Gewalt in den Stadien:Außer Kontrolle

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In Berlin prügeln Fans von Dynamo Dresden Polizeibeamte krankenhausreif. Nun erwägt Dynamo Dresden eine Klage gegen das Vorgehen der Polizei.

Die zum Teil mit rassistischen Pöbeleien einhergehende Eskalation der Gewalt in deutschen Fußballstadien hat am Wochenende einen neuen Höhepunkt erreicht. Bei Krawallen am Rande von drei unterklassigen Spielen gab es mehr als 80 Verletzte, mehr als 40 Personen wurden festgenommen. Die schlimmsten Randale gab es beim Regionalligaspiel von Hertha BSCII gegen Dynamo Dresden (1:1). Dort wurden am Freitag 38 Menschen verletzt, darunter 23 Polizisten.

Es wird schlimmer: Fans sind zu immer mehr Gewalt bereit. (Foto: Foto: dpa)

Vier Beamte wurden krankenhausreif geprügelt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) kündigten für Dienstag ein Krisengespräch in Frankfurt an. ,,Wir werden darüber diskutieren, wie wir der Sache von unserer Seite Einhalt gebieten können'', sagte der entsetzte DFB-Präsident Theo Zwanziger.

Politiker von CDU, CSU und SPD mahnten schnelles Handeln an. CSU-Generalsekretär Markus Söder forderte in der Welt am Sonntag die DFL auf, unterklassige Klubs finanziell zu unterstützen, damit auch diese Maßnahmen gegen die Gewalt treffen könnten. Neben der Partie in Berlin wurden auch die Zweitligabegegnung FC Augsburg gegen 1860 München (siehe Text rechts) sowie das Oberliga-Spiel zwischen dem 1. FC Pforzheim und Waldhof Mannheim von Krawallen überschattet. ,,Es ist ganz klar, dass wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können'', so Zwanziger.

In Berlin wurden insgesamt 22 Personen festgenommen. Ein namentlich nicht genannter Polizeiführer sprach laut Berliner Morgenpost von einer ,,neuen Qualität der Gewalt''. Die Dresdner Anhänger hätten nach der Partie die Polizeibeamten ebenso gezielt wie rücksichtslos attackiert. Vertreter von Dynamo Dresden erhoben ihrerseits massive Vorwürfe gegen die Polizei. In einer Pressemitteilung wurde den Beamten neben stümperhaftem Verhalten auch vorgeworfen, sie hätten die Auseinandersetzungen ,,bewusst (...) provoziert'' und in einer ,,Gewaltorgie'' wahllos zugeschlagen, auch auf Unbeteiligte und Kinder. Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch nannte diese Darstellung haltlos, abwegig und empörend: ,,Es ist ein Beitrag zur Förderung des Hooliganismus, wenn Vereins-Verantwortliche nach gewalttätigen Ausschreitungen der Problemfans im Umfeld ihres Klubs die Hooligans zu Opfern und die von ihnen angegriffenen Polizeibeamten zu Tätern erklären.''

Aufgrund befürchteter Krawalle war die Partie von Herthas Amateurstadion in den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark verlegt worden. Augenzeugen zufolge unterfütterte der wegen eines verspäteten Fan-Sonderzuges verzögerte Anpfiff der Partie die aggressive Grundstimmung. Wie schon bei vorangegangenen Spielen Dresdens waren laut Medienberichten aus Dynamos Fanlager antisemitische Chöre zu hören (,,Juden Berlin''), auf die der Verein in seiner Mitteilung nicht einging. In der zweiten Halbzeit zündeten Dynamo-Fans Feuerwerkskörper und rissen Sitzschalen aus der Verankerung. Die Lage eskalierte, nachdem Hertha BSC kurz vor Spielende zum Ausgleich kam und laut Polizei mehrere hundert Dresdner versuchten, das Spielfeld zu stürmen. Vollends außer Kontrolle geriet die Situation dann vor den Stadiontoren. Die Polizei wies die Darstellung von Dynamos Klubführung zurück, ihre Beamten hätten die Zusammenrottung von 150 Hooligans des BFC Dynamo Berlin vor dem Dresdner Fanblock zugelassen. Diese sind mit den Dresdnern schon seit DDR-Zeiten verfeindet.

Erst gegen Mitternacht, zwei Stunden nach Beginn der Randale, und nach Einsatz von Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray, hatte die Polizei die Lage wieder im Griff.

Dresden erwägt Klage: Lesen Sie hier.

Nach den Krawallen am Rande des Fußballspiels Hertha BSC II gegen Dynamo Dresden am Freitag erwägt der sächsische Verein eine Klage wegen des Einsatzes der Berliner Polizei. "Wir prüfen, ob und inwieweit wir rechtliche Schritte einleiten können", sagte Vereinssprecher Peter Tauber. Bisher seien ihm drei Anzeigen bekannt, die Dynamo-Fans wegen Körperverletzung gegen die am Einsatz beteiligten Sicherheitskräfte gestellt hätten.

Der Verein hält an dem Vorwurf fest, dass es von Seiten der Berliner Einsatzkräfte einen "ungeheuerlichen Gewaltausbruch" gegeben habe. Die Vereinsspitze hatte bereits am Wochenende den Verdacht geäußert, dass die Polizei die Auseinandersetzungen "bewusst provoziert" habe.

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