golf spielen:Der lange Weg...

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zum Breitensport Golf. Deutschland bleibt in Sachen Golf ein Schwellenland

Die Zahlen sind schön, die jährlichen Steigerungsraten nach wie vor beeindruckend. Knapp 500.000 Menschen sind mittlerweile in Deutschland in Golfclubs organisiert. Seit 1980 hat sich damit die Zahl der Golfer verzehnfacht. Aus den 160 Golfclubs, die es 1980 gab, sind in der Zwischenzeit rund 670 geworden: Zuwachsraten, von denen andere Sportverbände noch nicht einmal zu träumen wagen.

Glaubt man der Studie "Golfmarkt der Zukunft", 2001 herausgegeben von der "Golf & Tourism Consulting GbR" in Lüneburg, die gerade aktualisiert wurde, könnten die Zahlen noch sehr viel schöner werden. Das 240-seitige Werk, das in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Golf Verband entstand, weist langfristig ein Potenzial von bis zu 4 Millionen Golfspielern für Deutschland aus. 5,9 Prozent der noch nicht in Golfclubs organisierten Deutschen kamen bereits mit Golf in Berührung, bevorzugt im Urlaub. Viele davon können sich Golf als regelmäßige Freizeitbeschäftigung durchaus vorstellen. Fast 15 Prozent aller Deutschen gaben an, Golf zumindest einmal ausprobieren zu wollen. Rosige Aussichten.

Dieses enorme Potenzial, so die Autoren der Studie, lässt sich aber nur dann ausschöpfen, wenn sich einiges rund um deutsche Abschläge und Grüns grundlegend ändert. Auf ihrem Weg zur Beantwortung der Frage, welche Zukunftschancen die Sportart Golf in Deutschland hat, beschäftigt sich die Studie zunächst mit Faktoren, die die Entwicklung zur Golfnation unterstützen, so genannten "Treibern", und Faktoren, die einen solchen Trend eher negativ beeinflussen, so genannten "Bremsern". Die klimatischen Rahmenbedingungen spielen eine wichtige Rolle, will heißen, bei Sonnenschein machen Outdoor-Sportarten wesentlich mehr Spaß - was Schotten, Schweden, Iren und Engländer bei orkanartigen Winden und Nieselregen auf die Golfplätze treibt, ist und bleibt für die Verhaltensforschung ein Rätsel. Der Jahrhundertsommer 2003 bescherte den meisten Golfclubs in Deutschland bislang nie erreichte Greenfee-Einnahmen, vielen allerdings auch die Einsicht, dass Designer-Fliesen in den Duschkabinen und Edelgastronomie im Clubhaus dramatisch an Wert verlieren, wenn auf dem Platz aus Kostengründen auf die Installation einer vernünftigen Bewässerungsanlage verzichtet wurde.

Ausdruck von Exklusivität und Luxus

"Mitentscheidend für die Entwicklung des Golfmarktes ist das Image des Golfsports und das Meinungsklima, welches in der Bevölkerung darüber herrscht", so die Autoren der Studie. Dieses Bild, das sich die Öffentlichkeit vom Golfspielen macht, beeinflusst in hohem Maße die Bereitschaft, sich mit dem Thema Golf zu beschäftigen. Und hier wird deutlich, warum Deutschland in der Studie noch nicht als entwickelte Golfnation, sondern als Golf-Schwellenland eingeschätzt wird. In einer repräsentativen Umfrage ermittelten die Autoren, dass Golf immer noch bevorzugt als "Ausdruck von Exklusivität und Luxus" wahrgenommen wird und man auf Golfplätzen Menschen antrifft, "die nur um des Prestiges und der Karriere willen spielen". Golf als reizvolle Urlaubsbeschäftigung oder spannender Wettkampfsport rangieren in der Umfrage am unteren Ende der Bewertungsskala. Dieses Image wird auch in den Medien transportiert. Die Werbung im Allgemeinen, die Fernsehwerbung im Speziellen, bedient sich gern der Bilder aus dem Golf, um Attribute wie wirtschaftlichen Erfolg, Exklusivität und Luxus zu transportieren. Golf wird zunehmend auch in Fernsehfilmen oder Krimis thematisiert, wobei dank des kreativen Talents der meisten Drehbuchautoren vor allem bestehende Klischees bestens bedient werden. Nicht die guten Kommissare, sondern bevorzugt die reichen Bösewichter spielen Golf.

Im Gegensatz zur zunehmenden Präsenz in der Werbung nimmt die Übertragungszeit von Golfturnieren im Fernsehen kontinuierlich ab: im öffentlich-rechtlichen Fernsehen rangiert Golf auf einer Stufe mit Curling, Badminton oder Tontaubenschießen. NBC Europe hat mit Beginn dieses Jahres seine Golfübertragungen ebenso eingestellt wie N24 sein Golfmagazin. Das Deutsche Sportfernsehen hat im Laufe der letzten Jahre das Golfprogramm von über 100 Stunden auf rund ein Drittel reduziert. Und selbst der Pay-TV-Sender Premiere hat jüngst die European PGA Tour in den Rechteverhandlungen so lange zappeln lassen, bis man die Übertragungsrechte zu deutlich günstigeren Preisen erwerben konnte. Sinkende Preise für Fernsehrechte sind kein sehr gutes Zeichen für eine Sportart - siehe Tennis. Der Grund für die vornehme Zurückhaltung der Fernsehsender sind vor allem unterirdische Einschaltquoten bei Golfübertragungen. Was Tiger Woods in den USA oder Sergio Garcia in Spanien gelang - Lokomotiven für einen ganzen Industriezweig, inklusive medialer Präsenz zu werden - konnte Bernhard Langer nie leisten. Obwohl seit über zwei Jahrzehnten im engsten Kreis der Weltklasse, wurde er nie zur charismatischen Lichtgestalt mit Massenwirkung. Ohne über die Grenzen ihrer Sportart hinaus wirksame, nationale Helden, wird eine Sportart in Deutschland nicht zum Fernseh-Event - siehe Rodeln, Skispringen, Radfahren und Boxen.

Fehlt die breite gesellschaftliche Akzeptanz, das heißt die Breitensportfähigkeit, bleiben aber die Entwicklungschancen des Golf limitiert. Der wichtigste Motor auf dem Weg, das prognostizierte Potenzial auch auszuschöpfen, so das Ergebnis der Studie "Golfmarkt der Zukunft", ist und bleibt der freie, unreglementierte Zugang zu Spielmöglichkeiten. Erst wenn deutlich mehr öffentliche Plätze existieren, und erst wenn diese ohne bürokratische Hemmnisse und Zugangsreglementierungen wie obligatorische Mitgliedschaften oder PE-Regelungen von jedem Interessierten genutzt werden können, wird die Basis für eine Entwicklung zum Breitensport gelegt. Skifahren wurde zum Breitensport, weil keiner am Lifthäuschen nach einer "Pistenerlaubnis" fragt und öffentliche Freibäder lassen sich auch ohne "Freischwimmer-Bescheinigung" besuchen. Einrichtungen wie die "Vereinigung Clubfreier Golfspieler" (VcG), die zu deutlich reduzierten Preisen Spielmöglichkeiten eröffnen, können hier nur eine, wenn auch hilfreiche Zwischenlösung sein. Ein Lernprozess, der mittlerweile auch innerhalb des Golfverbandes Wirkung zeigt. Von der unsinnigen Regelung, den Bau von öffentlichen Kurzplätzen nur dort zu subventionieren, wo es bereits eine bestehende 18-Loch-Anlage gibt, hat man sich mittlerweile verabschiedet. Das Ergebnis: deutschlandweit entstehen Betreibergesellschaften, die öffentliche Kurzplätze bauen oder planen.

Wer sich ein Getto bauen oder erhalten will, soll das tun.

Einen anderen Weg beschreitet Roland Specker, der Präsident des Golfclubs Wannsee. Wer will, kann in Wannsee 18 Loch Golf spielen, ohne PE oder Mitgliedsausweis wohlgemerkt. Trotz dieser für deutsche Golfgepflogenheiten extrem liberalen Verfahrensweise, bricht in einem der renommiertesten und nebenbei auch sportlich erfolgreichsten Clubs in Deutschland nicht regelmäßig das Chaos aus. Der Grund: ein Marshall sorgt für den reibungslosen und zügigen Spielbetrieb und holt allzu wilde Golfer auch mal vom Platz. Roland Specker hat sich innerhalb des Verbandes nicht gerade viele Freunde gemacht mit seinen Ansichten, zumal er nebenbei auch nicht müde wird, eine fundamentale Reform der Verbandsstrukturen zu fordern. Immerhin fast zehn Prozent der in Deutschland organisierten Golfer, so eines der Ergebnisse der Studie, sind dagegen, dass Golf sich zum Breitensport entwickelt. Etliche davon sind Funktionsträger in Vereinen oder Verbänden. Neben der Angst vor überfüllten Plätzen, treibt sie vor allem der erwartete "Sittenverfall auf den Golfplätzen" und die Befürchtung, dass "sich Golf zum Proletensport entwickeln" könnte, zu dieser Haltung. Roland Specker hat auch mit solch konservativem Gedankengut kein Problem. "Wer sich ein Getto bauen oder erhalten will, soll das tun."

Die "Gettos der Exklusivität" gibt es selbstverständlich auch in den USA, wo zirka 40 Prozent der insgesamt knapp 17.000 Golfplätze "strictly privat" und nur von Mitgliedern zu nutzen sind. Ohne die über 10.000 öffentlichen Plätze, wo man im Proshop weder nach einem Mitgliedsausweis noch nach einem PE-Nachweis, sondern lediglich nach der Kreditkarte gefragt wird, würden allerdings nicht 28 Millionen US-Amerikaner Golf spielen. Das entspricht gut zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Zum Vergleich: In Deutschland spielen 0,5 Prozent der Bevölkerung Golf. Wie gesagt, die Zahlen könnten schöner sein.

Informationen zur zitierten Studie: "Golfmarkt der Zukunft", Herausgeber: GTC-Golf & Tourism Consulting GbR, Vor dem Roten Tore 1, 21335 Lüneburg, E-Mail: info@gtc-germany.com

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