Giovane Elber:"Ich bin ungeduldig"

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Nach zwei Operationen sucht Giovane Elber in Mönchengladbach einen Weg zurück in die Bundesliga.

Ulrich Hartmann

Die Folterkammer von Borussia Mönchengladbach liegt im dritten Stock des Fußballstadions. Man fährt mit dem Fahrstuhl hinauf und hat einen schönen Blick über den Borussiapark. Die Folterkammer ist nagelneu, die modernen Fitnessgeräte sehen zum Fürchten aus. Die Streckbank, auf der Giovane Elber liegt, macht einen eher harmlosen Eindruck, aber Elber verzieht das Gesicht. "Oh, das brennt!", sagt er, springt auf und reibt sich die Wade. Neben der Streckbank steht ein Laptop, der Bildschirm zeigt bunte Säulen. Bei der Isokinetik geht es wissenschaftlich zu. Elber drückt mit dem rechten Fuß gegen einen Widerstand, und der Widerstand wehrt sich mit gleicher Kraft. Das hilft, dass die Muskeln zu alter Stärke finden.

Giovane Elber hat in letzter Zeit häufig daran denken müssen, was wird, wenn er vielleicht gar nicht mehr spielen kann, wenn er sich nicht mehr erholt von seinem Wadenbeinbruch vor einem Jahr und der zweimaligen Operation, von dem Knorpel im Sprunggelenk und einer malträtierten Kapsel. "Ich habe sicher nicht verlernt, Fußball zu spielen", sagt er, aber er weiß nicht, wie sich so ein Comeback gestaltet nach langer Pause und kurz vor dem 33. Geburtstag. "Mir geht im Moment viel durch den Kopf", sagt er. "Ich bin ungeduldig."

Herr über 6000 Rinder

Elber ist gerade aus Brasilien zurückgekommen, aus seiner Heimatstadt Londrina, wo er eine Farm mit 6000 Rindern besitzt und seit wenigen Tagen auch eine Firma für Viehfutter, denn wenn seine eigenen Rinder schon so viel davon brauchen, sagt er, dann lohnt sich der Verkauf sicher auch. Elber hat oft behauptet, er werde nach seiner aktiven Zeit einmal Spielerberater, aber da ist er sich nicht mehr sicher. "Fußball ist ein Schweinegeschäft", sagt er, vielleicht setze er doch lieber auf Rinder. Er hat eine Farm in Brasilien und zwei Häuser in München. Elber ist Brasilianer, aber er fühlt sich als Deutscher. Vor elf Jahren ist er hergekommen. Drei Jahre Stuttgart, sechs Jahre München, jetzt Gladbach. In der Zeit, die er von August 2003 bis Dezember 2004 bei Olympique Lyon verbrachte, hat er Heimweh bekommen. Deshalb wechselte er im Januar zur Borussia und wohnt jetzt in Düsseldorf. Er träumt davon, noch "zwei, drei Jahre" weiterspielen zu können. Elber formuliert neue Ziele, für die neue Saison hat er sich "mehr als zehn Tore" vorgenommen. Gladbachs Trainer Horst Köppel sagt, er müsse ihn im Training bremsen.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Elber ist 32 und nicht mehr zwangsläufig erste Wahl. Er sagt, er freue sich auf den Kampf um einen Stammplatz. Er muss mit drei Stürmern um zwei Plätze rangeln: mit Oliver Neuville, Vaclav Sverkos und Wesley Sonck. "Druck ist gut", sagt Elber, "ich mag Herausforderungen." Auch Köppel hält die Lage für produktiv. "Ich rechne mit Reibereien", sagt er und räumt Elber keinen Wettbewerbvorteil ein: "Wenn ich das Gefühl habe, dass ein Sverkos für das Team wichtiger ist als ein Elber, dann kann ich auf Namen keine Rücksicht nehmen." Deshalb muss Elber kämpfen. Am 5. August will er nach einjähriger Pause und zweijähriger Abstinenz vom deutschen Spielbetrieb seine 257. Bundesligapartie absolvieren.

Als der Spielplan für die neue Saison veröffentlich wurde, war Elber gerade in Brasilien. "Ich habe im Internet nachgeschaut und konnte es gar nicht fassen", sagt er. Das erste Spiel führt die Gladbacher ausgerechnet zum FC Bayern, mit dem Elber vier Mal Meister wurde und ein Mal Champions-League-Sieger, bei dem er zum erfolgreichsten ausländischen Stürmer der Bundesliga-Geschichte (insgesamt 133 Tore) avancierte - und bei dem er im August 2003 plötzlich ausgemustert und zu Olympique Lyon transferiert wurde. "Das hat sehr weh getan", sagt er noch heute, aber im Rückblick sei es wohl in Ordnung gewesen, "wenn ich Manager gewesen wäre, hätte ich vielleicht genauso entschieden".

Das Tor gegen München

Sein bislang letztes Spiel in der Bundesliga absolvierte er am 24.August 2003. Im Gastspiel der Bayern beim Hamburger SV wurde er in der 76. Minute für Claudio Pizarro eingewechselt und erzielte zwei Minuten später den Treffer zum 2:0-Sieg. Drei Tage später wurde er nach Lyon verkauft. Er hat sich dort nie wohl gefühlt. "Wir sind Meister geworden, aber ich habe mich nicht als Meister gefühlt, ich habe mich ständig gefühlt, als wäre ich im Gegenverkehr." Am 5. November ist er noch mal kurz zurückgekehrt nach München, mit Lyon in der Champions League, und hat das 2:1-Siegtor geschossen. "Nach meinem Tor habe ich geweint", hat er damals erzählt.

Am 22. August 2004 hat Elber sein letztes Fußballspiel bestritten. In der 53. Minute der Partie zwischen Metz und Lyon brach ihm in einem Zweikampf das rechte Wadenbein. Es musste zwei Mal operiert werden, erst in Lyon, später in München. Sieben Monate vergingen, ehe er wieder trainieren konnte. In Mönchengladbach sind die Fans gespannt, ob Elber sich erholt, ob er noch einmal der Alte wird. Giovane Elber weiß das selbst nicht so genau. In der Folterkammer der Borussen ist zu spüren, dass er sich noch nicht aufgegeben hat.

© SZ vom 8.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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