Golf:Abschied mit künstlichen Hüften

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Die 65 Jahre alte Golf-Legende Jack Nicklaus beginnt seine letzte British Open mit einer 75er Runde. In Führung liegt Tiger Woods.

Von Petra Himmel

Um 7.46 Uhr tritt der alte Mann ans Tee, macht ein paar Probeschwünge, spielt den Ball kerzengerade hinaus aufs erste Fairway. Es ist windig, wolkenverhangen, und die Zuschauer stoßen eher unterkühlt britisch ein paar Anfeuerungsrufe aus. Der letzte British-Open-Auftritt des Jack Nicklaus hat begonnen.

Einer der letzten Abschläge des 65-jährigen Jack Nicklaus - der Ball ist schon weit weg (Foto: Foto: AP)

Der 65-Jährige, der 1970 und 1978 auf dem Old Course zwei seiner drei British Open-Siege holte, hat hier schon einmal Abschied gefeiert - vor fünf Jahren bei der British Open. Der Royal & Ancient Golf Club of St. Andrews wechselte wohl auch dem 18fachen Majorsieger zuliebe danach überraschend die feste Reihenfolge der Austragungsorte, zog den Old Course von 2006 auf 2005 vor. Mit 65 Jahren, so ist die Regel, hat der Auftritt bei der British Open ein Ende.

Jack Nicklaus also nimmt noch einmal Abschied, diesmal zusammen mit dem alten Kollegen Tom Watson im Flight. 1977 bei der British Open in Turnberry haben sie sich das berühmte "Duell in der Sonne" geliefert, an dessen Ende der fünffache Open-Champion Watson die Oberhand behielt. An diesem Donnerstag aber geht es Nicklaus nicht um den Sieg, vielmehr um das Bestehen bei seinem 163. Major-Turnier, der 38. British Open, womöglich um den Cut. "Ich bin als Turnierteilnehmer hier", stellte er vorab ein wenig trotzig fest. "Wir werden also feststellen, ob dieser Teilnehmer bis Sonntag durchspielen kann und versucht, das Bestmögliche zu geben."

Erster Auftritt liegt 43 Jahre zurück

Schlechter als bei seiner ersten British Open-Runde 1962 in Troon kann es ohnehin nicht laufen. In letzter Minute fiel damals die Entscheidung zum Start, weil er die US Open gewonnen hatte. Nach überstandener Qualifikation über 36 Löcher bekam er um 15.45 Uhr die letzte Startzeit, ohne Mitspieler, nur mit einem Zähler im Flight. Ein Affront für den US Open-Champion, weshalb der R&A ihm in letzter Minute zwei weitere Profis an die Seite stellte. "Ich habe grässlich gespielt", schmunzelt Nicklaus heute. "Ich lag am Ende des Turniers 29 Schläge hinter (Arnold) Palmer, nachdem ich am ersten Tag schon eine 80 geschossen hatte."

Ein harter Start, aus dem zwei Jahre später bei der British Open in St. Andrews Liebe auf den ersten Blick mit dem Old Course wurde. Kein Wunder also, dass die Gesichtszüge von Nicklaus vor dem ersten Schlag am Donnerstag ernst und wehmütig sind. Zumindest der Auftakt seiner Runde aber ist viel versprechend. Nicklaus wie Watson gelingt am ersten Loch ein Birdie - da scheint der junge Brite Luke Donald, den sie den beiden Oldies mit in den Flight gesteckt haben, nichts als schmückendes Beiwerk zu sein.

Dass der Abschied irgendwann nötig ist, um Peinlichkeiten zu verhindern, lässt sich in der Folge aber nicht mehr verbergen. Wacker hält sich Nicklaus im Verlauf der Runde, aber der Schwung ist nach dem Einsatz zweier künstlicher Hüften und reichlich Rückenschmerzen, nicht mehr flüssig. Der Drive von Donald fliegt 40 Meter weiter, und während der derzeit weltbeste Brite sich mit einer guten Runde von 68 Schlägen (-4) in die Spitze des Feldes schiebt, muss sich Jack Nicklaus am Ende die 75 notieren.

Cut unwahrscheinlich

Nein, mit dem Cut wird es wohl nichts werden in diesem Jahr, zumal Tiger Woods kurz hinter Nicklaus dem Feld längst vorausgeeilt ist, die Runde als Führender mit 66 Schlägen (sechs unter Par) beendete, damit zwei besser war als die Nächstplatzierten, und damit erst einmal Maßstäbe setzte. Seltsame Zufälle verbinden die beiden, die unbestritten die wohl besten Golfer aller Zeiten sind. Hier in St. Andrews hat Nicklaus 1970 seinen zehnten Majorsieg errungen, exakt das gleiche könnte Woods vollbringen. Von Kindheit an ist der 29-Jährige dem Vorbild auf der Spur, um dessen 18 Majorsiege noch zu überbieten. "Mir tut Tiger leid, wenn es um dieses Thema geht", bemerkte Nicklaus dieser Tage. "Man hat schon begonnen, seine Majortitel zu zählen, bevor er nur einen gewonnen hat. Da hatte ich verglichen mit ihm schon einen Vorteil, wenn es um den Erwartungsdruck geht."

Nicht, dass jener seinem Nachfolger in dieser Woche allzu viel zu schaffen macht. Die Vorzeichen für den zweiten British-Open-Sieg nach 2000 jedenfalls stehen gut, meint Woods. Als Nicklaus im gleichen Jahr in Pebble Beach und Valhalla seine letzten US Open und US PGA Championship bestritt, holte sein Nachfolger sich die Titel. "Jedes Mal, wenn er seinen Abschied gefeiert hat, war das für mich ziemlich gut", witzelt der Weltranglistenerste. "Wenn es nach mir geht, kann er noch weiter machen mit dem Abschiednehmen."

© SZ vom 15.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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