golf spielen:Das Ego namens Faldo

Lesezeit: 4 min

Der Brite gehört zur Gruppe der großen Europäer. Seinen Weg ging er aber am liebsten allein

Ulrich Kaiser

Es ist ja eine schöne Sitte, wenn die Sieger nach den großen Meisterschaften eine kleine Rede halten müssen. Es sind keineswegs immer rhetorische Glanzstücke, die da entstehen - Dank an die Mama, den Papa, den Trainer, den Veranstalter, den Greenkeeper. Das ist so ähnlich wie bei der Oscar-Verleihung in Hollywood jährlich im Fernsehen: Wenn die Schauspieler einen Text improvisieren sollen, fällt es ihnen oft ziemlich schwer. Als der Engländer Nick Faldo im Jahr 1992 in Muirfield die British Open, die älteste der großen Meisterschaften, zum dritten Mal gewonnen hatte, unterlief ihm ein absichtlicher Versprecher. Er hätte sagen sollen, dass er besonders seinen Freunden von der Presse "aus vollem Herzen danke" - auf englisch:"from the bottom of my heart". Nicholas Alexander Faldo, der sein Leben lang mit den Medien seines Landes einen ewigen Kleinkrieg austrug, verdrehte die wichtigsten Wörter und sprach von "the heart of my bottom", was nicht nur in der deutschen Übersetzung ziemlich grob ist. Es ist ein Unterschied, ob einer seinen Dank "aus tiefstem Herzen" abstattet, oder ob man es vom "Mittelpunkt meines Körpers" tut.

(Foto: Fotos: AP)

Da er diesen Dank nicht nur vor den Zuschauern am Clubhaus bei der Siegerehrung aussprach, sondern auch vor ein paar Millionen Fernsehzuschauern, sahen sich die hohen Herren des Royal and Ancient Golf Club von St. Andrews veranlasst, Mr. Faldo eine Rüge auszusprechen. Man tat es gezwungenermaßen und mit einem Zucken in den Mundwinkeln. Die Meister bei diesen Open Championships seit 1860 besaßen vorher kaum einen Sinn für derartige Wortspielereien.

Faldo gehörte zu einer Gruppe europäischer Spieler, die alle innerhalb eines Jahres geboren waren und die Weltklasse erreichten. Sandy Lyle, Severiano Ballesteros, Bernhard Langer - Nick Faldo war der einzige, der aus wohl situiertem Elternhaus kaum, wo man normalerweise sein Leben nicht auf einer wackeligen Existenz einrichtet, wie sie meistens von Berufssportlern gelebt wird. In dem Örtchen Welwyn Garden City in Herfortshire, wo er am 18. Juli 1957 das Licht der Welt erblickte, spielte man Cricket - vielleicht ein bisschen Fußball. Aber das Einzelkind Faldo wollte ein Radrennfahrer werden. Von seiner Mutter, die in der Familie wohl die dominierende Person war, hieß es, sie hätte gern einen Pianisten zum Sohn gehabt, aber da reichte das Talent nicht - auf jeden Fall wünschte sich die Frau Mama, dass Nick auf irgendeinem Gebiet berühmt werden soll. Das wünschen sich wahrscheinlich viele Eltern. Nick Faldo blieb bei seinem Rennrad, bis er im Fernsehen zum ersten Mal Golf sah. Es war Jack Nicklaus beim Gewinn des US Masters. Faldo war da bereits vierzehn Jahre alt.

Zwei Jahre später wurde er der jüngste englische Jugendmeister, drei Jahre später war er der jüngste britische Amateurmeister. Er wurde Berufsspieler und gewann 1977 das erste Turnier auf der Europa-Tour - im gleichen Jahr wurde er zum damals jüngsten Spieler im Ryder Cup-Team. Seine Berufskollegen waren voller Anerkennung für seinen flüssigen Schwung. Man zweifelte, ob es irgendwo auf der Welt einen gab, der den Putt besser beherrschte. Als er 1987, wie 1992 auf dem traditionsreichen Kurs von Muirfield, die Open Championship für sich entschied,war er ein Mann, der in dieser Golf-Welt etabliert war. Er hatte mittlerweile mehr als ein Dutzend Turniere gewonnen, ein Kerl von einseinundneunzig, der jeden seiner Gegenspieler schon allein durch seine Präsenz beeindruckte. Da geschah es, dass Nick Faldo auf einmal beschloss, sein Leben zu verändern. Es kann sein, dass die erste seiner drei Ehen um diese Zeit in die Brüche ging - er hatte keine große Lust, aus den USA, wo er jetzt meistens spielte, nach England heimzukehren. Die britischen Zeitungen sind nicht besonders zimperlich in der Behandlung ihrer Stars. Faldo reiste nach Florida und traf den Golflehrer David Leadbetter.

(Foto: N/A)

Nick Faldo verschwand fast zwei Jahre lang von der Bildfläche. Leadbetter nahm den Schwung seines bereits berühmten Schützlings Zentimeter für Zentimeter auseinander und setzte ihn wieder zusammen - so wie der kleine Nick es einst mit seinem Fahrrad in Welwyn Garden City getan hatte. Als Faldo sich wieder unter das Volk der Turniere mischte, tat er es in dem Gefühl, ein Spieler zu sein, der jeder Belastung gewachsen ist. Zwei weitere Siege bei den Open und drei beim US Masters sowie viele weitere hoch dotierte Turniere waren die Ausbeute. Er sagte einmal, er würde Niederlagen ganz einfach ablehnen - so einfach sei das. Ein Beispiel für diese Geisteshaltung war die letzte Runde des US Masters in Augusta, als Nick Faldo die Verfolgung von Greg Norman aufnahm, der mit sieben Schlägen führte - als es vorbei war, lag der Sieger Faldo mit fünf Schlägen in Front.

Mit Sicherheit ist Faldo neben Ballesteros und Langer auch einer von jenen Spielern, die dem Ryder Cup wieder auf die Beine halfen, nachdem dieser wunderbare Wettbewerb zwischen den Besten aus Europa und Amerika lange Zeit kränkelte, weil die Spieler aus den Vereinigten Staaten zu überlegen waren - und die Europäer zu schwach. Nachdem er 1977 als bis dahin Jüngster in das Team kam, blieb er dort elf Mal bis 1997. Er holte dabei in 46 Matches im Einzel und im Doppel nicht weniger als 23 Siege - in der Punkteliste dieses außergewöhnlichen Spiels hat er insgesamt 25 Punkte auf dem Konto. Kein anderer Spieler seit 1927 kann auf eine solche Bilanz zurückblicken. Nebenbei bemerkt: Bernhard Langer steht nur knapp dahinter - zehn Teilnahmen, 42 Matches, 24 Punkte - an zweiter Stelle.

Nick Faldo ist sogar bei diesem Ryder Cup, der ja ein Mannschafts-Wettbewerb ist, ein Einzelgänger geblieben. In den Genen der großen Sieger im Sport spielt der Egoismus sicherlich eine erhebliche Rolle. Es ist ja auch nur ein Wettbewerb, bei dem die individuellen Leistungen der Einzelnen zusammengezählt werden, kein Fußball, bei dem man aufeinander angewiesen ist. Im nächsten Jahr wird Nick Faldo fünfzig Jahre alt und er wird dann an der Seniors- Tour in den USA mitspielen. Er hat gesagt, er will öfter zum Fischen gehen oder zum Tauchen. Beides sind sehr schöne Zeitvertreibe, bei denen man keine Gesellschaft braucht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: