golf lexikon:Der ersetzte Ball

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Golf ist ganz logisch und eigentlich ganz einfach ...

... wenn es nicht diese Regeln gäbe. Und deren Neuerungen natürlich. Von denen eine den ersetzten Ball betrifft.

Der Ball liegt im "Rough". Wie ist das nun mit dem ersetzten Ball? (Foto: Foto: Image 100)

Golf ist ein wunderbares Spiel und ein ganz einfacher Sport. Es ist nichts weiter zu tun, als einen kleinen Ball mehrmals ein Stück weit in Richtung eines Zieles zu befördern. Man könnte ihn werfen oder mit dem Fuß kicken. Aber die Spielregel besagt, dass man es mit einem Schläger zu machen hat. Das bringt Spaß, man bewegt sich, ist an der frischen Luft. Und die Regeln sind ganz einfach, einfacher als beim Doppelkopf. Eigentlich genügen zwei Grundsätze: "Play the ball as it lies", heißt der eine. Und der andere: "If you can't play it be fair". Das ist die ganze Kunst. Dann gibt es noch ein paar Ausführungsbestimmungen. Zum Beispiel, dass man, wenn man den Ball nicht richtig getroffen hat, den Schlag nicht einfach wiederholen darf. Golf ist ein ehrliches und anständiges Spiel und von schöner Logik. Wer am Ende der Runde die wenigsten Schläge auf seiner Karte verzeichnet hat, der hat gewonnen.

Darin nun liegt die Crux. Weil man es letztlich doch nicht zur eigenen Erbauung tut, sondern um besser zu sein als ein anderer oder wenigstens als man selbst. Und weil der Mensch gerne sich selbst und andere betrügt, genügt es nicht, sich dem "spirit of the game" hinzugeben, dem wahren Geist des Golfspiels, sondern es braucht Regeln. Die hat der Royal and Ancient Golfclub of St. Andrews überarbeitet und dabei ist eine interessante Neuerung herausgekommen: Ein Ball ist nicht schon dann verloren, wenn ein neuer Ball nur fallengelassen wurde. Natürlich ist das Kauderwelsch für den Nicht-Golfer. Wir aber wissen, dass bisher Folgendes galt: Ließ ein Spieler einen neuen Ball fallen, während nach seinem ursprünglichen Ball noch gesucht wurde, so galt der alte Ball als "verloren" und der neue Ball als "Ball im Spiel". Nunmehr aber gilt: Lässt der Spieler einen neuen Ball fallen und der alte Ball wird innerhalb der erlaubten Fünf-Minuten-Frist noch gefunden, so gilt der ursprüngliche Ball als "Ball im Spiel" - sofern nach dem neuen noch nicht geschlagen wurde. Und einen Strafschlag gibt es nicht. Im deutschen Regelwerk heißt die neue Regel: "Ein Ball gilt als 'verloren', wenn der Spieler einen Schlag nach einem ersetzten Ball gemacht hat."

Hoppla, Deutscher Golfverband! Seid ihr sicher? Wir probieren das einmal in der Praxis eines wunderschönen Frühlingstages. Zwei Spieler stehen am Rande des Roughs, in dem der Ball des Spielers A verschwunden ist. Spieler A zieht einen neuen Ball aus der Tasche, lässt ihn fallen, schlägt ihn fabelhafte 100 Meter weit. In diesem Augenblick entdeckt Spieler B den alten Ball von A. "Wunderbar", sagt A, "dann spiel' ich den weiter; gibt keinen Strafschlag ..." B protestiert, zieht das Regelbuch heraus, das er den Regeln gemäß bei sich führt, und liest vor: "Ein Ball gilt als verloren, wenn der Spieler einen Schlag nach einem ersetzten Ball gemacht hat."

Spieler B: "Du hast nach dem ersetzten Ball geschlagen, also ist der alte Ball verloren. Strafschlag."

Spieler A: "Ich habe nicht nach dem ersetzten Ball geschlagen, sondern nach dem Ersatz-Ball, mit dem ich den Ball dort (deutet ins Rough) ersetzt habe ..."

Spieler B (unterbricht): "Eben, der ersetzte Ball. Du hast ihn ausgewechselt ..." (bricht ab).

Spieler A: "Genau. Nimm mal an, der FC Bayern wechselt Oliver Kahn aus, weil der sich verletzt hat, und schickt den Ersatz-Keeper ins Tor. Wer wird dann ersetzt?"

Spieler B:"Kahn".

Spieler A: "Genau. Kahn ist der ersetzte Torwart. Der Neue ist der Ersatz-Torwart."

Spieler B: "Dann wäre dein alter Ball (deutet auf den Ball im Rough) ja der ersetzte Ball und der Ball, den du eben geschlagen hast ...?"

Spieler A: "... ist alles mögliche. Ein Ersatzball. Ein Ball, der anstelle das ursprünglichen Balles ins Spiel gebracht wurde. Ein neuer Ball. Keinesfalls aber ist es der ersetzte Ball; der ist nämlich der, den ich ersetzt habe. Die deutsche Sprache ist da ganz eindeutig. Partizip zwei, wenn du weißt, was ich meine ..."

Spieler B: "Hmm. Und was machen wir jetzt?"

Spieler A (denkt einen Augenblick nach, gibt sich dann einen Ruck): "Wir folgen dem Sinn der neuen Regel und bis zum Loch 18 denken wir uns dafür eine neue Formulierung aus."

Spieler B (stumm, blickt A fragend an).

Spieler A: "Zum Beispiel: Ein Ball gilt als verloren, wenn der Spieler einen Schlag nach einem Ball gemacht hat, den er anstelle seines ursprünglichen Balles ins Spiel gebracht hat. Wir könnten auch sagen: ... gilt als verloren, wenn der Spieler einen Schlag nach einem Ersatzball gemacht hat. Aber ich finde, mit dem Nebensatz klingt es ... (sinniert eine Weile) ... eleganter. Eine Zeile mehr, aber eleganter. Findest du nicht? Und vor allem richtig."

Spieler B: "Wie heißt die neue Regel eigentlich auf englisch?"

Spieler A: "Wahrscheinlich ist da von ,substituted ball' die Rede, nach unserem Sprachgebrauch also der Ball, der die Rolle des ausgewechselten Balles übernommen hat. Wir könnten dafür ein Gerundium verwenden und einen solchen Ball den ersetzenden Ball nennen. Das ist nämlich der Ball, der den ersetzten Ball ersetzt."

Spieler B: "Klingt aber nicht sehr elegant."

Spieler A: "Finde ich auch. (Blickt sich um) Komm', lass' uns weiter spielen. Hinter uns werden sie ungeduldig ..."

© Martin E. Süskind - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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