golf spielen:Oh, wir Narren!

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Der Autor scheitert beim Pro- Am der ganz persönlichen Art - aber die 99 schafft er dieses Jahr noch, ganz bestimmt

Leigh hat es nicht verraten, zunächst jedenfalls nicht. Als wir die ersten neun Löcher hinter uns hatten, notierte er dies und das auf der Scorekarte, machte ein geheimnisvolles Gesicht und sagte nichts. Er war aufgeräumt wie immer. Und als wir zum zehnten Abschlag schritten, machte er sogar ein paar Witze. Dann, als es wieder ernst wurde, sagte er nur: "Etwas mehr rechts" und: "Trust your swing". Der Ball flog eigentlich recht ordentlich vom Tee, dann etwas links, aber keineswegs zu viel, und landete dann doch im Klee am Rande des Fairways. Leigh war die Ruhe selbst. Er betrachtete die Scorekarte und schüttelte, als ich das Eisen Sieben aus dem Bag nahm, nur kurz den Kopf."Die Neun", sagte er, und:"Etwas mehr links jetzt." Allerdings sagte er nichts mehr über mein Schwungvertrauen, sondern korrigierte meine Haltung beim Rückschwung - nur andeutungsweise natürlich. Und dass ich meine Hände nicht anwinkeln sollte. Nun ja, und dann nahm das Verhängnis seinen Lauf ... Wir befanden uns auf meinem ersten ProAm-Turnier. Das heißt, es war natürlich kein richtiges ProAm-Turnier, in dem ein Golfprofessional und Amateure zusammen ein Team bilden. Es war etwas, was ich mir ausgedacht hatte, um meinem Traum zur Realität zu verhelfen: 99 Schläge. Wir würden über den Platz gehen, Leigh als mein professioneller Begleiter, Coach, Caddie, ich als Spieler unter absoluten Turnierbedingungen. Ich würde genau das tun, was er mir riet - Schlägerwahl, Stand, Taktik,was auch immer. Selbstverständlich würde ich die Runde mit weniger als hundert Schlägen absolvieren können. Und dann wäre das Ziel dieses Golfjahres erreicht. Es kostete ein paar Euro, klar. Aber was tut man nicht alles, um Träume Wirklichkeit werden zu lassen?

(Foto: Foto: BMW)

Im Nachhinein erzählt sich diese Geschichte mit einer gewissen Gelassenheit. Damals entwickelte sie sich, als wir beim 13. oder 14. Loch angelangt waren, zu einem psychodramatischen Krimi. Ich wusste immer noch nicht, was auf meiner Scorekarte stand, konzentrierte mich nur auf mein unsteter werdendes Spiel. Dass irgend etwas passiert sein musste, spürte man, als ich auf der 17. Spielbahn, einem Par 5, zwar mit fünf Schlägen mit Ach und Krach aufs Grün gekommen war, aber dann vier Putts benötigte. Denn Leigh wurde ungewöhnlich heiter. Ich blickte ihn an und er nickte. Aus der Traum. Am 17. Loch hatte ich die Chance endgültig verspielt. "Wie viel?", fragte ich. Leigh betrachtete die Karte und sagte: "Bis jetzt 38 Putts. Das sind vier zu viel." Ich sagte:"Leigh! Wie viele Schläge?" Er sagte: "Auf den ersten neun Löchern 47." Ich: "Und bis jetzt?" Er: "Ich sag's dir, wenn wir dort (zeigte zum 18. Grün) angekommen sind." Und dann lachte er freundlich. Siebenundvierzig auf den ersten Neun. Wow! Das hieß: Wenn ich auf den zweiten Neun genauso gespielt haben würde wie auf den ersten, dann würden es ja ... vierundneunzig Schläge geworden sein! Nicht auszudenken! Es ist wirklich erstaunlich, in welche Euphorie sich einer steigern kann bei der Betrachtung des Unmöglichen, das Wirklichkeit hätte werden können, beinahe, um ein Haar. Oh,was sind wir doch für Narren, wir träumenden Golfer!

Um es abzuschließen: Das 18. Loch in Gatow ist ein Par 4 über 251 Meter. Wirklich angenehm kurz und wunderschön. Leigh macht dort locker ein Par, häufig auch ein Birdie. Ich brauchte an diesem Tag fünf Schläge ins Loch - auch nicht schlecht, für meine Verhältnisse. Dann war mein absonderliches ProAm-Turnier zu Ende: 47 Schläge für die ersten neun Löcher, 59 für die zweiten neun. Macht 106. "Zu viel", sagte Leigh. Und es war wirklich nett von ihm, dass er den Aus-Ball am 16. Abschlag nicht noch extra erwähnte. "Wann hast du gewusst, dass ich die 99 nicht mehr schaffe", fragte ich ihn. Und er sagte: "Am 13.", sagte er. "Drei aufs Grün und drei Putts ... you know."

Ach ja, das 13. Ein Par 3. Wo 13 doch eigentlich meine Glückszahl ist. Wenn ich demnächst wieder nach Bayern komme, nach St. Eurach, und Rolf, meinem Senior Captain, alles berichte, was man so erleben kann bei einem ProAm-Turnier der besonderen Art in Berlin - dann wird er mich sicherlich ein ganz klein bisschen für verrückt halten. Ich habe mit ihm gewettet, um eine Flasche Champagner, dass ich die 99 schaffen werde in diesem Jahr. Ich werde die Wette gewinnen. Mit Sicherheit.

© Martin E. Süskind - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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