Golf:Das grüne Monster

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Der Masters-Kurs von Augusta ist so verschärft worden, dass selbst seine Liebhaber laut Kritik üben.

Petra Himmel

Miss Kayser aus Tennessee hat ihren Klappstuhl neben dem ersten Abschlag aufgeschlagen. "Es ist immer wieder schön, hierhin zu kommen", schwärmt die 73-Jährige. Die Magnolien blühen im gewohnten Rosa, die Jacketts der Clubmitglieder sind so grässlich quietschgrün wie immer, und auch die Käse-Sandwiches haben nichts von ihrer kaugummiartigen Konsistenz verloren. Die Umstände sind also wie immer am ersten Aprilwochenende beim Masters im Augusta National Golf Club. Und da Miss Kayser seit 14 Jahren Teil dieser Veranstaltung ist, wird sie bis zur Finalrunde am Sonntag ihr gewohntes Plätzchen am ersten Abschlag einnehmen und die Drives der Profis genießen.

Es stört sie nicht, dass in diesem Jahr genau hier ein grässliches Gedränge herrscht. Wo früher zwischen erstem Abschlag und Puttinggrün reichlich Bewegungsspielraum war, ist ein kleiner Durchgangsstreifen von drei Metern geblieben. Der erste Abschlag nämlich ist fast 50 Meter nach hinten in Richtung Puttinggrün gewandert. Von hier aus unternimmt an diesem ersten Trainingstag der Masters-Champion von 1995, Ben Crenshaw, den verzweifelten Versuch, einen Drive vom erhöhten Abschlag aus über ein Tal hinweg auf ein Plateau zu schlagen, das rechts von einem üblen Bunker bewacht wird.

Es sind gute 300 Meter vom Abschlag über den Bunker hinweg, weshalb Crenshaw schon vor seinem Schlag weiß, dass ihm dieser Kraftakt niemals gelingen wird. Bernhard Langer, in Sachen Länge auf der Tour guter Durchschnitt, ergeht es nicht viel anders: Da kann er beschleunigen soviel er will, bis auf das Plateau in der Mitte der Spielbahn wird sein Ball es niemals schaffen.

"Es ist so, wie es ist"

Crenshaw und Langer bleibt allein ein Schulterzucken: "Was soll ich sagen, es ist so, wie es ist, da hilft auch das Jammern nicht", befindet der Deutsche zur Länge des Platzes. Er weiß, dass die Rückkehr nach Augusta Jahr vor Jahr vor allem eines bedeutet: Spannung darüber, was die Verantwortlichen in den vergangenen zwölf Monaten mit den 18 Bahnen angestellt haben. Die nämlich befinden sich im steten Umbruch.

Während das Festhalten an Traditionen und Regularien, an den ewiggleichen Sandwichverpackungen und der lieb gewonnenen Vanille-Eiscreme im Silber-Staniol-Papier seit Jahrzehnten die Eigenheiten des Turniers bestimmt, wird der Golfplatz Jahr für Jahr ganz kräftig umgemodelt. In diesem Jahr hat es sechs Löcher getroffen, allesamt versehen mit nach hinten versetzten Abschlägen, neu gepflanzten Bäumen, engeren Fairways sowie größeren, tieferen Bunkern.

Entstanden ist ein Monsterplatz, 6700 Meter lang, gute 450 Meter länger als im Jahr 1997, als Tiger Woods seinen ersten Titel hier gewann. "Tiger-proofing" nennen denn auch die Profis den Versuch der Veranstalter, den Platz vor den ewig langen Drives von Tiger Woods, Phil Mickelson oder den nachrückenden "Baby-Bombern" zu schützen. "Wir versuchen nur, den Platz an die Erfordernisse der Zeit anzupassen und seine Integrität zu erhalten", erläutert Präsident Hootie Johnson seit 2002 alljährlich mit steinerner Miene.

Jetzt aber hat ein Teil der Spieler die Nase voll. Während Kritik an der Institution Augusta bis dato tabu war und nur hinter vorgehaltener Hand, niemals vor laufender Kamera geäußert wurde, haben die Altmeister Jack Nicklaus und Arnold Palmer, die es zusammen auf zehn Masters-Titel bringen, jetzt diese Spielregeln gebrochen. "Sie haben den Platz ruiniert", kommentiert Nicklaus die Umbaumaßnahmen. "Augusta hat für mich immer unglaublich viel bedeutet. Es ist ein wichtiger Teil meines Lebens, ich liebe es. Genau deshalb hasse ich diese Änderungen." Ein Kommentar, den der Konkurrent aus alten Zeiten, Palmer, sofort unterstützt: "Ich liebte alles, was hier passiert. Aber jetzt bin ich mir nicht so sicher. Der Platz, den ich kannte, hat sich unvorteilhaft geändert."

Das Masters ist von Beginn an ein Turnier der Denker gewesen, ein Major, bei dem es darum ging aus einer Unzahl von möglichen Spieloptionen, verschiedenen Angriffswinkeln des Loches, die passenden zu ermitteln. Die Weite der Fairways und fehlendes Rough hat das stets zugelassen.

Handtuchschmale Bahnen die Regel

"Inzwischen haben sie alles eliminiert, was Bobby Jones hier mit dem Golfspiel erreichen wollte", kritisiert Nicklaus. Jones, der Architekt, war der Verfechter des zweiten Schlages. Für den Drive sollte Platz sein, um dem Spieler die Wahl des Schlagwinkels zum Loch selbst zu überlassen. Inzwischen aber sind handtuchschmale Bahnen, Rough und riesige Bäume als Begrenzung die Regel. Wer vom Abschlag aus die richtige Landezone nicht trifft, kann das Par so gut wie vergessen. Langweilig sei das, eintönig, wenig kreativ, beklagen die Kritiker, wohlwissend, dass der Trend bei alten Plätzen sonst in die andere Richtung geht. Da wird ausgeholzt und Rough zurückgedrängt, dafür die Schwierigkeit der Grüns erhöht, um so den Variantenreichtum des Spiels zu fördern.

Allgemeine Trends allerdings haben die Herren von Augusta National noch nie interessiert. Mitmachen und Klappe halten, lautet die alte Regel für alle Teilnehmer des exklusivsten Einladungsturniers der Welt. Während Jack Nicklaus und Arnold Palmer sich auf ihre alten Tage als Zuschauer amüsieren, bleibt allen anderen nur der ewige Kampf mit dem stets neuen Augusta.

© SZ vom 5.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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