golf spielen:Bobby Jones und der Grand Slam

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Im Jahre 1930 setzte der Amerikaner den bis heute gültigen Maßstab im Golfsport

Thomas Gögele

Der "Grand Slam". Seit dem Jahr 1930 steht dieser Begriff als oberstes, so gut wie unerreichbares Ziel für die besten Golfer der Welt. Hogan, Nicklaus, Norman und Faldo, ihnen allen blieb dieser Gipfel verwehrt. Und auch Tiger Woods ist dieser Höhepunkt bisher versagt geblieben.

(Foto: Fotos: AP)

Als Robert Tyre Jones, genannt Bobby Jones im September 1930 die Trophäe der US Amateur, des vierten Majors des Jahres, in den Händen hielt, erreichte er damit das Unvorstell - bare. 28 Jahre alt, hatte er in einem Jahr die größten zwei Turniere auf jeder Seite des Atlantiks gewonnen: die British Amateur und British Open sowie die US Open und US Amateur. Den "Grand Slam". Das Größte, das man im Golfsport erreichen kann, damals wie heute. Ein Mythos.

Ein wahrer Champion - auch außerhalb des Sports

Bobby Jones, dessen Vater einer Anwaltskanzlei in Atlanta angehörte, kam früh mit dem Golfsport in Berührung und es dauerte nicht lange, bis sein Talent offensichtlich wurde. Schon im Alter von 14 Jahren erreichte er bei der US Amateur das Viertelfinale. Trotz seines Talents und seiner Erfolge kam eine Karriere als Profi für Jones aber nie in Frage. Golf war niemals das Einzige in seinem Leben. "Zuerst Familie, dann Beruf und dann Golf", legte er einmal seine Prioritäten fest. Eine Reihenfolge, die dazu führte, dass er durchschnittlich nur sechs Turniere pro Jahr spielte. Erstaunlich auch, dass er in der Phase seiner großen Erfolge drei Universitätsabschlüsse ablegte: ein Diplom als Ingenieur an der Georgia Tech, einen Literaturabschluss in Harvard und einen Abschluss in Jura an der School of Law der Emory University. Abseits des Golfsports standen ihm hervorragende berufliche Möglichkeiten offen, die ihm damals weit bessere finanzielle Aussichten eröffneten als eine Profikarriere.

Bobby Jones gewann insgesamt 13 Major-Turniere und wurde fünf Mal Zweiter, ehe er mit 28 Jahren seine Golflaufbahn beendete. Er war nicht nur der beste Spieler seiner Zeit und vielleicht aller Zeiten, er war auch bei seinen Kollegen und in der Bevölkerung sehr beliebt, ein echter Gentleman. Sein Grand Slam fiel genau in die Zeit der großen Depression, als Amerika hungrig nach Helden war. Und Jones war vielleicht der populärste aller Top-Sportler, populärer als alle Baseballer, Footballer oder Boxer. Nach dem Ende seiner Karriere wusste er seine Beliebtheit geschickt zu nutzen und entwickelte für Warner Brothers eine Serie von Golflehrfilmen, in denen er prominente Schauspieler unterrichtete. Die 15-minütigen Filme wurden von mehr als 25 Millionen Menschen im Kino gesehen. Jones fühlte sich auch nach seinem Rücktritt vom Turniergolf dem Sport verbunden. Er entwickelte Schläger, schrieb viele Golfbücher und gründete mit dem Augusta National Golf Club und dem Masters Turnier zwei Institutionen im Golfsport, die ihn unsterblich machen.

Der Weg zum Grand Slam

(Foto: N/A)

Heute erscheint es kaum möglich, den Grand Slam zu erreichen - damals aber dachte man nicht einmal daran, die vier großen Turniere gewinnen zu können. Es war schon außergewöhnlich, zwei Majortitel in einem Jahr zu holen. Umso erstaunlicher war der Mut von Bobby Jones: Seit seinem sensationellen "Double" (Sieg bei US Open und British Open) im Jahr 1926 plante er insgeheim, alle vier Titel im Jahr 1930 auf sich zu vereinigen. Die Austragungsorte und Termine erschienen ihm besonders geeignet. Die zwei britischen Turniere fanden kurz nacheinander im Mai statt, die US Open im Juni und die US Amateur Ende September. Der zweite Teil des Plans beinhaltete das Ende seiner Golfkarriere: Nach der Saison 1930 sollte Schluss sein. Es würde keine zweite Chance für den "Grand Slam" geben. Er wollte sich mehr seinem Beruf und seiner Familie widmen.

Golf war für Jones kein Spaziergang, es zehrte ihn enorm aus. Während der Major-Turniere verlor er im Durchschnitt sieben Kilo, oft war er so erschöpft, dass er sich übergeben musste. Angesichts der bevorstehenden Strapazen der Saison 1930 unterzog er sich im Winter einem Fitnessprogramm und begann schon im frühen Februar, regelmäßig zu spielen. Ende April startete er seine Reise nach Großbritannien. Zuerst stand der Walker Cup (Vergleich der besten Amateure der USA mit jenen aus Großbritannien und Irland) auf dem Programm, dann die British Amateur und Open. Die British Amateur, 1930 in St. Andrews ausgetragen, war das einzige der vier Majors, das Jones noch nicht gewonnen hatte. Sie war eine spezielle Herausforderung. Sie wurde, wie auch die US Amateur, im Lochspiel-Format ausgetragen. Auf dem Weg zum Titel mussten acht 18-Loch-Matches und eines über 36 Löcher bestanden werden. 20.000 Menschen folgten Jones auf seinem Siegeszug. Es war, wie Jones später sagte, "das wichtigste Turnier meines Lebens". Nach seinem Sieg erklärte er: "Ehrlich, mir ist es egal, was jetzt passiert. Ich wollte dieses Turnier mehr als alles andere im Golf gewinnen."

Nach einem Kurzurlaub mit seiner Frau in Paris reiste er mit gehobener Moral, aber leider schlechter Form nach Hoylake zur British Open. Jones meinte: "Ich habe einfach keine Ahnung, wo der verdammte Ball hinfliegt, wenn ich ihn schlage." Aber mit einer überragenden Leistung auf den Grüns hielt er dem Druck stand, schnappte sich seinen dritten British-Open-Titel. Nur zwei Wochen später holte er den US-Open-Titel im Interlachen Country Club mit zwei Schlägen Vorsprung. Von diesem Zeitpunkt an war der Öffentlichkeit klar: Jones war dabei, etwas Sensationelles zu erreichen, etwas, das noch niemandem vor ihm gelungen war. Wie es der Journalist und Freund Jones', O. B. Keeler, schon nach der Rückkehr aus Großbritannien geschrieben hatte, war er auf dem Weg, den "Grand Slam" zu gewinnen.

Der Weg nach Merion zur US Amateur sollte beschwerlich werden für Jones. Ein paar Wochen nach der US Open wurde er fast von einem Auto überfahren. Anfang September, nur wenige Wochen vor dem großen Finale, diagnostizierte man bei ihm wegen akuter Schmerzen zuerst fälschlicherweise eine Blinddarmentzündung. Letztendlich wurde festgestellt, dass die Schmerzen das Resultat von Stress waren. Die Ärzte rieten ihm davon ab, in Merion anzutreten. Da dies keine Option für Jones war, bestand der Doktor darauf, ihn zum Turnier zu begleiten.

Die US Amateur wurde zu einem gigantischen Medienereignis. Jones' Ergebnisse waren Thema der Titelseiten der großen nationalen Zeitungen, weltweit wurde in der Tagespresse über dieses Ereignis berichtet. Auf NBC Radio wurde jeden Abend eine 15- minütige Reportage gesendet. Bobby Jones war auf den Punkt in Bestform. Er gewann die Qualifikation über 36 Löcher und beendete seine Lochspiel-Begegnungen spätestens vier Löcher vor Schluss, ehe er Eugene V. Homans im 36-Loch-Finale mit 8 auf 7 keine Chance ließ. Der "Grand Slam" war geschafft. Er hatte das Einzigartige, das Unvorstellbare erreicht. Das, was niemand vor ihm, bis heute niemand nach ihm und vielleicht nie mehr jemand erreichen wird. Bobby Jones hatte seinen Traum verwirklicht: "Ich fühlte, wie der Druck von mir abfiel, wie ich mich völlig entspannte. Das Gefühl, nach dem ich mich so lange gesehnt hatte. Als ich dieses außergewöhnliche Projekt realisiert hatte, gab es nie wieder etwas, das ich unbedingt würde erreichen müssen!"

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