Galoppsport:Nur der Jockey macht Luftsprünge

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Eine Pferdelänge voraus: Jockey Frankie Dettori und Miss Yoda galoppieren in Düsseldorf beim Preis der Diana der Konkurrenz davon. (Foto: Stephanie Gruttmann/imago)

Über den Galopp-Renntag in Düsseldorf freuen sich die Sieger - der große Rest muss auf die Rückkehr der Zuschauer hoffen.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf/München

Die missliche Lage des Galoppverbands und seiner Rennvereine ist bei den Renntagen besonders zu spüren, wenn man auf die leeren Tribünen blickt. Weil coronabedingt nach wie vor sehr wenig Publikum zugelassen ist, wirkte zwar auch der traditionsreiche Henkel-Renntag auf der Düsseldorfer Galopprennbahn recht emotionslos, doch den Pferdebesitzern unten am Geläuf bereiten ihre Triumphe unveränderten Spaß.

Dem Automobil-Erben Georg von Opel etwa. Sein Vermögen wird auf mehr als eineinhalb Milliarden Euro geschätzt. Für 280 000 Euro wurde vor zwei Jahren in Baden-Baden die Stute Miss Yoda als Jährling ersteigert, mittlerweile gehört sie von Opels Stall Westerberg - und 300 000 Euro betrug am Sonntag die Siegprämie für Miss Yodas Sieg beim bedeutendsten deutschen Stutenrennen, dem Preis der Diana. "Jetzt wird gefeiert", frohlockte von Opel, dabei dachte man doch, im deutschen Galopp gäbe es momentan nichts zu feiern.

Vereinzelt aber eben schon. Der Düsseldorfer Rennverein kam durch dieses Ergebnis im Diana-Rennen erstmals in den Genuss des sogenannten Dettori-Jumps. Dieser katapultartige Sprung aus dem Sattel ist der Signature-Move des in England lebenden Italieners Lanfranco Dettori, 49. Er zählt zu den weltbesten Jockeys und führte nun auch auf der Bahn auf dem Grafenberg seine Artistik auf. Vielleicht hängen sie einen Schnappschuss seines Sprungs in ihr altehrwürdiges Waagehäuschen. Selbst in der Coronakrise erlebt der Galopp denkwürdige Momente.

Gerade mal 150 Zuschauer durften diesmal zuschauen, normalerweise sind es bei diesem Rennen etwa 20 000. Die Einbußen beim Eintrittsgeld und die generelle Zurückhaltung von Sponsoren prägen das gegenwärtige Problem des Galoppsports, da war es erholsam, dass an diesem Tag ausnahmsweise einmal nicht gespart wurde. Die Diana war mit einer satten halben Million Euro dotiert. Nahezu alle anderen Rennen der Corona-Saison bieten in diesen Wochen nur halbierte Gewinnprämien, aber in Düsseldorf hat sich der örtliche Konsumgüter-Konzern nicht lumpen lassen und den ganzen Tag über volle Preisgelder ausgeschüttet. Das hat manche Sorgen der bereits wirtschaftlich angeschlagenen Trainer und Jockeys weggespült, passend zu den Namen der Rennen, die an diesem Tag stattfanden, und nach Waschmitteln benannt waren.

Jedoch wohl nur vorübergehend. Ein sechsstelliges Euro-Defizit droht dem Dachverband Deutscher Galopp, wenn nicht bald eine relevante Zuschauerzahl zu den Renntagen zurückkehren darf oder es bis Jahresende nicht ein weiteres Hilfsprogramm für den Sport gibt, so eines, wie es die Mannschaftssportarten bereits zugesagt bekommen haben. Der Galopp-Präsident Michael Vesper und der Verbandsmanager Jan Pommer stehen im Dialog mit der Politik und werben um Verständnis für die Erfordernisse der Vollblutzucht, die mit ihren als "Leistungsprüfungen" deklarierten Galopprennen im Tierzuchtgesetz verankert ist. "Wir begegnen großer Skepsis und erheblicher Zurückhaltung", berichtet Pommer aus den Gesprächen mit den Landesregierungen, betont aber, dass man die behördliche Vorsicht nachvollziehe und alle Entscheidungen mittrage.

Die gewaltigen Summen, die im Galoppsport bei den Auktionen und vereinzelten Rennen nach wie vor bezahlt werden, helfen zwar dem Verband und den Rennvereinen kaum, tragen aber zur Aufrechterhaltung eines attraktiven Programms durchaus bei. An Nachmittagen, an denen der TV-Sender Sport1 neuerdings Galopprennen überträgt, schalten sich bis zu 80 000 Zuseher ein. Für den Verband ist das ein tröstliches Signal.

Vom Miss-Yoda-Sieg in Düsseldorf profitierten nicht nur jene Wetter, die das 6,3-fache ihres Einsatz gewonnen haben, sondern auch Besitzer Georg von Opel mit dem Stall Westerberg in Rheinland-Pfalz sowie das Gestüt Etzean im Odenwald, wo sich der Züchter Marc Sonnenburg nun schon auf den Auktionspreis einer noch im Gestüt lebenden Miss-Yoda-Schwester freut. "Wir hoffen dadurch auf einen besseren Preis", sagt er lächelnd.

Dieser Satz gilt freilich allgemein für den Galoppsport, der wie viele Branchen die schwierigste Zeit seiner Geschichte durchlebt. Manager Pommer hofft immer noch, "dass wir am Ende mit eineinhalb Veilchen davonkommen". In Baden-Baden bemühen sie sich darum, die Rennwoche im September vielleicht doch mit mehr als den absehbaren 500 erlaubten Zuschauern durchzuführen. Wenn nicht, wäre es das erste Mal in der mehr als 160-jährigen Historie, dass die Tribünen weitgehend leer bleiben.

© SZ vom 04.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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