2:0 gegen Hannover:Nach 1641 Tagen

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Nürnberger Ekstase: Der spät eingewechselte Törles Knöll (Mitte) jubelt mit seinen Kollegen über seinen Treffer zum 2:0. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Der 1. FC Nürnberg feiert seinen ersten Saisonsieg. Beim Heimspiel gegen Hannover 96 steht lange Zeit der Videoschiedsrichter im Fokus - am Ende entscheidet es der junge Stürmer Törles Knöll.

Von Felix Haselsteiner, Nürnberg

Michael Köllners Laune ließ sich am Samstagnachmittag an seinem Umgang mit einer Wasserflasche ablesen. Der Trainer des 1. FC Nürnberg gilt als ein ruhiger, geordneter Typ, dementsprechend sachlich positionierte er vor dem Spiel auch die Flasche: akkurat im rechten Eck seiner Coaching-Zone. Da stand sie nun an der Seitenlinie, ab und an bückte sich Köllner und nahm einen Schluck, ansonsten passierte 27 Minuten lang nicht allzu viel.

Als sich Wasserflasche und Publikum langsam an den trägen Rhythmus des Spiels gewöhnt hatten, das von Zweikämpfen und nicht von Chancen bestimmt wurde, begannen die wildesten Minuten der Begegnung, in denen vor allem einer im Fokus stand: Schiedsrichter Bastian Dankert. In der 27. Minute sorgten die Nürnberger zum ersten Mal aus dem Spiel heraus für Gefahr, nach einer Flanke gelangte der Ball zu Stürmer Virgil Misidjan, dessen Kopfball Michael Esser gerade noch parieren konnte. Beim Nachschuss von Ishak jedoch war Hannovers Keeper chancenlos, das Nürnberger Stadion schien vor Freude zu explodieren. Köllners Flasche ging irgendwo im Jubel der Bank unter.

Das 1:0 für die Franken hielt jedoch nur wenige Sekunden, weil Dankert ein Signal aus Köln erhielt. Stürmer Mikael Ishak und nicht Hannovers Abwehrspieler hatte den Ball zuletzt berührt, Misidjan war dadurch klar im Abseits. Ein korrekter Eingriff des Videoschiedsrichters unter lautstarker Beschwerde der Nürnberger Bank.

Breitenreiter ärgert sich über eine Schiedsrichterentscheidung

Die hatte sich etwa eineinhalb Minuten gerade wieder einigermaßen beruhigt (die Flasche war wieder in Position), als erneut Misidjan allein auf das Hannoveraner Tor zulief und kurz vor dem Strafraum von Außenverteidiger Miiko Albornoz berührt wurde. Misidjan ließ sich theatralisch fallen, Dankert sah kein Foul und ließ weiterspielen - erneut unter massivem Protest der Nürnberger, die nun wiederum einen VAR-Einsatz forderten. Der folgte auch: Dankert nahm Kontakt mit Köln auf, sah sich die Szene ausführlich am Bildschirm an und entschied anschließend auf Freistoß und Platzverweis gegen Albornoz. Eine streitbare Entscheidung, so dezent war die Berührung gewesen.

Hannovers Trainer Andre Breitenreiter sagte nach dem Spiel: "Aus unserer Sicht ist das keine rote Karte. Man stellt sich natürlich die Frage, warum der Videoschiedsrichter eingreift, wenn es keine klare Fehlentscheidung ist. Für mich ist es ja nicht einmal ein Foul." Breitenreiter sprach von einer spielentscheidenden Situation, was insofern korrekt war, als dass sich Nürnberg gegen dezimierte Hannoveraner nun wesentlich leichter taten. "Wir haben den Gegner dann kontrolliert", sagte Köllner, ärgerte sich jedoch darüber, dass seine Mannschaft die folgenden Gelegenheiten nicht ausnutzen konnte und torlos in die Halbzeit ging.

In der Kabine stellte Hannover auf ein 4-3-2-System um, Breitenreiter brachte Marvin Bakalorz für Genki Haraguchi und konnte so für mehr Stabilität sorgen. Hannover war nun in Unterzahl überlegen, weil Nürnberg rund 20 Minuten brauchte, "um den Rhythmus wiederzufinden", wie Köllner es später ausdrückte. 96-Stürmer Niclas Füllkrug traf einmal die Latte, Nürnberg hatte Glück.

Törles Knöll wird eingewechselt, leitet ein Tor ein, schießt eins selbst

Doch als die Nürnberger auf der Bank eine Viertelstunde vor Schluss erneut aufsprangen und das Stadion noch mal vor Freude zu explodieren schien, hatte der Videoschiedsrichter nichts dagegen: Behrens' Kopfball nach einer Ecke traf den linken Pfosten, der kurz zuvor eingewechselte Törles Knöll schaltete daraufhin am schnellsten, seine Hereingabe versuchte Hannovers Innenverteidiger Waldemar Anton zwar noch zu klären, beförderte damit jedoch den Ball ins eigene Netz. Köllner hob die Arme in den Nürnberger Himmel, seine Flasche fiel dem ekstatischen Jubel zum Opfer. Es sollte noch besser kommen: Keine ganze Minute später wurde Ishak über die linke Seite freigespielt, legte quer, Knöll musste nur noch zum 2:0 einschieben (77.). Der 21-Jährige, vor der Saison aus Hamburg nach Nürnberg gewechselt, zeigte sich nach dem Spiel diplomatisch. "Das Tor gehört natürlich auch Mikael", sagte er und lächelte freundlich.

Die Nürnberger Glückseligkeit war nach dem ersten Bundesliga-Heimsieg nach 1641 Tagen (ein 2:0 gegen Stuttgart am 26. März 2014) allgegenwärtig. Innenverteidiger Georg Margreitter sprach von der besten Saisonleistung: "Dass wir unsere guten Leistungen auch mal mit Punkten bestätigen konnten, nimmt sehr viel Druck raus." Trainer Köllner sprach von einem "ganz, ganz wichtigen Sieg", den er in den ruhigen Schlussminuten scheinbar auch noch genießen konnte: Er hatte sich eine frische Wasserflasche geholt.

© SZ vom 23.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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