golf reisen:Freier Drop beim Krokodil

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Golfen jenseits der Teerstrassen, Golfen irgendwo im Herzen Afrikas: Der einstige Sport der Kolonialherren ist längst heimisch geworden.

Michael Birnbaum

Am Anfang stand ein rotes Bag. Ein Besucher hatte es, anständig bestückt, bei uns in der "Wildnis" stehen lassen. Der Rest ist eine wechselvolle Geschichte aus wachsender Leidenschaft und glücklichen Zufällen, ein hindernisreicher Weg, der mich an seltsam schöne Orte und zu ausgefallenen Begegnungen führte. Der Weg bleibt steinig und ist doch hoffentlich noch lange nicht zu Ende; auch wenn das folgende Kapitel zumindest als vorübergehend abgeschlossen gelten kann: Golfen jenseits der Teerstraßen, irgendwo in Afrika.

Muthaiga Golf Club (Foto: Foto: Kenya Tourist Board)

Schade eigentlich - und dann doch wieder ganz gut. Denn Vieles des Erlebten sollte man einmal glücklich überstanden haben, aber kein zweites Mal versuchen. Schon gar nicht nachmachen. Anderes wiederum war nur zu diesem einen Zeitpunkt möglich, ist und bleibt nicht wiederholbar. Zum Beispiel am Pfingstwochenende die 18 Loch in Kinshasa, damals noch Hauptstadt des Zaire: Drives entlang des mächtigen Stroms, auf dem die zerrissenen Wasserrosenfelder wie verlorene Inseln gen Atlantik treiben, 38 Grad im Schatten bei 99 Prozent Luftfeuchtigkeit. Diktator Mobutu war gerade eben seit einigen Stunden außer Landes, der neue Chef, Rebellenführer Laurent Kabila, noch nicht in der der Stadt, die bald Hauptstadt der Republik Kongo werden sollte. Golfen im Niemandsland, Putten in der Anarchie - ohne Greenfee und auf ungemähten Fairways, wie meistens bei solchen Trips mit geliehenen Eisen.

Aber alles der Reihe nach. Es geht um Golfen jenseits der Teerstraßen, um Golfen in Afrika. Nein, nicht Südafrika! Das machen viele. Es geht um Golfen jenseits, also nördlich von Südafrika, Golfen dort, wo der eine oder andere glaubt, das Herz der Finsternis beginne, wo es aber überraschend strahlend schöne und helle Momente gemeinsamer Golfrunden gibt. Etwa in Kisi, einer Provinzstadt in Kenia, nahe des Teeanbauzentrums und nicht weit vom Viktoriasee. Der Abschlag zum Loch 2 liegt dort gleich hinter der Polizeistation. Der Platz, ursprünglich wie die meisten der insgesamt 40 Golfplätze in diesem ostafrikanischen Land noch angelegt in der britischen Kolonialzeit - damals vor den Toren der Stadt - liegt heute mittendrin im Stadtzentrum. Golfplatz und Stadtpark zugleich. Und weil die lokale Polizeistation so günstig liegt, sei gleich verraten: Es war so gegen 16.30 Uhr, der Polizeichef fragte, ob er sich anschließen dürfe. Hätte ich gewusst, dass er sein Handicap 2 so locker spielt, ich hätte dankend abgelehnt und lieber eine Trainerstunde genommen. Was für ein Drive! Der Ball hoch droben im azurblauen Tropenhimmel, schnurgerade. Doch da, in der "Landezone", plötzlich eine Völkerwanderung von Menschen auf ihrem Weg nach Hause. Stadtpark eben. Viel Mut ist da nötig zum Abschlagen, gepaart mit der Gewissheit, die Länge von 300 Metern in diesem Leben selbst sowieso nicht mehr zu schaffen. Ein schönes Spiel insgesamt, ein gutes Gespräch. Über 18 Löcher kann sich bekanntlich niemand verstellen, spätestens am 19. ist das meiste verraten und gesagt worden.

Gut so, ein weiterer Grund, den "Sport der Demut" (Kopf unten halten) zu pflegen. Golfen in Afrika wird meist gleichgesetzt mit Urlaub in Südafrika. Falsch! Es gibt viel schönere, viel aufregendere und auch originellere Plätze als Sun City und andere südafrikanische Resorts. Und für einen Zeitungsreporter auf dem Kontinent kaum bessere Nachrichtenbörsen und neutralere Treffpunkte als Golfplätze. Jeder hat so seine Tricks. Ein britischer Kollege reiste zum Beispiel mit Angelrute quer durch Afrika - und schrieb ein lesenswertes Büchlein unter dem Titel "Fishing in Africa" (in dem es vor allem um Politik und gesellschaftliches Verständnis geht). Hier und heute mein Geständnis: Ja, ich habe im Dienste der Wahrheitsfindung gegolft - und zwar überall, wo dies nur möglich war, fast sieben Jahre lang, auf Dienstreise und privat.

In Tansania im Wahlkampf ließ sich keiner der beiden Kampagnenchefs - weder der Regierungs- noch der Oppositionspartei - zu einem Interviewtermin mit dem unbedeutenden deutschen Reporter herab. Keine Zeit, bitte um Verständnis, zu viel zu tun. Denkste! Jeden Freitagnachmittag spielten die beiden politischen Gegner, ehemalige Studienkollegen übrigens, in Daressalam ihre Partie Golf - zudem gar nicht übel. Auf der gemeinsamen Runde zu Dritt an jenem Freitag war, fahren als in hundert Hintergrundgesprächen mit Politikern, Wählern, westlichen Wahlbeobachtern oder klugen Diplomaten oder frechen lokalen Journalisten.

Windsor Golf and Country Club (Foto: Foto: Windsor Golf and Country Club)

Schöner Golfplatz übrigens in Daressalam, ein wenig heiß, ein bisschen zu trocken, harter Grund bei viel Luftfeuchtigkeit vom Indischen Ozean her, dafür lang laufende Bälle, kein lohnendes Reiseziel, aber schön "zum Mitnehmen". Der Platz in Arusha im tansanischen Hochland nahe des Kilimandscharos übrigens auch - sehr viel besserer Boden, weil mehr Niederschlag, längere Drives ob der Höhe (1.500 Meter über N.N.) und gute Kontakte zu Vertretern der Anklage, der Verteidigung oder auch Richtern des Internationalen Gerichtshofes zu Ruanda. Man trifft sich eben zum Golfen ... Mein guter Kontakt zur kenianischen Regierungsspitze übrigens beruhte, trotz böser, kritischer Berichterstattung (zu Recht!), auf gemeinsamen, regelmäßigen Golfpartien mit einem Mitglied im Windsor Golf & Country Club, meinem Homeclub in Nairobi.

Dort, in Windsor, erfuhr ich auch immer rechtzeitig von einem Gewährsmann ganz geheimer Provenienz, wann ich in der Zeit der UN-Präsenz schleunigst wieder nach Somalia reisen sollte, weil sich dort etwas zusammenbraute. Oder in Burundi, jenem afrikanischen Zwergstaat, der andauernd am Rande der Katastrophe steht: Bujumbura, die Hauptstadt, eigentlich ein Traum. Gelegen am Nordufer des Tanganjikasees, einer endlos silber schillernden Scheibe vor den dunklen Bergen des Kongos am Ufer gegenüber. Die Stadt selbst eingebettet in malerisch, steil aufsteigende Hügelketten mit Kaffeepflanzungen.

Doch die Idylle trügt, die Wirklichkeit ist ein Inferno, ein schleichender Völkermord: Die Mehrheit der Menschen sind Hutus, die Mächtigen aber waren lange Tutsi. Der gleiche Ethnomix wie im Nachbarland Ruanda (schöner Platz übrigens in Ruandas Hauptstadt Kigale: Golf Club Source de Nil, inzwischen längst wieder entmint), die Probleme in Burundi dennoch anders. Hier waren immer die Tutsi an der Macht - bis 1993 einer ihrer Diktatoren demokratische Wahlen zuließ. Das Ergebnis ist keine Überraschung: Der Kandidat der Bevölkerungsmehrheit gewann - und wurde nur Monate nach seinem Sieg ermordet. Seitdem ist viel geschehen und geschieht weiterhin.

Eine komplizierte Geschichte, mit vielen Wenn und Aber. Doch genug der Politik. Erfahren, warum, weshalb alles passierte, und wie es weiter ging, wer, wie, was - das lässt sich (auch) auf dem Golfplatz von Bujumbura. Ein Unikum: Neun Loch werden dort gemeinsam genutzt mit - dem Reitsportverband! Ja, wirklich. Vor dem Abschlag ein Blick nach links, dann nach rechts, kein Reiter naht, also raus mit dem Ball. Bei der Annäherung dann: Die Greens sind mit mobilen kleinen Schutzzäunen in Kniehöhe vor den Pferden geschützt. Also Pitch aus dem Sack, Caddie vorschicken, Green öffnen, das nenne ich eine Annäherung!

Doch Spaß beiseite: Golfen in Afrika hat, wie an den meisten Orten, viel mit Eliten, denen da oben und denen da unten zu tun. Wohl nirgends in der Welt gibt es so gute und zugleich billige Caddies wie in den Tiefen Afrikas, sprich abseits der Touristenströme an den Küsten. Die Wurzeln des Golfens, ja, sie stecken in der Kolonialgeschichte. Die Briten haben in ihren Ländern ihre Kultur etabliert. Das Clubleben, Golfen mit klaren Regeln und Etiketten (Männer in Shorts nur mit kniehohen Socken, keine freien Schultern, auch nicht bei den Damen). Modeschau, nein danke, erfrischend bis heute.

Die Franzosen haben im Westen des Kontinents ihre Plätze eingerichtet. Herrliche Lagen, etwa an der Lagune von Abidjan an der Elfenbeinküste (Vorsicht Malaria!) - gleich daneben übrigens die einzige Eissporthalle Schwarzafrikas. Wo wir Deutschen prägend waren, in Namibia etwa, und nach dem Ersten Weltkrieg weder Franzose noch Brite richtig übernahm, findet man dagegen bis heute nicht die kulturelle Infrastuktur. Golfen hat in Deutschland eben noch keine lange Tradition. Aber: Längst ist Golfen afrikanisch geworden. Wo früher der britische Kolonialsiedler auf dem mit Lineal gezogenen Loch 7 (langes Par 4 übrigens) auf dem Weg von Nairobi nach Thika gleichzeitig die Landebahn für sein Ein-Propeller-Flugzeug hatte, spielen heute längst Kenianer - in ihrem Land, auf ihrem Boden, in ihrem Club. Der Muthaiga Club in Nairobi, Sinnbild weißer Kolonialherrschaft (bei uns spätestens seit dem Film "Jenseits von Afrika"), ist heute fest in kenianischer Hand. Ich stand eines Abends vor dem Clubhaus und wurde nicht eingelassen, hatte keine Krawatte um. Mit versteinertem Gesicht sagte der Herr an der Tür des Clubs - genussvoll: "You made the rules" ("Die Regeln stammen noch von euch"). Dann huschte ein Lächeln um seine Mundwinkel. Unvergessen.

Ja, Muzungu (wie die Weißen auf Swahili genannt werden), aus damit, Ende, aufs Handicap kommt es an, nicht auf die Hautfarbe, alle sind vor den Regeln gleich. Und dennoch manche Gleicher. In Lusaka, der Hauptstadt Sambias, herrschte einst der "Vater der Unabhängigkeit", Kenneth Kaunda. Der ist nicht nur ein begabter Interpret deutscher Arbeiterlieder mit eigener Gitarrenbegleitung (die Süddeutsche Zeitung berichtete), sondern auch ein leidenschaftlicher und guter Golfer (ob er, Jahrgang 1924, heute noch spielt, entzieht sich meiner Kenntnis). Also liegt hinter dem Präsidentenpalais in Lusaka ein präsidialer Golfplatz. Nur dass Kaundas Nachfolger, ausgerechnet ein Gewerkschaftler, nicht golfte. Der ist übrigens auch nicht mehr im Amt.

Dagegen spielte Jerry Rawlings, langjähriger Chef in Ghana und Luftwaffen-Pilot, der auch deutsche Minister über sein Land flog, die offenbar aus Angst vor einem Absturz danach viel Entwicklungshilfe gaben - dieser Rawlings spielte nicht Golf, aber dafür ich vor der Kaserne in Accra, in der Rawlings Dienst tat, als er putschte. Einer dieser historischen Orte - ohne Greens, die sich in diesem Klima kaum halten würden, stattdessen mit Browns, Sanderde um das Loch herum, toll zum Putten. Aber bei der Annäherung eine ganz andere Herausforderung: Der Ball muss vorher aufkommen und drauf rollen - sonst ist er verloren ...

Apropo Browns: Die findet der Golf-Safarist auch am Lake Magadi, dem angeblich heißesten Ort Kenias rund 100 Kilometer südwestlich von Nairobi. Am Viktoriasee liegt ein Platz mit einer der unverständlichsten local rules: Freier Drop, wenn der Ball näher als einen Meter bei einem Krokodil zum Liegen kommt. Ein Meter, das ist nichts für diese Reptilien! Ehrlich, ich habe mehr Bälle verbraucht. Oder der trockene Sommer, in dem eine Nilpferd-Familie in die künstlich angelegten Bewässerungsseen in Windsor eingewandert war. Auf dem ersten Grün waren morgens riesige Fußabdrücke zu sehen, ein schweres Schnaufen am Abschlag zwei über das Wasser zu vernehmen. Drives mit Gänsehaut. Denn Nilpferde können sehr schnell laufen und unangenehm werden. Der Tierschutz kam, betäubte die Riesen und verbrachte sie wieder dahin, wo sie hingehören - in die kenianische Wildnis.

Wo also hinfliegen zum Golfen in Afrika? Mein Tipp: Simbabwe wäre schön - wenn es Präsident Mugabe nicht gäbe, der sich mit aller Gewalt gegen Weiße an der Macht hält. Kaum eine Stadt mit mehr Golfplätzen als Harare, kaum eine schönere Landschaft als an Leopard Rock bei Mutare im Süden. Nein, Kombi-Urlaub mit Küste, Landschaft, Tiersafari und täglichem Golf - es gibt für die "Afrika-Anfänger" unter den enthusiastischen Golfern nur ein Ziel: Kenia.

An der Küste des Indischen Ozeans wartet (im Norden) der Nyali Golf Club, im Süden Leisure Golf Club. Dann unbedingt einige Tage in Nairobi einplanen. Windsor Golf & Country Club ist ein herrlicher Platz, Wasser, große Bunker, amerikanisches Layout, Regenwald - und auf der Rückrunde das Par 3 mit der Herausforderung, vom Tee keinen Slice zu Schlagen direkt "into the coffee" auf der benachbarten Kaffeeplantage. Dann unbedingt nach Sigona rausfahren - ein Platz am Rande des Grabenbruches, hoch gelegen (rund 2.000 Meter - exzellent für lange Drives), nicht einfach, lang, manchmal eng, aber immer mit schönen Blicken auf die bunte Welt des Hochlandes. In Nairobi gibt es insgesamt sieben Plätze: Muthaiga, Karen Country Club, den Royal Nairobi Golf Club, Limuru Country Club, VetLab - und den Railway Club im Stadtzentrum, den ich auslassen würde.

Dann Weiterfahrt zum Mont Kenia: 9 Loch im Nyeri Sports Club, schwer, hügelig, fast bergig - nahe des berühmten Outspan Hotels. Unbedingt im Aberdare Country Club die neun Loch mit Blick auf den Mount Kenia spielen (und die Warzenschweine verscheuchen, herrlicher Abschlag am Loch 7 vom Berg herunter auf das Grün). Dann weiterfahren zum Mount Kenia Safari Club: Golfen nördlich und südlich des Äquators. Zwar nur neun Loch, dafür aber einmalig - auch zum Übernachten. Fahrt durch die Aberdares zu den Rift Valley Seen. Golftag in Nakuru - der Platz liegt auf dem ehemaligen Vulkan Menengai, den Blick auf den See mit seinen Heerscharen an Flamingos gibt es sonst nur im Fernsehen.

Und auf der Wegstrecke liegen überall "game reserves" zum "Tiere gucken". Wochenlang - oder länger - hat man da täglich was zu tun. Und wer sich zugleich in die Geschichte des Landes einlesen will, dem sei ein Buch empfohlen:"Rhinos in the Rough, Golfer's Guide to Kenya" - jeder der 40 Plätze detailliert beschrieben, mit allen Löchern und eben auch seiner Geschichte. Ein Buch mit Ganzheitsanspruch!

Deshalb hat wohl meine Schwiegermutter damals ihr rotes Bag stehen lassen in Nairobi - und uns als Familie verführt, mit diesem dem menschlichen Körper so widersprechenden Sport zu beginnen und nicht wieder aufhören zu können.

Das ist ihr gelungen. Danke!

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