Fußballer-Spionage:Mehr Frauen als Tore

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Christian Vieri ist empört, dass Inter Mailand ihn beschatten ließ, dabei war das im italienischen Fußball früher üblich - und wurde von den Spielern sogar ausgenutzt.

Birgit Schönau

Christian Vieri war einmal der teuerste Stürmer der Serie A. Um ihn zu holen, gaben die Bosse der Großklubs Juventus Turin, Lazio Rom und Inter Mailand Unsummen aus. Halten konnte Vieri nur Inter.

Schnüffler auf den Fersen: Christian Vieri (Foto: Foto: AFP)

In Mailand blieb der heute 33-jährige Profi, der als rastlosester Wanderarbeiter der Liga galt, immerhin sechs Jahre. Inzwischen kuriert er komplizierte Verletzungen aus, als Star gilt er schon länger nicht mehr.

Die vorerst letzte Station seiner Karriere ist Atalanta Bergamo zum in Italien vorgesehenen Mindesttarif von 1500 Euro im Monat. Aber daran liegt es nicht, dass Christian Vieri neuerdings wieder in den Schlagzeilen ist. Als Opfer in einem Skandal - so sieht er sich jedenfalls selbst.

Inzwischen ist herausgekommen, dass Inter ihn beschatten ließ. Als im Jahr 2003 Vieris Leistungen nachließen, beauftragte die Klubführung einen Privatdetektiv. Neben Vieri sollte auch ein Schiedsrichter ausspioniert werden.

Letzteres wird von Inter-Besitzer Massimo Moratti bestritten. Bei seinem früheren Spieler jedoch hat sich Moratti schon entschuldigt. "Das war nicht schön von uns", soll der Petrol-Unternehmer dem Ermittler des Fußballverbandes, Francesco Saverio Borrelli, gesagt haben, als dieser ihn am Dienstag verhörte. "Bitte überbringt Vieri meine Entschuldigung."

Wie der gehörnte Ehemann

Dem Spieler reicht das jedoch nicht. "Ich bin sauer", so wurde Vieri am Donnerstag in der Gazzetta dello Sport zitiert. "Ich fühle mich von Moratti betrogen und enttäuscht. Ich will verstehen, warum er das getan hat."

Dabei ist das gar nicht so schwer. Wenn der Boss seinem Spieler nachspioniert, tut er das mit dem gleichen Verdacht wie der gehörnte Ehemann. Es geht immer nur um das Eine: nämlich um das, was Männer zwischen 20 und 30 neben Fußball unweigerlich auch noch im, sagen wir: Kopf haben.

Vieris Frauenepisoden und Nachtklubbesuche sind Legende. Eine seiner Freundinnen wurde durch ihn so berühmt, dass man sie mit einem Vertrag als Dekorationselement einer Fußballshow im Berlusconi-Fernsehen versorgte, als die Affäre mit dem Stürmer vorbei war.

Christian Vieri beschäftigt im fußballfreien Sommer mehr Paparazzi als weiland Marcello Mastroianni (was übrigens einiges über den Zustand des latin lovers aussagt, aber das nur nebenbei). Es wäre nicht allzu boshaft, wenn man behaupten würde: Von Vieri hat man in den letzten Jahren mehr Fotos mit schönen Frauen gesehen als Tore.

Zwischen Sexsymbol und Zölibat

Er ist das Symbol einer Entwicklung, die man außerhalb Italiens am ehesten an David Beckham studieren kann, die aber im Mutterland von Totti, Toni und Maldini sehr weit fortgeschritten ist.

Fußballer sind die neuen Sexsymbole - aber bezahlt werden sie nun mal fürs Kicken. Und ihre Arbeitgeber hätten am liebsten den Zölibat.

"Der Fall Vieri ist aus zwei Gründen überraschend", stellte der Corriere della Sera fest: "Erstens hat er nicht gemerkt, dass er beschattet wurde, zweitens ist er sauer darüber." Auch die Fußballergewerkschaft Assocalciatori beklagt den "Übergriff in Vieris Privatsphäre". Dabei würde es doch reichen, in jeden Vertrag über drei Millionen Netto eine kleine Klausel einzufügen. "Nach 22 Uhr keine Damenbesuche." Fertig.

Verfolgt von einem pensionierten Carabiniere

Anlässlich des Vieri-Theaters äußerten sich Dutzende ehemaliger Profis, die ebenfalls beschattet wurden, das aber erstens sofort merkten und zweitens viel lockerer nahmen.

Etwa Domenico Marocchino von Juve: "Als ich meine Karriere beendete, kam ein Herr zu mir und sagte: ,Du ahnst nicht, wieviel Kilometer ich dir hinterher gefahren bin.' Er war ein pensionierter Carabiniere, als Gegenleistung erhielt er von der Juve eine Dauerkarte auf der Ehrentribüne."

Andere Zeiten. Für Inter spielte in den Siebzigern Giacomo Libera, ein Typ wie Vieri. Präsident Ivanoe Fraizzoli schickte ihm die Späher auf den Hals. "Zwei Männer verfolgten mich. ,Was zum Teufel wollt ihr von mir?', habe ich sie gefragt. Und dann habe ich sie zum Essen eingeladen. Wir wurden uns schnell einig. Nach einer Woche bestellte mich der Präsident in sein Büro und lobte mich: Mein Kompliment, Libera. Wie ich höre, tadelloses Benehmen."

© SZ vom 6.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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