golf spielen:Angriff auf Nicklaus

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Tiger Woods schockt die Konkurrenz mit seinem Triumph in Augusta. Der Beginn einer neuen Dominanz?

Von Petra Himmel

Er ist abgetaucht, verschwunden. Keiner weiß wohin. Allein die Schar seiner Anhänger, die auf www-tigerwoods.com seinen Newsletter abonniert hat, erhält eine Nachricht: "Wenn ihr das lest, bin ich mit Elin auf meiner Yacht unterwegs." Wie schön. Wir stellen uns vor: Ein sportlich gestählter Siegertyp, an seiner Seite die kühle Blonde aus dem hohen Norden, auf einer einsamen Yacht allein auf den ewigblauen Weiten des Meeres. Irgendwann angeln sie sich vielleicht ein Fischchen oder öffnen eine Dose Cola. Aber das ist dann irgendwie schon wieder sehr weltlich.

Tiger Woods - eine neue Ära? (Foto: Foto: Reuters)

Eigentlich nämlich hat Tiger Woods seit einigen Jahren wenig Weltliches an sich. Aus dem erst fröhlichen, dann etwas arroganten Teenager, der 1997 das US Masters in Augusta/Georgia mit zwölf Schlägen Vorsprung für sich entschied, war eine Art Mysterium geworden. Ein Supersportler, der zu Pressekonferenzen durch den Hintereingang erschien, auf unübersehbaren Pfaden mit Hilfe einer Crew von Bodyguards und Managern wieder entschwand. Ein Multimillionär, mit dem man nächtens um zwei Uhr Telefoninterviews führte, weil sich da gerade ein kleines Zeitfenster in einer Fernsehaufnahme für einen Werbespot aufgetan hatte. Die unglückselige Gemeinschaft vierer Journalisten also verharrte vor vier Telefonen irgendwo auf diesem Globus, stellte ruckzuck immer vier, fünf Fragen, dann drehte Woods wieder eine Szene, währenddessen man zu Hause vor der Telefonleitung problemlos ein Gläschen Wein hätte trinken können, und dann war wieder so ein Zeitfenster da für ein paar Fragen. Es gibt keinen anderen Profigolfer, von dem man solch einen Unfug hinnehmen würde. Mit Mysterien ist das anders. Aus Woods war längst eines geworden. Der Tiger-Slam war ihm im Frühjahr 2001 geglückt, als er alle vier Major-Titel in Folge hielt. Mit acht Major-Siegen innerhalb von sechs Jahren kratzte er an der Position des Jahrhundertgolfers Jack Nicklaus. Die Position des Weltranglistenersten schien ihm auf ewig zu gehören. Es gab dann diesen Einbruch, der nach der US Open 2002 begann und bis zum diesjährigen US Masters anhielt: Kein Major-Sieg, kaum andere Erfolge, verzogene Drives, missglückte Putts, dafür die große Liebe, die Heirat, eine neue Yacht. Die Führung in der Weltrangliste war dahin. Sollte das alles gewesen sein? Wer zuhörte, wenn Woods-Vater Earl erzählte, sein Sohn sei schon als Kind so wettkampfbesessen gewesen, dass er mit Jedermann eine Wette über das schnellstmöglichen Austrinken von Wasserbechern einging, ahnte, dass Yacht und Frau den Golfsport wohl auf Dauer nicht ersetzen würden.

Still und lange im Verborgenen hat Woods mit dem Texaner Hank Haney im vergangenen Winter seinen Schwung umgestellt, ist nach eigenen Aussagen dabei "ins Detail gegangen wie nie zuvor". Dann hat er zum Jahreswechsel bei einigen Turnieren kleine Kostproben der neuen Fähigkeiten gegeben, ein erstes beeindruckendes Muskelzucken. In Augusta ist daraus ein beachtliches Kräfteschauspiel geworden. In weniger als 50 Minuten verwandelte er mit Hilfe von sieben Birdies in Folge im Verlauf der dritten Runde einen Rückstand von drei Schlägen auf seinen Landsmann Chris DiMarco in einen Vorsprung von zwei Schlägen. Am Ende der vierten Runde leistete er sich zwar noch einen packenden Zweikampf mit Di- Marco, der zu einer Playoff-Entscheidung führte. Aber man ahnte den Ausgang schon. Einmal in solchen Situationen höchsten Drucks angekommen, scheint es irgendwie immer nur Woods zu sein, der gewinnen kann. So wie auch diesmal in Augusta.

So freut sich ein Tiger - über seinen neunten Majorsieg. (Foto: Foto: Afp)

Ist der neunte Majorsieg der Karriere, der erste der Saison 2005, womöglich der Beginn einer neuen Dominanz des Tiger Woods, in der wir ähnlich wie 2000 scheinbar Unmögliches zu sehen bekommen werden. Hank Haney jedenfalls hat verkündet, man werde nicht glauben können, was Woods in naher Zukunft noch an Golf zelebrieren werde. Der Konkurrenz wird diese Aussage Unbehagen bereiten. In Pinehurst/North Carolina wird es vom 16. Juni an zum nächsten Showdown der Weltbesten kommen. 1999 hat Woods hier bei der US Open den dritten Platz belegt. Der klassische Platz kommt ihm zwar einerseits aufgrund der extrem engen Fairways nicht so entgegen, fordert andererseits aber Fähigkeiten, über die er in besonderem Maße verfügt. Die extrem schweren Grüns im Stile von Schildkrötenpanzern erfordern Anspiel auf den Quadratmeter genau. Gedankliche Pannen kann man sich da nicht leisten. Konzentration und Strategie aber sind stets die Stärken von Woods gewesen. Phil Mickelson, 1999 Zweiter in Pinehurst, könnte ihm hier aufgrund seines herausragenden kurzen Spiels zum größten Konkurrenten werden.

Vier Wochen später kehrt Woods auf den Old Course im schottischen St. Andrews zurück. Hier hat er zuletzt 2000 bei der British Open die Konkurrenz mit acht Schlägen Vorsprung in Grund und Boden gespielt. Das bucklige unberechenbare Golf auf dem knochenharten Linksplatz, den tiefen Pottbunkern, den unübersichtlichen, sich ineinander verlaufenden Spielbahnen muss man mögen. Woods, der kreative Spieler, hat es stets gemocht. Die British Open könnten so nach Augusta zur größten Siegmöglichkeit des Weltranglistenersten werden.

Die PGA Championship Mitte August in Baltusrol dagegen gerät aus seiner Sicht zur großen Unbekannten. Als Pro hat er auf dem Traditionsplatz noch kein Turnier bestritten. Weshalb er sich an seine bewährte Routine im Vorfeld von Major-Turnieren halten wird. Da kramt er die uralten Videos vergangener Turniere auf diesem Platz aus dem Archiv, studiert stunden- und tagelang die Drives, Chipps und Putts seiner Vorgänger, saugt jedes Detail, jede Besonderheit ein, macht den Kurs zu einem festen Bestandteil der eigenen Person. Steht er dann am ersten Tee, hat er die Fähigkeit, diese Infos auf die richtige Art zu sortieren, die richtigen Schläge abzuleiten. Hat er das vier Tage lang betrieben, ist er am Ende eines Major-Turniers "völlig ausgelaugt" - so wie nach seinem Sieg in Augusta. Dann passieren ihm Szenen wie zuletzt jene tränenerstickte Rede an seinen Vater Earl, die er sich bei der Masters-Siegerehrung erlaubte. Ein emotionaler Ausrutscher aus der Sicht des ansonsten stets so gefassten Woods. Kein Wunder also, dass er dann ein paar Angeleinheiten und Tauchgänge braucht, um dieses unbeabsichtigte Lüften der Tarnkappe zu verkraften.

Mit seinem vierten Masters-Sieg und dem neunten Majorsieg insgesamt hat Woods Jack Nicklaus'Rekord von 18 Major- Titeln zur Hälfte erreicht. Dabei hat er mit 29 Jahren schon zwei Major-Siege mehr errungen als Nicklaus im gleichen Alter. Und noch eine Marke für die Statistikbücher. Mitte Mai verpasste Woods bei den Byron Nelson Championships nach sieben Jahren und 142 Turnieren erstmals wieder den Cut. Damit kann er gut leben.

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