golf spielen:Todd wer?

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Wirbel um die Stars, Lärm von Billigfliegern und ein unspektakulärer Sieger namens Hamilton - ein Tagebuch von der British Open

März Das wirklich Schöne an der British Open ist ihr Abwechslungsreichtum, einerseits, gepaart mit ihrer Berechenbarkeit, andererseits. Mrs. Quarm zum Beispiel ist zwar in gewisser Weise eine uns unbekannte Schottin, dabei aber unfassbar ähnlich all' jenen anderen Bed&Breakfast- Besitzerinnen, die wir bei früheren British Open kennen gelernt haben. Mrs. Quarm offeriert uns ein Einzelzimmer für 100 Pfund die Nacht, das Bad wird geteilt mit uns unbekannten Genossen, und nur weil wir sechs Nächte bleiben, lässt sie sich herunter handeln auf 75 Pfund. Leider regiert auch in diesem Jahr das Gesetz von Angebot und Nachfrage, was bei mehr als 30.000 Zuschauern pro Tag einen eindeutigen Vorteil für die Anbieter bedeutet. Kurz gesagt: Mrs. Quarm erhält im März den Zuschlag.

Todd Hamilton (Foto: Foto: AP)

Eine Woche vorher Weil uns das geteilte Bad dann aber vier Monate lang wurmt, suchen wir fünf Tage vor Veranstaltungsbeginn noch einmal, finden das Adamton House Hotel mit Einzelzimmer samt ungeteiltem Bad zum gleichen Preis und sagen Mrs. Quarm ab.

Dienstag Es ist ein wenig bitter, dass das Adamton House Hotel eigentlich das Royal Flying College im Kasernenstil ist, das sich obendrein in einem Umbauprozess befindet.Wir lernen: Am Ende sind die Schotten immer schlauer.

Colin Montgomerie erhält abends beim alljährlichen Dinner der British Golf Writers Association deren Ehrenpreis und hält eine Rede: Er spricht davon, dass er "immer bereit für eine neue Herausforderung ist". Was derzeit bedeutet, dass er sich mit seinem neuen Leben als Single anfreundet und mit geplatzten Bohnenkonserven in der Mikrowelle kämpft.

Mittwoch Weil sie diese Open nun bereits zum 133. Mal organisieren, bilden die überaus erfahrenen Polizisten morgens und abends One-Circle-Ways, was bedeutet, dass der ganze Verkehr auf der Straße nur in eine Richtung auf einer Kreisstraße läuft. Schade nur, dass der Presseparkplatz nicht an dem Circle, sondern einer Stichstraße desselben liegt. Man fährt also ein Ründchen, dann noch eins, dann bekommt man einen kleinen Tobsuchtsanfall, weil das alles eineinhalb Stunden dauert; dann führt man eine aussichtslose Diskussion mit einem britischen Bobby über diese idiotische Wegführung und parkt das Auto quasi illegal auf einer angrenzenden Kuhweide.

Ben Curtis ist der Titelverteidiger. Er ist jetzt ein paar Millionen schwerer, hat einen Wohlstandsbauch und noch immer ein wohltuend zurückhaltendes Auftreten. Die Chancen, dass er noch einmal gewinnt, sind auch deshalb gering, weil Curtis nach dieser Open nie wieder etwas gewonnen hat.

Bernhard Langer ist nicht da. Marcel Siem nicht. Alex Cejka auch nicht. Alle nicht qualifiziert. Dafür hat Sven Strüver in Irvine die lokale Qualifikation zum ersten Mal in seiner Golfkarriere überstanden. Ganz offensichtlich führt das Nicht-Vorhandensein einer regulären Tourkarte gepaart mit Druck zu neuem Kampfgeist.

Donnerstag Dumm gelaufen. Um 7.10 Uhr auf dem Puttinggrün, um 7.24 Uhr am ersten Abschlag auf David Duval gewartet, der in diesem Jahr nur ein Turnier bestritten hat, die US Open. Der Ex-Weltranglistenerste und British-Open-Sieger von 2002 erinnert an den Yips-geplagten Ian Baker- Finch. Leider kann man das jetzt nicht überprüfen. Duval verzichtet auf den Start in Troon.

Buschkämpfe: Ernie Els auf Abwegen. (Foto: Foto: AP)

Man kann nicht sagen, dass dies hier ein besonders leiser Ort an der schottischen Küste ist. Ab und an kommt eine Antonov 124 im Landeanflug nach Prestwick vorbei. Ein schnuckeliges kleines Gefährt, das wir schätzen lernen während dieser Woche. Von den Dünen am neunten Grün aus sieht man ganz gut hinüber nach Prestwick. Ein paar Drivelängen entfernt liegt der Golfplatz, auf dem sie die ersten zwölf British Open gespielt haben. Direkt daneben verläuft die Bahnstrecke, direkt daneben die Hauptverkehrsstraße, die direkt neben dem Flughafen liegt, auf den ein Billigflieger nach dem anderen zudröhnt. Die Zeiten haben sich gewandelt seit der ersten Open 1860.

Irgendein besonders spendabler Mensch hat 62.500 Pfund auf einen Sieg von Ernie Els gesetzt. Die Wettquote liegt bei acht zu eins. Es ist die höchste Einzelwette, die man jemals zu einer British Open verbuchen konnte. Seit dem letztjährigen Sieg von Ben Curtis haben wir das Wetten komplett eingestellt.

Am Abend führen der Brite Paul Casey und der Franzose Thomas Levet. Über Casey gibt es zu berichten, dass er ein wenig für Verärgerung gesorgt hat, als er bemerkte, aus Großbritannien käme kein erfolgreicher Nachwuchs, weil alle Jungprofis verkappte Alkoholiker seien. Von Levet kann man sagen, dass uns seine Führung an die schreckliche Jean-van-de-Velde-Begebenheit von Carnoustie erinnert. Immerhin gibt es in Troon an der 18 kein Bächlein, aus dem Levet im Fall der Fälle herausspielen könnte.

Freitag Ein wunderschöner schottischer Freitag mit viel Sonne, einer netten Brise und Temperaturen, die eine Skijacke überflüssig machen. John Daly trägt trotzdem eine Mütze, vielleicht um seine roten Ohren zu verbergen. Daly hat einen Plan für die Runde, der vor allem eines vorsieht: große Vorsicht und taktisches Geschick. Er zückt an der Eins ein Eisen, spielt einen tollen Chip, versenkt den Putt. Zwei unter Par. Aber leider, vier Stunden später liegt Daly sechs über Par, verpasst den Cut um drei Schläge und ist extrem wütend. Auch andere Prominente wie Sergio Garcia, Nick Faldo oder Padraig Harrington schaffen es nicht ins Wochenende. Greg Norman verpasst den Cut zum ersten Mal seit 1980. Und auch Strüver verpasst ihn. Es führt ein Amerikaner namens Skip Kendall, der seit 1987 Pro ist und noch nie ein Turnier gewonnen hat.

Samstag Die Frage, ob Tiger seine Drives wie in den letzten Monaten querbeet schlägt oder nicht, beschäftigt so ziemlich jeden. Der 28-Jährige selbst ist bei einem Stand von vier unter Par, Position sieben, "ziemlich happy". Tatsächlich sind die Drives ziemlich gerade, die Putts aus drei Metern und mehr verdammt gut. Es sieht ganz so aus, als sei nach acht Majors ohne Sieg mal wieder ein Triumph möglich. Immerhin. Jack Nicklaus, 18-facher Majorsieger, und ebenfalls mit der Tiger-Schwungfrage befasst, hat erklärt:"Tiger wird meinen Rekord in Frage stellen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sein Schwung wieder zusammen passt.Wenn das passiert, wird er sowieso wieder anfangen, jeden fertig zu machen."

Es führt ein Amerikaner namens Todd Hamilton, der den Großteil seiner 17-jährigen Karriere damit verbracht hat, überhaupt den Sprung auf die US PGA Tour zu schaffen und deshalb in Japan weilte. Irgendwie ist es ihm aber dann doch gelungen, die Honda Classic in diesem Jahr zu gewinnen und sich für Troon zu qualifizieren.

Sonntag Nach reichlich Hin und Her, einer glänzenden Runde des Phil Mickelson, ein paar wunderschön aggressiven Schlägen des Ernie Els gibt es dann aber ein Playoff, in dem Todd Hamilton die Oberhand über Els behält. Die Wetten auf Hamilton standen am Donnerstag bei 500:1, was man irgendwie verstehen kann, wenn man den Lebenslauf des 38-Jährigen durchgegangen ist. Herr Hamilton jedenfalls spielt an diesem Sonntag mit überraschender Konsequenz und Effizienz Eisen so kurz vor die Bunker, dass der Ball gar nicht heinein kullern kann. Von da aus schlägt er beachtliche kurze Eisen aufs Tee und locht öfter ein als alle anderen. Als er gegen 19.30 Uhr den Claret Jug in Händen hält, sieht er weder besonders glücklich noch besonders überrascht aus. Man merkt: Der Familienvater aus dem Staate Illinois hat einfach nicht viel Übung im Feiern.

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