Ghanas Sieg:Für ganz Afrika

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Mit einem 2:1 gegen die USA zieht Ghana bei seiner ersten WM-Teilnahme ins Achtelfinale ein und trägt nun die Hoffnung seines Kontinents.

In den letzten fünf Minuten glaubten die Amerikaner auch nicht mehr daran. Zwar bemühten sie sich noch, doch ihnen fehlte die Wucht. Sie ahnten wohl, dass ihnen die beiden Tore nicht mehr gelingen würden, die sie zum Einzug ins Achtelfinale brauchen würden. Die Ghanaer standen nun tief in der Abwehr, sie verteidigten ihr 2:1 so hart wie leidenschaftlich, weil sie wussten, was ein Sieg bedeuten würde: die Qualifikation fürs Achtelfinale. Als Schiedsrichter Markus Merk die Partie am Donnerstag um 17.57 Uhr abpfiff, hatten die Ghanaer die kleine Sensation vollbracht. Sie sind bei der WM weiterhin dabei.

Vor der Partie hatte es schon die erste schöne Überraschung für die Spieler gegeben, eingefädelt von Teammanager Tony Baffoe: Der Kameruner Samuel Eto'o kam in die Kabine und schwor die Mannschaft darauf ein, dass sie nun für ganz Afrika spiele. Den Druck auf die Spieler machte das nicht gerade kleiner - man wird nicht alle Tage für einen ganzen Kontinent in die Pflicht genommen. Dabei war der Druck aus Ghana allein schon groß genug; dort hatte der Staatspräsident einen halben Tag freigegeben, damit wirklich jeder den Black Stars dabei zusehen konnte, wie sie bei ihrer ersten WM-Teilnahme für Furore sorgen.

Bereits nach fünf Minuten erlitt die Mannschaft einen Schock. Michael Essien, der Mittelfeldmann vom FCChelsea, foulte am Mittelkreis den Amerikaner Claudio Reyna; das allein löste keinen Schock bei irgendwem aus, aber als Merk die gelbe Karte zückte und Essien verwarnte, war klar: Essien würde im Achtelfinale nicht mitspielen dürfen, wenn sich Ghana qualifizierte. Es war zu sehen, dass Essien sofort Bescheid wusste, seine Schultern hingen, er haderte, weniger mit Merk als mit dem Schicksal. Die Mitspieler trösteten ihn kurz, aber auch sie schienen betroffen zu sein.

Jedenfalls spielten sie in der Folge recht verhalten, die Amerikaner wirkten überlegen und sicherer. Bis zur 22. Minute. Wieder war Reyna an einer entscheidenden Szene beteiligt: Er ließ sich von Haminu Draman rund 25 Meter vor dem eigenen Tor den Ball abjagen. Reyna reklamierte, er fühlte sich gefoult, doch da kein Pfiff ertönte, stürmte Draman mit dem Ball in den Strafraum, er wartete und schaute und schob den Ball überlegt zum 1:0 ins rechte Eck.

Nicht mehr als ein Warnschuss

Liegt Ghana einmal in Führung, wird es normalerweise für jeden Gegner schwer, gegen diese Mannschaft zu spielen. Sie baut ein enormes Selbstvertrauen auf und entfaltet dann bisweilen ein wunderbares Passspiel. Am Donnerstag ergab sich aus der Führung allerdings keine merkliche Stärkung des Teams, was daran gelegen haben mag, dass es um so viel ging. Ghana war zwar die aktivere Mannschaft - allerdings eine Mannschaft, die höchst aktiv erstaunlich viele Fehlpässe produzierte.

Daraus ergab sich zwangsläufig, dass die Amerikaner immer wieder recht mühelos in Ballbesitz gelangten. Nach 35 Minuten zeigten sie, dass sie mit dem Ball auch etwas anzufangen wissen. Brian McBride spielte Landon Donovan gekonnt per Kopf im ghanaischen Strafraum frei, doch Donovans Schuss strich über das Tor. Aber immerhin: ein Warnschuss, der allemal gefährlicher war als die mittlerweile recht kümmerlichen Angriffsbemühungen der Ghanaer.

Einem kümmerlichen Defensiverhalten entsprang dann der Ausgleich. DaMarcus Beasley luxte der aufrückenden ghanaischen Abwehr den Ball ab, flankte flach und präzise, und der mitgelaufene Clint Dempsey jagte die Kugel mit Wucht ins Tor. Die amerikanischen Fans wachten auf: Dem Dauertrommeln der Ghanaer setzen sie jetzt ihre USA-Rufe entgegen. Alles war bereitet für eine spannende zweite Halbzeit.

In der dritten Minute der Nachspielzeit bestritten jedoch der Amerikaner Oguchi Onyewu und Razak Pimpog einen eher harmlosen Zweikampf im Strafraum der USA, nach dem Schiedsrichter Merk auf Elfmeter entschied. Steven Appiah nutzte diese unverhoffte Gelegenheit mit einem platzierten Schuss ins linke oberere Eck zum 2:1 für Ghana.

Ruhige Konter der Ghanaer

Klar, was die Ghanaer danach machten: Sie zogen sich zurück und lauerten auf Konter. Das mag prinzipiell eine gute Taktik sein - allerdings nur, wenn man kluge Konter fährt. Die Amerikaner übernahmen die Initiative. Einmal musste Torwart Kasey Keller einen Schuss von Matthew Amoah entschärfen (55.), ansonsten dominierten die USA und erspielten sich gute Chancen. In der 66. Minute setzte sich Eddie Lewis auf der linken Seite durch und flankte, Mc Bride köpfte an den Pfosten. Zwei Minuten später stand Onyewu nach einer Ecke in der Luft, doch sein Kopfball flog knapp über das Tor. Kurz schien es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis das Ausgleichstor fallen würde.

Das bemerkten jedoch auch die Ghanaer. Sie begannen, ihre Konter ruhiger zu spielen. Nicht, dass sie damit sonderlich gefährlich wurden, aber sie waren nun wieder länger am Ball, was ihnen Zeit zum Luftholen gewährte - genügend Luft, um die Partie zu Ende zu bringen, ohne noch einmal ernsthaft in Gefahr zu geraten.

© SZ vom 23.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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