenige haben sich dafür im Wohnzimmer eine kleine Kuhle ins Parkett gebohrt, was natürlich nicht immer die Zustimmung der Ehefrau findet. Das verwundert ein bisschen, wenn man weiß, wie wichtig Golf für die Stimmungslage von Menschen ist, die diesen Sport ausüben.

Es gab Zeiten, da haben Golfer Billardqueus mit auf die Runde genommen und sich hinter ihren Ball aufs Grün gelegt, um ihn in Richtung Loch zu stoßen. Das ist dann bald verboten worden, durchaus zur Freude der golfspielenden Damen, die solche Bauchlagen unter freiem Himmel nicht so anmutig fanden. Heute spielen die Leute Putter aller Provenienzen, Monsterputter, groß und breit wie Schneeschieber oder schwer wie Schmiedehämmer. Und immer mehr verwenden überlange Stangen, die ziemlich lächerlich aussehen, weil man sie entweder unters Kinn oder in den Bauchnabel klemmt.

Mein Freund, der Anwalt, hat natürlich immer die neuesten Modelle. Aus dem Labor direkt aufs Grün. Derzeit spielt er präzisionsgefrästes Edelstahl-Insert, unverwüstlich, doch weich und mit erstaunlich sattem Klang. Kürzlich noch die neue Dual- Insert-Technologie, die das Feedback so verstärkt? Oder war es dieser ausbalancierte Mallet mit einem zweifach gekrümmten Schaft und Full-Shaft Offset? Obendrein ist er ein mentales Wunder. Konzentriert sich auch noch auf den zweiten Neun, liest lange, sieht vor seinem geistigen Auge die kleinen Täler und Höhen auf dem Grün. Das zieht sich. Ich stehe da und warte, gestützt auf meinen Putter Baujahr '92, und sehe vor meinem geistigen Auge ein schönes Wiener Schnitzel mit Kartoffel- Gurken-Salat und ein kühles Weißbier oder Kaffee und Marmorkuchen und vielleicht einen eiskalten Obstler. Und auch wenn Sie jetzt zweifeln mögen, mir hilft das beim Putten.

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