golf spielen:Kleine Bälle, heiß und laut

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Die European Tour setzt auf den Wachstumsmarkt Asien. In Shanghai gibt sich sogar Colin Montgomerie zugänglich.

Von Petra Himmel

Eine Stadt voller verschiedener Welten, Kontraste, wie man sie vor allem im westlichen Europa nicht mehr kennt: Da hinten, der Eingang in der düsteren Nebenstraße, er führt in einen Restaurant-Raum, der nur Tarnung ist, weil im Hinterzimmer die illegal kopierten DVDs in den Regalen lagern. An der Hauptstraße 20 Meter weiter ein riesiger Tommy Hilfiger-Laden, daneben der US-Coffee-Shop. Einen Kilometer Luftlinie entfernt der Xiang Yang-Markt,Mekka der illegalen Kopierer. Golfschläger jeglicher Marke sind Teil des Angebots, 100 Euro für Driver, Hölzer, Bag und Eisen - alles erscheint möglich in Shanghai.

Profigolf von der Skyline von Shanghai (Foto: Foto: DDP)

Die Tischtennis-WM wird gerade hier veranstaltet. Bei der Auto Shanghai 2005 drängeln Chinesen um den neuesten BMW herum, der Europäer verharrt ungläubig vor der kopierten Karosse des Rolls Royce. Rote Fahne nennt sich das Modell aus China. Demnächst will man es nach Europa exportieren. Später abends Menschenmassen und aufgeregte Berichterstattung im Fernsehen: Lien Chan, der Chef der nationalistischen Kuomintang von Taiwan, ist auf einem achttägigen Staatsbesuch in China. Das ewige Thema - das Verhältnis zwischen dem Festland China und den Business-Inseln Taiwan und Hongkong - wird wieder hoch gekocht. China also irgendwo mittendrin: zwischen Kommunismus und Öffnung zum Westen, Seidenraupenverarbeitung und weltgrößtem Handymarkt. Zwischen Teezeremonie und neuen, aufregend unbekannten Hobbys. Golf zum Beispiel. Das Spiel mit der kleinen weißen Kugel ist den Chinesen fast völlig fremd. Bei 200.000 Spielern und 205 Golfplätzen, bezogen auf eine Bevölkerungszahl von 1,3 Milliarden ist die Rede von einem Minderheitensport, wie ihn selbst Deutschland in diesem Extrem nie erlebt hat. Herr Hu, Vizepräsident der China Golf Association, sieht das sehr gelassen. Sein Zuständigkeitsbereich der "kleinen Bälle" umfasst Tischtennis mit zehn Millionen Spielern ebenso wie die Randsportart Hockey und eben Golf.

Tischtennis ist als Volkssport an der Basis verankert, hat zu einer scheinbar endlosen Dominanz chinesischer Tischtennisspieler im Profisport geführt. Mit Hockey und Golf verhält sich das ein wenig anders. Für den Normal-Chinesen sind beides exotische Randsportarten. Chinas Regierung aber hat sie "identifiziert". Was in der Praxis bedeutet, dass man einige Sportschulen gründet, eine Sichtung durchführt und die Kinder auf Erfolg trimmt. Beim Hockey hat das, wie Rang drei der chinesischen Hockeydamen bei den Olympischen Spielen in Athen zeigt, schon prächtig geklappt. Beim Golf aber gestaltet sich die Sache etwas komplizierter. Aus den 30 landesweiten Kadern, in denen zwischen 30 und 100 Kinder mit amerikanischen oder britischen Trainern golfen und "außerdem noch ein wenig Englischunterricht haben", wie Herr Hu den Tagesablauf beschreibt, ist noch kein großer Star entsprungen. Trotzdem gilt wohl auch hier der Spruch "Die Masse macht's". David Leadbetter jedenfalls, amerikanischer Startrainer, hat seinen erfolgsverwöhnten Landsmännern erst kürzlich eine düstere Prognose gestellt:"Die Amerikaner werden auf absehbare Zeit hinter den Asiaten herhinken." Der Umbruch des Golfsports zugunsten der Golfer aus dem Fernen Osten jedenfalls hat längst begonnen. In Südkorea, Japan und Taiwan ist Golf längst Sport auch für die Mittelschicht; die Dichte an Golfplätzen steht jener in Deutschland nicht nach. Der Koreaner K. J. Choi zählt bei den Herren zu den weltbesten Golfern. Auf der amerikanischen LPGA Tour der Damen sind Namen wie Hee-Won Han, Mi Hyun Kim oder Soo-Yun Kang ständig unter den ersten Zehn auf den Siegerlisten. Die Top 25 der Geldrangliste beinhaltet fünf Damen aus asiatischen Familien. Ihr Trainingsfleiß, ihre Geduld und Beharrlichkeit sind berüchtigt, ebenso wie ihre Weigerung, sich an westliche Gebräuche anzupassen.

Zhang Lianwei, Chinas erster Golf-Pro. (Foto: Foto: Reuters)

In asiatischen Urlaubshochburgen wie Malaysia, Thailand und Indonesien sind Inseln und Großstädte geradezu gepflastert mit Golfplätzen. Die größte Golfanlage der Welt, Mission Hills, mit zehn Golfplätzen in Shenzhen, liegt 20 Minuten von Hongkong entfernt. Und auch in Chinas Süden, auf der eigentlich kommunistischen Insel Hainan, drängeln sich international bekannte Hotelnamen um diverse Golfplätze.

Kopien der Markenprodukte sind hier früher auf dem Markt als das Original.

Dass China der Golfindustrie reichlich zu bieten hat, haben auch die Schlägerhersteller registriert. Längst lässt die komplette Golfindustrie Schlägerköpfe, Schäfte und Griffe bis auf sehr wenige Ausnahmen ausschließlich in China fertigen. Das ist erfreulich billig, Probleme mit der Qualität gibt es kaum und der einzige Negativaspekt bleibt der, dass die Kopien der Markenprodukte oftmals schon eher auf dem Markt feil geboten werden als das Original, weil die Gussformen in chinesischen Produktionsstätten eben ab und an auf verschlungenen Wegen kursieren.

Die PGA European Tour, ursprünglich beheimatet in England, ist dem Trend gefolgt. "Bis Mitte Mai hätte ich am besten in Singapur gewohnt", fasst Sven Strüver die Tatsache zusammen, dass sich die ersten Monate der Profisaison weitgehend in Asien abgespielt haben. China allein wird während der Saison 2005 fünf Turniere veranstalten, nur drei weniger als Großbritannien. "Am liebsten würden sie noch mehr machen, aber da fehlt eben einfach die Basis", resümiert Marco Kaußler als Turnierdirektor der BMW Asian Open in Shanghai seine Erfahrungen. Trotzdem:"Wie sehr sich die Clubmitglieder bemühen und mit welchem Einsatz sie dabei sind, das ist einzigartig. Die wollen hier unbedingt den besten Austragungsort Asiens verwirklichen. Da geht es auch um Stolz und Reputation." Und um Geld und darum, dass man das Geld sieht. "Reich werden ist glorreich" lautet einer der wenig kommunistisch klingenden Sprüche von Deng Xiaoping, der auch die Erlaubnis beinhaltet, dass einige früher reich werden dürfen als andere.

Understatement ist das Ding derer, die es in diesen Zirkel geschafft haben, nicht. Während 99,9 Prozent der 16 Millionen Shanghai-Chinesen aus modernen Apartmentklötzen auf eine baumlose Betonwüste starren, leisten sich einige wenige ein Haus am Tomson Shanghai Pudong Golfclub. 750.000 bis 2,5 Millionen Euro kostet eines der Häuser auf eher kleinen Grundstücken, dazu kommt die Mitgliedschaft für 75.000 Euro.

Was nichts kostet, ist in China nichts wert.

Der Gewinner der Asian Open war allerdings Südafrikaner: Ernie Els. (Foto: Foto: Reuters)

"Size matters", hat Jochen Goller längst festgestellt, der für BMW das Marketing in China leitet. Und weil das so ist, verkauft sich die 7er-Limousine des Münchner Autoherstellers in keinem anderen Land der Welt besser als hier. "Das hier ist einer der wenigen verbliebenen Wachstumsmärkte", resümiert Goller den Grund für das Engagement von BMW als Turnierveranstalter in Shanghai. Eine Feststellung, die auch so mancher geschäftstüchtige Golfprofi längst verinnerlicht hat. "Die Jungs wissen natürlich, dass hier in Zukunft viele Golfplätze entstehen werden und dass man hier richtig berühmt werden kann", stellt Kaußler fest, der seit Jahren auch für die BMW International Open in München die Vertragsverhandlungen mit den Spielern übernimmt. Weshalb sich im Tomson Shanghai Pudong Golf Club die Herren Ernie Els, Miguel Angel Jiménez, Luke Donald und Colin Montgomerie eingefunden haben und freundlich lächelnd in zahlreiche Kameras blicken, obwohl sie mit Golf in China zum Teil sehr merkwürdige Erinnerungen verbinden. "Als ich zum ersten Mal in China ein Turnier gespielt habe, bin ich mit Vijay Singh die erste Bahn heruntergegangen und die Chinesen waren überall. Auf dem Fairway, auf dem Grün, in den Bunkern. Die wussten überhaupt nichts über Golf," blickt Ernie Els zurück.

Noch immer bimmeln allerorts die Handys, und selbst während des Puttens wird lautstark gesprochen. Die BMW Asian Open, da sind sich die aufgeregten Chinesen einig, sind ein Ereignis. "Heiß-laut" ist das chinesische Wort für solch coole Veranstaltungen. Auch, wenn sie nur für einen elitären Kreis bestimmt sind. Das Münchner Konzept, Turniersport zumindest an den ersten beiden Turniertagen kostenlos anzubieten und damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wird in Shanghai auf den Kopf gestellt. "Was nichts kostet, ist nichts wert", weiß Goller, der deshalb über BMW-Händler und Golfclubs Bewerbungsschreiben ausgegeben hat, mit denen interessierte Chinesen ein Ticket erbitten konnten. Der Erfolg: Aus den 8.000 Zuschauern des vergangenen Jahres sind 2005 immerhin 10.000 geworden.

Golf zum Anfassen suchen sie, europäische Stars. Lian-Wei Zhang, der einzige chinesische Golfpro, der bis dato ein PGA European Tour gewinnen konnte, ist längst ein Held in einem Land, dessen Bevölkerung mit dem Namen Tiger Woods großteils nichts anfangen kann. Wer also in Zukunft als internationaler Golfstar gelten will, muss seine Koffer packen, sich in den Flieger setzen, Präsenz zeigen in Peking, Hongkong, Taiwan oder Shanghai. Ganz wohl ist den Herren aus Europa dabei nicht. Im grellen Kameralicht prasselt bei Pressekonferenzen ein Schwall von Fragen auf Ernie Els nieder, von denen der Weltranglistendritte ohne Übersetzung kein Wort versteht. Englisch, die Sprache der Profitouren, die Sprache des Golfs, ist hier außer Kraft gesetzt. Wer Aufmerksamkeit ernten will in der Heerschar von Menschen, muss sich bemühen. Und so sieht man während der Turniertage den ansonsten für Sonderaufgaben nicht sonderlich zugänglichen Colin Montgomerie, wie er auf der Driving Range steht und einer Truppe fröhlich zwitschernder chinesischer Journalisten die Grundgedanken des Golfschwungs vermittelt. Wie gesagt, in Shanghai ist eben alles möglich.

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