golf ausrüstung:Für 200 Dollar Verzweiflung

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Es lebe das Pop-Up-Netz - weil es irgendwann Hoffnung gab

Es sieht aus wie eine kleine Abschlagmatte. Aber es scheint etwas viel Komplizierteres zu sein. Und niemand weiß, wie es in unseren Keller gekommen ist. An einer schwarzen Hebelkonstruktion aus Plastik ist mit einer rotierenden Mechanik ein Stück Seil verbunden, an dem ein Golfball zwei Zentimeter über der Abschlagmatte hängt. Wahrscheinlich gehört zum Arrangement auch noch dieses staubüberzogene Computerkästchen mit Display. Es soll offenbar die Schlägerkopfgeschwindigkeit, die Länge und die Richtung des Ballfluges anzeigen. Die Batterien sind leer, eine Gebrauchsanweisung gibt es nicht mehr. Auf dem Kästchen steht: Digital Swing Guider.

Nie hat man jemanden mit diesem Ding trainieren sehen. Alle im Haus schwören, dass sie einen solchen Schrott auch niemals anschaffen würden. Und möglicherweise bin ich die einzige, die einen roten Kopf dabei bekommt. Ich weiß ja nicht, wie es bei Ihnen im Keller aussieht, ganz hinten zum Beispiel, noch hinter dem Fahrrad, das Sie schon vorletztes Frühjahr zum Sperrmüll schieben wollten. Geht ja auch niemanden etwas an, wie es da aussieht. Bei uns hinter dem Fahrrad könnte man jederzeit einen Golfshop eröffnen. Beunruhigend daran sind nicht die sieben Putter aus der ehrenhaften Abteilung Veteranen und Nostalgie, die wie Zinnsoldaten neben vier alten Golfbags stehen, die eher an abgelegte Ehemänner erinnern. (Das erste war möglicherweise doch das Beste, aus gutem Rindsleder, nur eben leider viel zu schwer). Wirklich beunruhigend dagegen ist die Ansammlung von erstaunlichsten und nutzlosesten Zubehör-, Trainings- und Schwungschlackerverhinderungs-Vorrichtungen aus der Abteilung Hysterie, Verzweiflung und Geldverschwendung. Hinter der Tischtennisplatte zum Beispiel dieses Pop-Up-Abschlagnetz, das ursprünglich zusammengeklappt in der praktischen Tragetasche kam, die nicht viel größer als zwei Klodeckel ist: Mit drei Pop-Up-Handgriffen konnte man es zu einem vier mal vier Meter großen Driving- Netz aufbauen. In der Gebrauchsanweisung wurde behauptet, dass man es mit drei Handgriffen auch wieder zusammenpoppen lassen kann. Wir haben es aber schließlich wohl nur deswegen so fest zwischen Wand und Tischtennisplatte geklemmt, weil es schon nach dem ersten Handgriff immer wieder aufgesprungen ist. Nie wieder wird irgendjemand in unserem Haus dieses Monster hinter der Tischtennisplatte berühren. Möglicherweise wird auch nie wieder jemand in diesem Haus Tischtennis spielen, weil er dazu die Tischtennisplatte aus dem Keller hervorziehen und das Pop-Up-Netz sofort und unkontrolliert zu voller und dann gänzlich ebay-untauglicher Größe aufpoppen würde.

Prothetische Vorrichtungen gegen Schwungschlenkern

Warum wird so etwas überhaupt hergestellt? Home-Driving-Ranges für 699 Euro? Ein Big-O-Tempo-Guide, der mit roten Lichtsignalen den Schwungrhythmus vorschreibt? Handschuhe, die piepen, wenn man den Putter zu fest greift? Prothetische Vorrichtungen gegen Schwungschlenkern? Richtungsweisende Laserclips für den Putter? Weil es offenbar gekauft wird. In welcher Verfassung also müssen vernunftbegabte Golfspieler sein, wenn sie die inneren Dämonen, Selbstzweifel und menschlichen Schwächen, um die es beim Golfen einzig und allein geht, mit 214,99 Euro teuren, lächerlichen Pop-Up-Netzen besiegen wollen oder mit diesen Schlackerschlägern, die bei falscher Schwungebene selbstvertrauentötend in sich zusammenklappen?

Die traurigste und deswegen auch schönste Stelle in dem zweitschönsten Golffilm, den es gibt, beginnt an dem Tag, an dem Tin Cup (Kevin Kostner) seiner schönen, coolen, neuen Schülerin Molly (Rene Russo) mit zwei groben Sätzen allen Schwunghilfen- und Prothesenquatsch ausredet, den sie sich für 200 Dollar beim Golfsender bestellt hat: "200 Dollar für Scheiße! Merken Sie nicht, wenn Sie verarscht werden?" Ein paar Tage und nur etwa siebzig Push-Slices später erwischt die schöne, coole Molly ihren verzweifelten Tin-Cup, wie er sich gerade die 200-Dollar- Scheiße umschnallt, die den Schläger hydraulisch zwei Handbreit unter dem Bauchnabel am Körper festhält. Arme und Beine sind neoprengeschient. Und am Schirm von Tin-Cups Baseball-Kappe baumelt ein Golfball zwischen einem filigranen Kräfte-Parallelogramm aus Draht. Niemals hat Kevin Costner bescheuerter, hilfloser und trauriger ausgesehen. Zum Trost ist dieser schreckliche Moment zugleich der große Wendepunkt des Filmes, an dem die schöne, coole Molly erkennt, dass sie unsterblich in Tin-Cup verliebt ist. So aber funktioniert es wahrscheinlich nur im Kino. Jedenfalls schon mal nicht bei uns im Keller.

© Evelyn Roll - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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