Fußball-WM 2006:Wer wie viel vom WM-Kuchen naschen darf

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Die Aufregung ist groß: Angeblich geht nur ein Drittel der Tickets in den freien Verkauf. Aber was ist "freier Verkauf" eigentlich? Mit der Transparenz ist es beim Organisationskomittee nicht so weit her. Warum die Ticket-Vergabe so ist, wie sie ist, und wie viele Tickets es wirklich noch gibt.

Von Bernd Oswald

"Fair und transparent" will das Organisationskomittee (OK) der Fußball WM 2006 die 2,93 Millionen Tickets vergeben. So weit der Vorsatz. Die Praxis sieht ein bisschen anders aus.

Bei vielen Fans kommt derzeit wenig Freude auf - sie sind bei der Ticketverlosung leer ausgegangen. (Foto: Foto: AP)

Millionen Fußball-Fans schrien verzweifelt auf, als sie die Kunde vernahmen: Nur ein Drittel der drei Millionen Eintrittskarten ist für sie zu erwerben, der Rest für Sponsoren und Verbände reserviert. Das stimmt mitnichten. Das OK hat einen feinen Schlüssel entworfen, wer wie viele Tickets bekommen soll.

Hunderttausende geblockte Tickets

812.000 Tickets wurden in der ersten Verkaufsphase vergeben. 555.000 gehen an die sechs nationalen und 15 internationalen Sponsoren, 389.000 Tickets bleiben auf jeden Fall in Deutschland - sie gehen an die "deutsche Fußballfamilie". Damit sind die (Bundesliga-)Vereine, die Landesverbände des DFB, Ausrichterstädte, Stadionbetreiber und Fan-Gruppen gemeint. Dann sind die 468.000 Tickets, die die 32 teilnehmenden Verbände bekommen, also auch der DFB.

447.000 Plätze heißen Hospitality Seats, vier unterschiedlich luxuriöse Kategorien von Haupttribünen-Plätzen bzw. ganzen Logen. 191.000 Billets erhalten die nicht teilnehmenden Verbände und die Konföderationen der Fifa, also die sechs Kontinentalverbände von Nord- und Mittelamerika, Südamerika, Europa, Afrika, Asien und Ozeanien. Schließlich gibt es noch 64.000 Karten für die Inhaber der TV-Rechte. Macht summa summarum 2,93 Millionen Tickets.

300.000 Tickets in Phase drei

Die genannten Zahlen sind geblockte Tickets. Erfahrungsgemäß werden aber nicht alle abgerufen. So ist es unwahrscheinlich, das zum Beispiel der Senegal die ihm zustehenden acht Prozent der Eintrittskarten pro Spiel komplett in Anspruch nimmt. Das gleiche gilt für nicht teilnehmende Nationen.

Im Prinzip sind auch die 447.000 Hospitality Seats im freien Verkauf, nur eben deutlich teurer als die normalen Tickets. Die Spanne reicht von 1900 Euro für je drei Spiele in Leipzig, Hannover, Kaiserslautern oder Nürnberg bis zu 350.000 Euro für sechs Spiele in der Sky Box in Dortmund, die mehrere Dutzend Personen fasst.

Alle Karten, die in diesen Kategorien nicht abgerufen werden, kommen wieder in den freien Verkauf.

In der 3. Verkaufsphase vom 1. Dezember 2005 bis zum 16. Januar 2006 wird es etwa 300.000 Einzeltickets geben. Wie viele es in der vierten und fünften Runde sein werden, ist noch offen, tendenziell aber jeweils deutlich weniger.

389.000 Tickets fürd die "deutsche Fußballfamilie"

Auf jeden Fall in Deutschland bleiben die 389.000 Tickets für die Fußballfamilie: Das OK wird sich mit den entsprechenden Vertretern in Verbindung setzen und dann aufteilen. Nach welchem Schlüssel das passiert, ist noch ebensowenig klar wie der Zeitpunkt.

Transparent, wie es sich das OK vorgenommen hat, ist das nicht gerade. Beim Fußball-Weltverband Fifa kann man sich in diesem Fall nicht beschweren. Die Richtlinien für das "Ticketing" hat das Organisationskommittee selbst aufgestellt.

OK muss Verbindlichkeiten abbauen

Auch mit der selbst progagierten Fairness ist es so eine Sache: Das OK bucht schon jetzt das Geld für die Tickets der ersten Verkaufsphase ab, 13 Monate vor WM-Start und ohne konkrete Gegenleistung. Schließlich gibt es nur Ticket-Optionen und noch keine wirklichen Eintrittskarten, weil die Qualifikation noch nicht abgeschlossen ist. Warum hat man also nicht gewartet bis die 32 WM-Teams feststehen? "Eine berechtigte Frage", sagt OK-Sprecher Jens Grittner.

Hauptgrund ist, dass die Organisatoren dringend Geld benötigen. Seit der OK-Gründung am 1.1.2001 habe es nur Ausgaben gegeben, für die 150 Mitarbeiter, Veranstaltungen, Image-Kampagnen. Jetzt benötige man dringend Einnahmen, um Verbindlichkeiten zu tilgen. Insgesamt machen die Ticketerlöse mit 200 Millionen knapp die Hälfte des 430 Millionen Euro Budgets aus. Außerdem gibt es 170 Millionen Euro Fifa-Zuschuss und 60 Millionen von den deutschen Sponsoren.

Frühe Fan-Nachfrage

Auf dem Kapitalmarkt will das OK kein Geld machen. Es werde nicht auf Zinserträge spekuliert, so Grittner. Der frühe Zeitpunkt des Ticket-Verkaufs sei "ein Bedürfnis der Fans. Auch die Nationalverbände haben uns aufgerufen, die Tickets frühzeitig auf den Markt zu bringen", erklärt der Sprecher.

Deswegen verkauft man schon jetzt Teamserien, auch wenn es sein kann, dass sich die gewählte Mannschaft gar nicht qualifiziert. In diesem Fall gibt es zwar das Geld zurück, allerdings werden - je nach Ticketkategorie - zwischen 20 und 50 Euro Bearbeitungsgebühr abgezogen. So viel würde nun mal der personelle Verwaltungsaufwand kosten, so Grittner. Außerdem sei dieser Fall die Ausnahme, denn die meisten Teamserien würden für Mannschaften gebucht, die in der WM-Qualifikation gute Aussichten haben.

Die Ticket-Aussichten sind nicht ganz so gut, aber es gibt sie noch. Und die Hoffnung stirbt zuletzt.

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