Golf:Mit Zip, Pop und Köpfchen

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Phil Mickelson gewinnt zum zweiten Mal das Masters in Augusta, weil er sich unter Kontrolle hat und die wenigsten Fehler begeht.

Petra Himmel

Die Geschichte des Masters 2006 handelt von einem langen Zusammenrücken, einem ungewöhnlichen Getümmel an der Spitze und dem langsamen Auseinanderbröseln der Gruppe in der letzten Phase des Finales. Übrig geblieben ist am Ende Phil Mickelson, nach 2004 zum zweiten Mal Sieger des wichtigsten Golfturnier - diesmal mit einem Gesamtergebnis von 281 Schlägen und sieben unter Par.

Vorjahressieger Tiger Woods hilft Phil Mickelson ins Champion-Jacket (Foto: Foto: AP)

Mit einer Führung von einem Schlag war er am Sonntagnachmittag in die Finalrunde des 70. Masters auf dem Platz von Augusta National in Georgia gestartet, am Ende betrug der Vorsprung auf den Südafrikaner Tim Clark zwei Schläge. "Ab dem 15. Loch wusste ich, dass ich es hatte", resümierte der 35-Jährige am Ende des Tages. "Es ist ein unheimlich befriedigendes Gefühl zu wissen, dass ich dieses starke Feld geschlagen habe." Tatsächlich wurde dem Weltranglistenzweiten auf den letzten Löchern kein Gegner wirklich gefährlich.

Seltene Dichte und Niveau

Doch was am Ende wie ein routinierter Erfolg aussehen konnte, war lange ein Kampf mit unerwartet vielen Gegnern: 15 Spieler hatten nach einer mehr als vierstündigen Regenunterbrechung am Samstag die dritte Runde Sonntag am späten Vormittag innerhalb von vier Schlägen beendet. Die Top Fünf der Weltrangliste waren allesamt unter den ersten Zwölf des Feldes platziert. Hoffnungsvoller Nachwuchs wie der Amerikaner Chad Campbell oder der Südafrikaner Clark war Mickelson direkt auf den Fersen. Scheinbar überalterte Routiniers wie Fred Couples oder José Maria Olazábal begannen die Jagd nach dem Titel. Vier Masters-Champions fanden sich allein in den letzten vier Paaren - selten hat ein Feld ähnliche Dichte, auch ähnlich hohes Niveau gezeigt.

Als Rocco Mediate, Vierter nach der dritten Runde, Loch elf und damit Amen Corner erreichte, war noch immer nichts entschieden: Elf Spieler lagen innerhalb von drei Schlägen, die Frage nach dem Titelträger blieb offen. Doch dann begann sich einer nach dem anderen aus der Spitze zu verabschieden, am dramatischsten Mediate: Ihm unterlief am kurzen Loch zwölf eine zehn, sieben Schläge über Par, drei Bälle landeten im Wasser, katapultierten ihn zurück unter Ferner liefen.

Dann mussten Vijay Singh, Retief Goosen und Tiger Woods nacheinander abreißen lassen, und spätestens als das letzte Paar die 14. Bahn gespielt hatte, war alles klar. Mickelson hatte eine schwere Prüfung bestanden, Couples trotz eines brillanten Annäherungsschlages einen weiteren Schlag eingebüßt. "Das war für mich ein Killer", befand Couples. Eine Negativleistung, die das Gesamtbild abrundete: Erstklassig waren die Drives des 46-Jährigen, der Jack Nicklaus als ältesten Champion hätte ablösen können. Gut auch die Eisen und Chips. "Ich bin ziemlich begeistert von der Art, wie ich meine Bälle getroffen habe", resümierte Couples, "aber aus fünf Metern und weniger habe ich einfach zu wenige Putts gelocht. Das war ziemlich mittelmäßig."

Hätte Couples' Spiel auf den Grüns ähnliche Qualität gehabt wie bei José Maria Olazábal, wäre der Amerikaner wohl am Ende der Sieger gewesen. Der Spanier lochte nämlich beharrlich die gemeinsten Putts, legte mit einer 66 die beste Runde des Turniers vor. Aber in seinem Bemühen, Mickelson weiter unter Druck setzen, verkrampfte er. Vielleicht erinnerte er sich an das vergangene Turnier, als der Spanier erbenfalls Zweiter hinter dem Amerikaner geworden war.

Sandwedge landete im Abstellraum

Da hatte Mickelson erstmals eine kleine Überraschung zelebriert, die auch die Masters-Woche überdauerte: Sein Sandwedge landete kurzerhand im Abstellraum, stattdessen packte er zwei Driver in die Tasche. "Der zweite hat mir einfach extra Zip und Pop gebracht", bilanzierte der Champion nach seinem Erfolg in Augusta. Was ins Deutsche übersetzt wohl bedeutet, dass Driver Nummer 2 - identisches Modell wie Nummer 1, aber mit anderer Gewichtsverteilung im Kopf - für etwas mehr Länge und eine Flugkurve nach rechts sorgte. 13 Schläge Vorsprung und ein Platzrekord, womit er die Bell South Classic vor einer Woche gewann, wurden es in Augusta nicht, immerhin aber ein komfortabler Sieg, bei dem er sich den einzigen Fehler der Schlussrunde für das letzte Loch aufhob, als er sich - bei drei Schlägen Vorsprung - ein Bogey locker erlauben konnte.

Wer den Triumph allein auf die Driver-Taktik schieben wollte, würde die entscheidende Veränderung im Spiel des Linkshänders jedoch missachten: Er agiert neuerdings mehr denn je mit Köpfchen. "Ich denke, ich bereite mich einfach besser vor, ich kontrolliere mein Spiel besser, Ballflug und Putten sind besser", analysierte er selbst. Tatsächlich ist der alte, völlig unberechenbare Phil dahin: Gesegnet mit erstklassigem kurzen Spiel und ewiger Länge vom Abschlag, blieb er jahrelang unkalkulierbar in seinen Entscheidungen. Kurz vor seinem ersten Masters-Triumph 2004 hat sich das geändert: Den Schlag mit dem Eisen 2 aus dem Semirough unter einem Baum auf ein Inselgrün wird man wohl nicht mehr von ihm erleben. Stattdessen überzeugte Mickelson mit gut getroffenen Drives, erstklassigen Eisen an die Fahne, vor allem aber nahezu fehlerlosem Putten.

Der Tiger bleibt der Beste

Von letzterem konnte sein ärgster Widersacher nur träumen. "Ich hatte den Golfball wirklich unter Kontrolle", analysierte Tiger Woods seine 70er Finalrunde, die auch für ihn den geteilten dritten Rang bedeutete. "Wenn ich den Ball genauso gut geputtet hätte, wie ich ihn getroffen habe, dann hätte ich Phil schon noch einen Kampf geliefert." So aber wurde der Weltranglistenerste im Verlauf des Sonntag nachmittags nie wirklich ein Teil des Wettlaufs um den Sieg. Am Ende half er Mickelson bei der Siegerehrung traditionell ins neue grüne Jackett. Die Verhältnisse im Profigolf sind trotzdem nicht auf den Kopf gestellt. "Die vergangenen zwei Wochen war Phil der Beste", befand Fred Couples, "aber dass Tiger insgesamt der Beste ist, steht außer Frage."

© SZ vom 11.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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